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Optogenetik: Erleuchtetes Gehirn

Jeder fünfte Epileptiker kann bisher nicht behandelt werden. Forscher testen nun zwei neue Gentherapien an Ratten - eine davon beruhigt überaktive Nervenzellen mit Licht.

Es ist, als würde eine Gewitterfront durch das Gehirn ziehen. Statt der feinen Balance von Botenstoffen, die die Aktivität von Nervenzellen anheizen oder hemmen, feuern plötzlich ganze Nervenzellnetzwerke gleichzeitig los und verursachen so einen Krampfanfall. Jedem fünften Epileptiker, insgesamt zehn Millionen Menschen, können Ärzte bisher nicht helfen. Eine Operation würde wichtige Hirnbereiche verletzen, Medikamente schlagen bei ihnen nicht an.

Für diese Patienten sind zwei neue Gentherapien gedacht, die das Team um Robert Wykes vom University College London an Ratten getestet hat. Die eine Therapie kann akute epileptische Anfälle mit Licht „abschalten“. Die andere unterdrückt das Entstehen neuer Anfälle langfristig. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt „Science Translational Medicine“.

Zunächst mussten die Forscher bei den Ratten eine Epilepsie hervorrufen. Dazu spritzten sie den Tieren Tetanusgift in ein kleines Nervenzellnetzwerk im Bewegungszentrum des Gehirns. Eine unter die Haut gepflanzte, kabellose Elektrode zeigte, dass die Ratten nach 72 Stunden die ersten typischen Anfälle erlitten.

Für die erste Strategie machten Wykes und seine Kollegen einzelne überaktive Nervenzellen lichtempfindlich. Sie spritzten den Ratten Viren ins Gehirn, die die Bauanleitung für das Eiweiß Halorhodopsin zu den Nervenzellen schleusten. Halorhodopsin reagiert auf Licht bestimmter Wellenlängen, indem es mehr negativ geladene Chlorid-Ionen in die Zelle lässt. Bei einer Nervenzelle bedeutet das: Sie wird stiller und feuert nicht mehr so oft. Der Plan funktionierte. Als die Forscher über ein Glasfaserkabel pulsierendes Laserlicht auf die kranken Nervenzellen richteten, ebbten die Anfälle schnell ab. Auch Menschen könnte man ein solches Kabel einpflanzen, schreiben sie. Das Licht würde sich dann bei Bedarf anschalten und die Nervenzellen beruhigen.

Für die zweite, langfristige Strategie schleusten Wykes und seine Kollegen mithilfe von Viren zusätzliche Baupläne für einen Kalium-Ionen-Kanal in das kranke Hirnareal. Dieser Kanal in der Zellmembran von Nervenzellen sorgt dafür, dass positiv geladenes Kalium aus der Zelle strömt und sie sich negativ auflädt. Dadurch kann sie zum einen schlechter von anderen Nervenzellen angeregt werden. Zum anderen schüttet sie selbst weniger Botenstoffe aus. Bei so behandelten Ratten konnten die Forscher später keine Epilepsie mehr auslösen. Bereits erkrankte Tiere hatten nach einigen Tagen weniger Anfälle, nach ein paar Wochen traten gar keine mehr auf.

„Mit beiden Therapievarianten machen wir einige Nervenzellen, die sonst Anfälle auslösen, ein wenig stiller“, sagte eine der Autorinnen, Stephanie Schorge. „99,99 Prozent der anderen Hirnzellen sind nicht betroffen. Bislang haben wir keine Nebenwirkungen beobachtet.“

Bis das beim Menschen getestet werden kann, vergeht noch einige Zeit. Doch die Viren würden bei der Behandlung anderer Krankheiten bereits benutzt und auch der Kalium-Ionen-Kanal sei beim Menschen derselbe wie im Rattenhirn, betonte Matthew Walker. Damit sei die Behandlung und Vorbeugung von Epilepsie mit den beiden neuen Gentherapien grundsätzlich möglich.

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