zum Hauptinhalt
Rohstoff. Plastik wird zum überwiegenden Teil aus Erdöl hergestellt. Wird der Abfall nicht recycelt, könnte daraus ein flüssiger Brennstoff hergestellt werden, der Häuser heizt oder Lkw antreibt, hoffen Entwickler einer Schweizer Firma.

© IMAGO

Rückverwandlung zu Öl: Energie aus Plastikmüll

Eine Schweizer Firma will Plastikabfall wieder in Öl verwandeln und so natürliche Ressourcen schonen. Ob das im großen Stil gelingt, muss sich noch zeigen.

Ein Leben ohne Plastik ist kaum noch vorstellbar. Ob als Verpackung oder Tragetasche, in Autos oder im Haushalt – überall sind Kunststoffe zu finden. Früher oder später landen sie aber im Müll. Zwar gibt es Verfahren, um bestimmte Kunststoffe erneut zu nutzen, doch einige Plastiksorten sind dafür nicht geeignet. Viel wäre gewonnen, wenn es gelingt, diesen Plastikmüll wieder zurückzuverwandeln in Öl, um die natürlichen Ressourcen zu schonen.

Genau das tut Gerold Weser mit seinem „Plastoil“-Verfahren. In Sihlbrugg im Schweizer Voralpenland hat der gebürtige Heidelberger eine Demonstrationsanlage errichtet, die im kleinen Maßstab zeigt, wie die Rückverwandlung gelingen könnte. Allerdings, Verfahren zur Rückgewinnung von Öl aus Plastik sind nicht neu. Nur kam bisher in den meisten Fällen am Ende Schweröl heraus – ein schwer verwertbares Abfallprodukt der petrochemischen Industrie, das allenfalls von Schiffsmotoren verbrannt wird. Bei Wesers Pilotanlage, die von der Firma „Diesoil Engineering“ betrieben wird, fließt hingegen reines Heizöl aus den Leitungen.

Schreddern und aussortieren

„Einfach ausgedrückt zerlegen wir das Plastik in seine Bestandteile“, sagt der promovierte Physiker und Chemiker. Zunächst schreddert er den gesammelten Plastikmüll, reinigt ihn und filtert ungeeignete Kunststoffe heraus. „Ein erster wichtiger Schritt, denn Plastikmüll ist nicht gleich Plastikmüll“, sagt Weser. PVC etwa lasse sich mit seinem Verfahren nicht zurückverwandeln. Und hochwertige Kunststoffe, wie etwa PET-Flaschen, sollten besser direkt recycelt werden, um wieder neue PET-Produkte wie Flaschen oder Fleecestoffe herzustellen. „Wir haben es vor allem auf Kunststoffgemische abgesehen, bei denen die Trennung in sortenreines Plastik zu aufwendig wäre und die deshalb in der Verbrennung landen“, sagt der Entwickler. Dünne Plastiktüten zum Beispiel, die oft achtlos weggeworfen werden und deren Entsorgung teuer ist.

Nach dem Sortieren folgt der eigentliche „Plastoil“-Prozess. Die Schnipsel werden erhitzt, wobei die Kunststoffe in einem ersten Reaktor eingeschmolzen und anschließend in einem zweiten zu Gas verdampft werden. Bei diesem „cracking“ genannten Verfahrensschritt seien die Temperatur und die Dauer des Erhitzens entscheidend, um die Molekülketten in gewünschter Weise aufzuspalten, erläutert Weser.

Aus dem Hahn tropft reines Heizöl

Stoffe, die sich nicht zur Weiterverarbeitung eignen, unter anderem Chlor und Schwefel, werden herausgefiltert und entsorgt. Übrig bleibt ein Gasgemisch, das kondensiert, also wieder verflüssigt wird. Was am Ende der Kette aus Rohrleitungen, Filtern und Tanks aus dem Hahn tropft, ist reines Heizöl beziehungsweise Diesel, das dem EU-Standard EN-590 entspricht.

Weser zufolge lasse sich aus einem Kilogramm Plastik rund ein Liter Öl gewinnen. Die Produktionskosten belaufen sich umgerechnet auf 27 Cent pro Liter. Bei einem vorsichtig geschätzten Verkaufspreis von 70 Cent ergebe sich eine ansprechende Gewinnmarge, sagt der Erfinder.

Verunreinigungen sind ein großes Problem

Norbert Völl, Sprecher beim Dualen System Deutschland, ist dennoch skeptisch. „Es gab in der Vergangenheit eine Reihe von Anfragen zur Kooperation mit uns, doch bislang war kein einziges Konzept zur Verölung von Plastik darunter, das es je bis zur Marktreife gebracht hat“, sagt er. Grundsätzlich sei die Rückverwandlung von Plastikmüll in Öl eine gute Sache, doch der Euphorie über scheinbar innovative Ideen möchte er sich nicht anschließen, solange sie sich nicht als ausgereift erwiesen haben.

„Eines der Hauptprobleme, das bisherige Versuche immer wieder scheitern ließ, sind die Verunreinigungen der Plastikabfälle“, ergänzt Thomas Pretz, der an der RWTH Aachen das Institut für Aufbereitung und Recycling leitet. „All die Aufkleber, Folien, Klebstoffe, Aluminium oder die vielen Verbundstoffe sind mit dem Verarbeitungsprozess nicht verträglich.“ Gerade wenn man „post-consumer“-Abfälle verwende, also Verpackungen, die in Privathaushalten in den Gelben Sack gesteckt werden, sei das Problem der Verunreinigungen kaum in den Griff zu bekommen, sagt Pretz. „Von dort sind keine sortenreine Kunststoffe zu erwarten.“

2015 soll eine größere Anlage in Sachsen öffnen

Der Erfinder des Plastoil-Verfahrens glaubt, der Verunreinigungen dennoch Herr zu werden. Er setzt auf neuartige Infrarotscanner, die die Bestandteile im Abfallstrom besser erkennen und sortieren helfen. Außerdem würden die geschredderten Plastikschnipsel vor der Aufbereitung gereinigt.

Weser und die Geschäftsleitung von Diesoil sind so zuversichtlich, dass sie derzeit die erste kommerziell ausgerichtete Anlage im sächsischen Großenhain errichten lassen. 15 000 Tonnen Plastikmüll sollen dort jährlich verarbeitet werden. Eine Kooperation mit dem Dualen System Deutschland sei dabei allerdings nicht geplant, sagt Weser. „Wir knüpfen direkte Kontakte zu den Gemeinden. Manche werden uns sogar dafür bezahlen, dass wir ihnen den Plastikmüll abnehmen“, glaubt er.

Im nächsten Jahr soll die Anlage in Betrieb gehen.

Frank Odenthal

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false