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Bluthochdruck: Gas, das nach faulen Eiern riecht, kontrolliert den Blutfluss

Ohne ein wenig Schwefelwasserstoff, um die Muskeln zu entspannen, beginnt der Blutdruck zu steigen.

Wenn der Geruch fauler Einer vorbeizieht, sind Sie wahrscheinlich eher angeekelt als entspannt. Dennoch haben Wissenschaftler nun gezeigt, dass das Gas, das nach faulen Eiern riecht, Schwefelwasserstoff, bei Tieren in bestimmten Zellen produziert wird und als Muskelrelaxanz wirkt, wodurch der Blutdruck reguliert wird.

Schwefelwasserstoff stinkt nicht nur, es ist auch ziemlich giftig. Das Einatmen von Luft, in der hohe Konzentrationen des Gases enzhalten sind (etwa 500 ppm) ist für Menschen tödlich. Doch während der letzten 20 Jahre haben etliche Studien gezeigt, dass das Gas Mäuse in eine Art künstliches Koma versetzen kann, was dazu beiträgt, Schäden, die durch einen Herzinfarkt verursacht werden, zu minimieren.

Nun haben Sol Snyder von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, Maryland, und seine Kollegen ein Enzym identifiziert, das Schwefelwasserstoff in Geweben produziert, das bei Mäusen dazu beiträgt, den Blutfluss zu kontrollieren.

Um die Funktion des Enzyms mit der Bezeichnung Cystathionine gamma-lyase (CSE) zu untersuchen, veränderte Snyders Team Mäuse gentechnisch so, dass ihnen das für CSE codierende Gen fehlt. Die Ergebnisse waren eindeutig: "Schaltet man CSE aus, stoppt man die Produktion von Schwefelwasserstoff in jedem Teil des Körpers mit Ausnahme des Gehirns", erklärt Snyder. Und das Erste, das sie bei diesen Mäusen, die keinen Schwefelwasserstoff produzierten fanden? Hohen Blutdruck - Hypertonie.

"Das ist riesig", sagt Matt Whiteman von der Peninsula Medical School, University of Exeter, Großbritannien, der die Schwefelwasserstofflevel bei Patienten mit Diabetes-assoziiertem Bluthochdruck untersucht. Er sagt, dies sei die erste Forschungsarbeit, die zeigt, dass durch das Entfernen von CSE der Blutdruck steigt. "Das sind fantastische Nachrichten für Leute wie mich, die auf diesem Gebiet arbeiten." Die Forschungsarbeit wurde in Science (1) veröffentlicht.

Gutes Gas

Schwefelwasserstoff gesellt sich zu Stickstoffmonoxid als eines von wenigen gasförmigen Signalmolekülen. "Jetzt haben wir ein weiteres physiologisches Gas", sagt Whiteman.

Stickstoffmonoxid wird im Endothelium produziert - der Plattenepithelschicht, die unter anderem die Blutgefäße auskleidet - und wirkt als endothelium-derives relaxing factor (EDRF). Snyders Arbeit bestimmt Schwefelwasserstoff als weiteren EDRF, sagt er. Zum Beispiel wird CSE von einer Kombination aus Kalzium und Kalmodulin reguliert, einem Kalzium-bindenden Protein. Diese Methode ähnelt der Art, in der Enzyme, aus denen Stickstoffmonoxid entsteht, reguliert werden.

Snyders Team schloss andere Ursachen für den Bluthochdruck der Mäuse aus, zum Beispiel Nierenschäden oder weitere fehlende Enzyme. Darüber hinaus untersuchten sie Muskelgewebe aus den Blutgefäßen der Mäuse, denen das Gen für CSE fehlte, und stellten fest, dass es im Vergleich zum Gewebe normaler Mäuse "deutlich beeinträchtigt" war.

Snyder und seine Kollegen arbeiten nun an einer vergleichenden Studie, um die relative Wichtigkeit von Schwefelwasserstoff und Stickstoffmonoxid zu quantifizieren. Das Ausmaß der Auswirkungen von Schwefelwasserstoff auf die Mäuse lässt Snyder jedoch vermuten, dass das Gas als EDRF genauso wichtig sein könnte wie Stickstoffmonoxid.

Falls dies der Fall ist, könnte es neue Wege in der Behandlung bestimmter Erkrankungen wie Angina eröffnen - bei der Medikamente auf Stickstoffmonoxidbasis verwendet werden, um die Blutgefäße zu weiten und den Blutfluss zu fördern. Einige Patienten entwickeln Intoleranzen gegen diese Medikamente, und eine Alternative könnte nun in Aussicht sein, so Whiteman.

Ein Mitglied aus Snyders Team, Rui Wand von der Lakehead University in Ontario, Kanada, erhofft einen weiteren therapeutischen Nutzen. Für diejenigen, die nach einer genetischen Disposition für Bluthochdruck suchen, "könnte es eine gute Idee sein, Menschen mit Hypertonie auf Anomalitäten des CSE-Enzyms zu screenen", stimmt Snyder zu.

"Und Hypertonie ist erst der Anfang", sagt Wang und fügt weitere Erkrankungen wie Arteriosklerose, Herzinsuffizienz und Herzprobleme bei Diabetes mellitus an.

(1) Yang, G. et al., Science 322, 587-590 (2008)

Dieser Artikel wurde erstmals am 23.10.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.1187. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Katherine Sanderson

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