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Überraschend. Den kleinen Asteroiden namens Chariklo umgibt ein Ringsystem aus Eis und Gestein (hier eine künstlerische Darstellung). Bisher wurden solche Ringe nur Planeten wie dem Saturn zugeschrieben.

© Abb.: Lucie Maquet/Nature

Neu im Sonnensystem: Astronomen entdecken einen Asteroiden mit Ringen - und einen Zwergplaneten

Am Rand unseres Sonnensystems, jenseits von Pluto, haben Forscher einen neuen Zwergplaneten gefunden. Vermutlich gibt es dort hunderte bislang unentdeckte Himmelskörper.

Von Rainer Kayser, dpa

Warum in die Ferne schweifen! Astronomen haben in unserem eigenen Sonnensystem zwei überraschende Entdeckungen gemacht: Ihre Beobachtungen zeigen, dass der Asteroid Chariklo von zwei dünnen Ringen aus Eis und Gesteinsbrocken umgeben ist. Bislang kannten Himmelsforscher solche Ringe nur von großen Planeten wie dem Saturn. Noch sensationeller ist die Entdeckung eines 450 Kilometer großen Objekts am Rand des Sonnensystems. Die Wissenschaftler vermuten dort eine bislang unbekannte Zone mit mehreren hundert planetengroßen Himmelskörpern. Außerdem deute die Bahn des neu aufgespürten Objekts darauf hin, dass sie durch einen bislang unentdeckten Riesenplaneten gestört wird, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Bislang dachten wir, dass kleine Körper wie Chariklo keine Ringe haben“, sagt Filipe Braga-Ribas vom brasilianischen Nationalobservatorium. „Wir haben daher nicht danach gesucht. Die Entdeckung war eine große Überraschung.“ Chariklo ist mit einem Durchmesser von 250 Kilometern der größte Asteroid der Zentauren, einer Gruppe von Himmelskörpern, die ihre Bahn zwischen den Planeten Saturn und Uranus ziehen.

Sieben Observatorien hielten Ausschau

Braga-Ribas leitet eine internationale Beobachtungskampagne zur Erforschung der Zentauren. Am 3. Juni 2013 bot sich eine günstige Gelegenheit zur Untersuchung von Chariklo: Das kleine Objekt zog von Südamerika aus gesehen genau vor einem Stern vorüber. Aus der Dauer einer solchen „Bedeckung“, beobachtet von möglichst vielen verschiedenen Standorten aus, können die Astronomen genaue Informationen über Größe und Form eines Asteroiden erhalten.

Sieben Observatorien, darunter die Europäische Südsternwarte (Eso) in Chile, beteiligten sich an der Beobachtung des nur wenige Sekunden dauernden Ereignisses. Doch die Astronomen sahen nicht nur die erwartete, kurzzeitige Abschattung des Sterns. Vielmehr gab es wenige Sekunden davor und danach zwei weitere, kleinere Abschwächungen des Sternenlichts. Die Messungen erlaubten den Forschern, die Ursache dieses unerwarteten Phänomens zu rekonstruieren: Zwei sieben und drei Kilometer breite, wenige hundert Meter dicke Ringe umspannen den Asteroiden. Entstanden sind die Ringe durch den Zusammenstoß Chariklos mit einem anderen Himmelskörper, vermuten die Astronomen.

Möglicherweise entsteht aus den Ringen ein Mond

Allerdings sollten sich die Trümmer einer solchen Kollision zunächst in einer flachen, rotierenden Scheibe ansammeln und nicht in dünnen Ringen. Die Wissenschaftler nehmen deshalb an, dass ein bislang unbekannter Mond des Asteroiden mit seiner Schwerkraft die Trümmerbrocken zu Ringen zusammengetrieben hat.

Solche Monde sind keine Seltenheit. Insgesamt 257 natürliche Satelliten von Asteroiden kennen die Astronomen inzwischen, einige haben sogar mehrere Begleiter. Möglicherweise bildet sich im Laufe der Zeit aus den Ringen von Chariklo ein weiterer Mond. Nach den Berechnungen von Braga-Ribas und seinen Kollegen hätte er dann einen Durchmesser von etwa zwei Kilometern.

Der Neue ist 450 Kilometer groß

Während die Entdeckung der Asteroidenringe Zufall war, haben Chadwick Trujillo vom Gemini-Observatorium auf Hawaii und Scott Sheppard von der Carnegie-Institution in Washington das neue Objekt am Rand des Sonnensystems bei einer gezielten Suche aufgespürt. Jenseits der Bahn des Planeten Neptun liegt der Kuipergürtel – eine Region, in der etwa 70 000 eisige Objekte mit Größen von mehr als 100 Kilometer umherschwirren. Das prominenteste Mitglied ist Pluto, der ursprünglich als neunter Planet des Sonnensystems galt. Der Kuipergürtel endet recht scharf bei einem Sonnenabstand von 50 Astronomischen Einheiten, also dem 50-fachen des Erdbahnradius. Erst bei einer Entfernung von 1500 Astronomischen Einheiten beginnt dann die Oortsche Wolke, ein Reservoir aus Millionen von Kometen.

In der Region dazwischen wurde 2003 ein tausend Kilometer großer Himmelskörper namens „Sedna“ entdeckt. Sollte es also in diesem unerforschten Bereich des Sonnensystems weitere Himmelskörper geben? Trujillo und Sheppard haben sich auf die Suche gemacht – erfolgreich. Das von ihnen entdeckte Objekt trägt die provisorische Bezeichnung „2012 VP113“ und ist 450 Kilometer groß.

Kreisen da draußen noch größere Planeten?

Aus der Größe der abgesuchten Himmelsregion schätzen die beiden Forscher, dass es in dieser „inneren Oortschen Wolke“ noch etwa 900 ähnliche, bislang unentdeckte Himmelskörper mit Größen von mehr als 1000 Kilometern geben könnte. „Einige dieser Objekte könnten sogar größer sein als der Mars oder die Erde“, sagt Sheppard.

Mehr noch: Aus der Ähnlichkeit der Bahnen von Sedna und 2012 VP113 schließt das Forscherduo auf die Existenz eines noch größeren Planeten in einer Entfernung von mehreren hundert Astronomischen Einheiten, der die Orbits in der inneren Oortschen Wolke stört. „Die Suche nach ähnlichen Objekten sollte deshalb fortgesetzt werden“, sagt Sheppard. „Denn wir können von ihnen viel über die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems lernen.“

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