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Bedroht. Weltweit schrumpfen die Wälder um 15 Milliarden Bäume jährlich. Sie fallen damit als Kohlendioxidspeicher und Mittel gegen den Klimawandel aus.

© Thomas Crowther

Inventur der Bäume: Der halbe Wald ist weg

Wie viele Bäume gibt es auf der Erde? Etwa drei Billionen, 422 für jeden Menschen. Doch 46 Prozent der Wälder sind seit Beginn der menschlichen Zivilisation gerodet worden.

Eine neue Schätzung zählt weltweit 3,04 Billionen Bäume – viel mehr als Hochrechnungen auf Basis von Satellitenaufnahmen von Wäldern bislang vermuten ließen, die bei etwa 400 Milliarden lagen. Das ist eine gute Nachricht und eine schlechte. Denn eine Forschergruppe um Thomas Crowther von der Universität Yale fand auch heraus, dass Jahr für Jahr 15 Milliarden Bäume verschwinden. „Wir waren erstaunt, dass unsere Schätzung des weltweiten Baumbestands so weit über den bisherigen Studien lag“, sagt Crowther. Erschreckend und von geradezu „astronomischem Ausmaß“ sei, wie sehr der Mensch in die Wälder eingreife. Seit Beginn der menschlichen Zivilisation sei die Zahl der Bäume um fast die Hälfte – 46 Prozent, also nahezu drei Billionen Bäume – geschrumpft, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“.

Die neuen Schätzungen basieren auf über 400 000 Zählungen der Baumdichte in Wäldern in 50 Ländern verschiedener Kontinente. Crowthers Team verknüpfte die Informationen über Wälder mit bekanntem Baumbestand mit den zur Verfügung stehenden Satellitenbildern. So konnten sie Rückschlüsse ziehen auf die Baumdichte von Regionen, von denen nur Satellitenaufnahmen zur Verfügung standen. „Unsere Schätzungen sind nützlich, sowohl um den bisherigen Einfluss des Menschen auf die Wälder zu bestimmen als auch um zu berechnen, was wir tun müssen, um Wälder zu erhalten und wiederherzustellen“, sagt Crowther.

Die Zahlen helfen bei Prognosen zum Klimawandel

Am zuverlässigsten konnten die Forscher den Baumbestand für Wälder Nordamerikas und Europas bestimmen, weil hier eine Fülle von Informationen über die Baumdichte existiert. „Weniger sichere Aussagen können wir über die nördlichen Nadelwälder Nordrusslands und Chinas machen, weil wir dort weniger Daten zur Verfügung hatten“, sagt Crowther. Das Team habe sich mit Baumzählungen aus kanadischen Wäldern der gleichen Klimazone beholfen und konnte so den Bestand dennoch „ziemlich genau“ schätzen.

Die neuen Zahlen dürften auch die Prognosen über den weltweiten Klimawandel präzisieren. Wälder sind Kohlenstoffsenken, weil sie der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und als Biomasse in Blättern und Holz jahrzehntelang speichern können. Das wirkt dem Klimawandel entgegen. Oder anders ausgedrückt: Das rasante Verschwinden von Wäldern beschleunigt den Klimawandel, sodass neue Zahlen über die Anzahl und Art der Bäume weltweit die Klimawandelprognosen verbessern dürften.

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Allerdings sagt die pure Anzahl der Bäume eines Waldes nicht unbedingt etwas darüber aus, wie viel Kohlendioxid dort in Form von Biomasse gebunden werden kann. „Manchmal bedeuten viele Bäume mehr Biomasse“, sagt Crowther, „aber manchmal binden viele Bäume weniger Kohlenstoff, zum Beispiel wenn es sich um viele kleine, junge Bäume handelt.“ Dennoch kann mit den Daten der Studie nun genauer berechnet werden, welche Wälder besonders wichtige Kohlenstoffsenken sind. „All unsere bisherigen Annahmen über globale Kohlenstoffspeicher berücksichtigen diese Informationen nicht, weil wir die genaue Zahl der Bäume einfach noch nicht messen konnten.“ Jetzt könne man besser verstehen, wie viel Kohlenstoff aufgenommen, wie viel in die Atmosphäre abgegeben werde und welche Folgen das für das Klima und die Land- und Forstwirtschaft habe.

Das neue Ziel: eine Billion Bäume pflanzen

Die Baumdichte wird in den verschiedenen Wäldern vor allem von klimatischen und lokalen Umweltfaktoren beeinflusst, bestätigt die Studie bisherige Forschungen. So findet sich der dichteste Baumbestand vor allem in den nördlichen Koniferenwäldern. In den Tropen liegen dagegen mit 43 Prozent die größten Waldflächen. Als der entscheidende Faktor für die Zahl der Bäume in allen Klimazonen und in allen Waldtypen entpuppte sich aber der „negative Einfluss des Menschen“, sagt Crowther.

Den Anstoß für das Baum-Census-Projekt habe die „Billion Trees Campaign“ gegeben, sagt der Forscher. Das ist ein Aufforstungsprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, weltweit eine Milliarde Bäume zu pflanzen. „Sie wollten wissen, ob das den weltweiten Baumbestand nur um ein oder um 50 Prozent verändern und Einfluss auf den Klimawandel haben würde.“ Angesichts der unsicheren Schätzungen seien eine Milliarde Bäume ein durchaus vernünftiges Ziel gewesen. Doch angesichts eines jährlich Schwunds von 15 Milliarden Bäumen, befürchtete Crowther zunächst, dass die Initiatoren den Mut verlieren könnten. „Das Gegenteil war der Fall, sie haben sich ein neues Ziel gesteckt: eine Billion Bäume zu pflanzen.“

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