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Jobsuche. Viele Studierende müssen neben dem Bachelor Geld verdienen. Foto: dpa

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Bachelor: Studierende sollen ohne Druck jobben

Die Universität Heidelberg will den Bachelor regelmäßig auch als Teilzeitstudium anbieten - damit auch Studierende mit weniger Zeit ihre Kurse erfolgreich absolvieren können.

Zwei Drittel der deutschen Studenten jobben. Die meisten müssen das tun, weil sie ihr Studium sonst nicht finanzieren können. Trotz dieser seit vielen Jahren bekannten Tatsache haben die wenigsten Hochschulen in Deutschland Teilzeitstudiengänge im grundständigen Angebot. Von 13 131 Studienangeboten mit den Abschlüssen Bachelor und Master sind nur 246 Studiengänge mit grundständigen Teilzeitangeboten konzipiert – das Teilzeitstudium ist ein Nischenangebot für 16 Prozent der Bachelorstudenten. Dabei dürfte das Interesse daran weit größer sein.

Ein großes Hindernis ist das Bafög. Im Bafög-Gesetz kommt das Teilzeitstudium nicht vor und die Regelstudienzeit wird auf fünf Jahre begrenzt. Auch in Berlin stehen Teilzeitstudenten unter dem Bafög-Risiko. Darauf weist auch die Humboldt-Universität ausdrücklich hin. Sie hat das Teilzeitstudium für diejenigen geöffnet, „die nicht mehr als die Hälfte“ des Studienumfangs belegen können, der für ein Vollzeitstudium vorgesehen ist. In Teilzeit studierte Semester werden nur als halbe Fachsemester gezählt. „Auf diese Weise verdoppelt sich die Regelstudienzeit“, erklärt die HU den Interessenten warnend.

Bisher hatten viele Universitäten, die sich im Wettbewerb um den Elitestatus befinden, wenig Lust, Teilzeitstudiengänge einzurichten. Auch Baden-Württemberg hat bislang erklärt, damit könne man sich nicht im Elitewettbewerb profilieren. Von dieser Auffassung rückt jetzt jedoch Heidelberg, eine der ältesten und zugleich eine der besten deutschen Universitäten ab: Die Exzellenzuniversität will in den großen Fachrichtungen der Geistes- und Sozialwissenschaften, der Lebenswissenschaften und der Naturwissenschaften Teilzeitstudiengänge entwickeln. Und zwar als Regelangebot. Das Land Baden-Württemberg stellt der Universität dafür 500 000 Euro zur Verfügung. Die Teilzeitidee gehört zu zwölf Vorschlägen zur Studienreform an den Hochschulen des Landes, die das Ministerium aus 30 Ideen auswählte: „Wer schnell studieren möchte, soll das können, wer etwas mehr Zeit braucht, soll sie bekommen“, sagt Wissenschaftsminister Peter Frankenberg. Damit nimmt Baden-Württemberg Überdruck aus dem Kessel des auf Beschleunigung orientierten Bachelorstudiums.

Werden nur Studierende zum Teilzeitstudium zugelassen, wenn sie den Nachweis erbringen, dass sie berufstätig sind oder Kinder haben? „Nein“, sagt Andreas Barz, Leiter des Dezernats Studium, Lehre und Weiterbildung an der Universität Heidelberg: „Wir möchten die Attraktivität des Studienortes Heidelberg für diejenigen erhöhen, die große Hürden auf dem Weg zur Realisierung eines Studiums sehen.“

Aber bis zur Einführung müssen noch gravierende Probleme geklärt werden. Baden-Württemberg gehört zu den Ländern, deren Universitäten Studiengebühren von 500 Euro im Semester verlangen. Die Teilzeitstudierenden sollen die Gebühren gemäß ihrem Tempo strecken dürfen. Wer in einem Jahr nur 50 Prozent der normalen Studienzeit in Anspruch nehmen kann, soll für diese Zeit auch nur 50 Prozent der Gebühren bezahlen.

Geklärt werden muss, ob eine zeitliche Obergrenze für Teilzeitstudiengänge festgelegt werden soll. Denn die Einführung des Bachelor-Master-Konzepts sollte ja zur Verkürzung der überlangen Studienzeiten in Deutschland beitragen.

Bisher ist das Bachelorstudium in Module eingeteilt: Vorlesung, Seminar und Übung stehen unter einem gemeinsamen Generalthema. Die meisten Module sollen in einem Semester mit einer Prüfung abgeschlossen werden. Aber es gibt auch Module, die über zwei Semester laufen. Die Universität Heidelberg muss dafür sorgen, dass es im Teilzeitstudium nicht zum Chaos kommt, erst recht, da die Studierenden oft zwei Fächer studieren. Neben dem Teilzeitstudium will Wissenschaftsminister Frankenberg in Baden-Württemberg den Wunsch nach einem Propädeutikum aufgreifen. Die bisher von den Universitäten angebotenen Brückenkurse zur Vorbereitung der Abiturienten auf ein Studium in den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften sind für viele zu kurz, um das Hochschulniveau zu erreichen. Wird dagegen eine Übergangszeit von einem halben bis zu einem Jahr eingeführt, kann das für etliche Studienbewerber zu einer echten Hilfe werden: „Es ist besser, wenn wir nach dem Propädeutikum bei den Ingenieurstudenten eine Erfolgsquote von 70 Prozent haben als zu hohe Abbrecherquoten“, sagt Frankenberg.

Vor diesem Hintergrund haben die Technischen Universitäten Karlsruhe und Stuttgart ein „MINT-Kolleg“ für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technikwissenschaften konzipiert. Diese Einführungsphase soll zwischen sechs Wochen und zwölf Monaten variieren. Der flexible Studieneinstieg bietet den Studienbewerbern eine gründliche fachliche Orientierung und fördert ihre Kompetenzen. Das Land fördert den Modellversuch für drei Jahre mit 900 000 Euro.

Die Fachhochschule Technik und Wirtschaft in Karlsruhe setzt ebenfalls auf eine flexible Einführungsphase, also auf unterschiedliche Studiengeschwindigkeiten. Es gibt sowohl Brückenkurse in den Grundlagenfächern als auch die Streckung der fachlichen Inhalte über zwei Semester statt über ein Semester. Das Land fördert diese Idee mit 500 000 Euro.

Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen/Geislingen unterzieht die Studienbewerber zunächst einem Einstufungstest, bevor sie zum Grundstudium zugelassen werden. Zusätzliche Begleitkurse während des Grundstudiums erleichtern den Einstieg. Das Grundstudium verlängert sich dadurch um ein Semester.

Die Universität Ulm setzt vor allem auf eine Förderung der Studienentscheidung. Dazu dienen Brückenkurse und eine intensive Beratung vor der Wahl des Studiengangs. Auch nach der Wahl des Faches wird der weitere Verlauf des Studiums von den Dozenten durch ein Monitoring begleitet. Auch dieses Modell wird vom Land mit 500 000 Euro gefördert.

Wissenschaftsminister Peter Frankenberg hat bereits die Zeit im Blick, da die deutschen Hochschulen nach dem Ansturm der doppelten Abiturientenjahrgänge wieder mit weniger Studenten rechnen müssen. Studenten werden zu einer umworbenen Gruppe: „Dann werden die Hochschulen im eigenen Interesse Teilzeitstudiengänge anbieten müssen. Ich werde sie dazu motivieren.“ Die Kultusministerkonferenz hat in neuen Eckpunkten den Weg zum Experimentieren bereits frei gemacht.

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