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Ersatzteil. Hüftprothesen machen wieder mobiler. Doch allzu oft kommt die nächste Operation früher als erwartet.

© dpa/ Hans Wiedl

Orthopädie: Nach allen Regeln der Kunst

Rund 400 000 künstliche Gelenke werden in Deutschland pro Jahr in Knie und Hüften implantiert. Viele halten gerade mal zwei Jahre. Zertifikate und Register sollen nun die Qualität der Eingriffe verbessern.

Die Schmerzen im Knie oder in der Hüfte sind quälend, schon seit Längerem. Medikamente lindern vorübergehend, sind aber keine Dauerlösung. Auf das geliebte Joggen und auf Wandertouren verzichtet man ohnehin schon länger, hat sich auf Rat des Arztes auf Aquafitness verlegt und macht selbst kleine Wege lieber mit dem Rad als zu Fuß. Hätte man in dieser Situation drei Wünsche frei: Ein neues Gelenk wäre wohl darunter.

Die Medizin kann diesen Wunsch erfüllen, in einem der häufigsten chirurgischen Eingriffe: Rund 400 000 künstliche Gelenke werden inzwischen in jedem Jahr in Deutschland in Knie oder Hüfte implantiert, in 1100 Kliniken. Steht eine solche Operation bevor, haben Patienten also die Qual der Wahl. Anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie, der noch bis morgen in Berlin stattfindet, wurde ein weltweit bisher einzigartiges Zertifizierungssystem aus der Taufe gehoben, das für mehr Sicherheit sorgen soll: „EndoCert“.

Ab sofort können sich Kliniken für eine fachliche Prüfung entscheiden, mit der sie sich die Bezeichnung „EndoProthetikZentrum“ verdienen. „Mit Begriffen wie ‚Kniezentrum’ oder ‚Gelenkzentrum’, die sich schon heute an manchen Türen finden, hat das nichts zu tun", erläuterte Wolfram Mittelmeier von der Uni Rostock, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, bei der Vorstellung des Zertifizierungsprogamms.

Die Fachgesellschaft schulte 120 Experten, die das Einhalten der Qualitätskriterien in den teilnehmenden Kliniken überprüfen sollen. Etwa 100 Einrichtungen hätten sich schon für das Programm angemeldet, das seit Mitte Oktober läuft, war beim Kongress zu erfahren. Voraussetzung für das Zertifikat ist, dass dort zwei erfahrene Chirurgen arbeiten, von denen jeder in jedem Jahr die Verantwortung für mindestens 50 Gelenksersatzoperationen übernimmt – auch wenn jüngere Kollegen sie unter ihrer Aufsicht durchführen, um die Technik zu lernen. In Endoprothetikzentren der Maximalversorgung sind es sogar 100. „Natürlich garantiert die Menge allein nicht die Qualität, doch wenn man etwas sehr selten macht, ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer, dass es gut gelingt“, sagte Jürgen Malzahn vom AOK-Bundesverband, der das Projekt unterstützt. Falls sich herausstellt, dass an den zertifizierten Zentren wesentlich besser behandelt wird, dann könnte es irgendwann dazu kommen, dass nur dort operiert werden dürfe, sagte Malzahn.

Behandlung umfasst dabei nicht allein den chirurgischen Eingriff, sondern zum Beispiel auch die Röntgenaufnahmen oder die Maßnahmen, mit denen die gefürchteten Infektionen mit Krankenhauskeimen verhindert werden sollen. Zu den Anforderungen gehört auch, dass die wichtigsten Abläufe, die bei jedem Eingriff wiederkehren, als verbindliche Behandlungspfade schriftlich niedergelegt sind. Zudem müssen an den Einrichtungen die Weiterbildung der jungen Ärzte und die Forschung gefördert werden.

Über den langfristigen Erfolg eines Eingriffs entscheiden nicht allein gute Ausbildung und manuelles Geschick der Operateure. Auch die Qualität der künstlichen Gelenke selbst muss stimmen. Zu den Bemühungen, die Versorgung mit Knie- und Hüftimplantaten zu verbessern, gehört auch das Endoprothesenregister, dessen Probebetrieb in einer Reihe von Kliniken das Bundesgesundheitsministerium fördert. Ab Mitte 2013 soll hier möglichst umfassend über Eingriffe, über die verwendeten Implantate und über deren langfristiges Geschick Buch geführt werden. Im Register werden sich erstmals genaue Angaben über alle eingebauten Einzelteile finden. Vor allem neu eingeführte Produkte und Verfahren sollen so besser überwacht werden können.

Derzeit werde ein erheblicher Teil der jährlich 37 000 Wechseloperationen etwa wegen Gelenklockerung schon deutlich vor Ablauf von zehn Jahren nötig, sagte Joachim Hassenpflug vom Uniklinikum in Kiel. „Das wollen wir nicht hinnehmen.“ Den Initiatoren geht es zunächst um ein möglichst klares, ungeschminktes Bild der Versorgungsrealität.

Wenn eine erneute Operation nötig ist, bedeutet das nicht automatisch, dass vorher gepfuscht worden wäre. Faire Bewertungen der Qualität müssten sich dann immer an den Diagnosen, dem Alter und dem Gesundheitszustand der Operierten ausrichten, mahnte Henning Windhagen von der Medizinischen Hochschule Hannover. Für die Kliniken beinhaltet das Register die Chance, eine Rückmeldung über die langfristigen Ergebnisse der eigenen Arbeit zu bekommen und daraus zu lernen. Ergebnisse erwartet Hassenpflug in einigen Jahren. „Denn wir wissen aus Studien, dass ein Großteil der Wechsel von Endoprothesen innerhalb der ersten zwei Jahre nötig wird.“

Die Teilnahme am Endoprothesenregister ist freiwillig. Aber wer EndoCert absolvieren will, muss ohnehin auch beim Endoprothesenregister mitmachen.

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