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Licht und Schatten. Großer Himmelszauber am Jahresende erfreut viele Menschen, Tiere bekommen Angst.

© picture alliance / dpa

Silvesterknaller scheuchen Vögel auf: Panik am Himmel

Zu Silvester blitzt und rummst es überall. Dabei werden zahlreiche Vögel aufgescheucht, zeigt das Wetterradar. Das kann für die Tiere ernste Folgen haben.

Plötzlich bricht die Hölle los: Grelle Blitze und Donnerschläge reißen Blaumeisen, Enten und andere Vögel aus dem Schlaf. Panisch fliehen die Vögel in die Luft, einige von ihnen steigen mehrere hundert Meter hoch in Höhen, die sie sonst kaum erreichen. Während die Tiere oben am Himmel um ihr Leben fürchten, begeistern sich unten am Boden feiernde Menschen an einem Silvesterfeuerwerk, mit dem sie das neue Jahr begrüßen.

Vögel im Radar

Die wenigsten Amateurfeuerwerker denken bei ihrer Knallerei um Mitternacht wohl an etwas Böses. Ornithologen wie Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) dagegen ahnen schon lange, dass ein Silvesterfeuerwerk für Vögel Panik bedeutet. Doch wie lässt sich diese Vermutung wissenschaftlich zuverlässig beweisen, wenn sich die Tiere am Nachthimmel kaum beobachten lassen? Willem Bouten von der Universität Amsterdam und seinen Kollegen kam die zündende Idee, als der Wetterbericht wieder einmal graues Regenwetter vorhersagte. Meteorologen nutzen seit Jahren Radargeräte, um solchen Niederschlag zu beobachten. Sie senden unsichtbare Mikrowellenstrahlen mit einer Wellenlänge von rund fünf Zentimetern aus, die nicht nur von Regentropfen, Schneeflocken und Hagelkörnern in der Luft, sondern auch von dort schwebenden Feststoffen wie etwa Rußpartikeln reflektiert werden. Und von Fledermäusen und Vögeln.

Jahrelange Analysen

Da die Radarechos von der Größe und der Gestalt dieser schwebenden Teile abhängen, können die Forscher unterscheiden, ob die Signale beispielsweise von Schneeflocken oder von Sperlingen stammen. Genau das taten Bouten und sein Team seit dem Jahreswechsel 2007/2008 in jeweils vier Nächten vom 30. Dezember bis zum 3. Januar, sie analysierten Wetterradarmessungen der niederländischen Station De Bilt.

In jeweils drei dieser Nächte zeigte sich dabei ein sehr ähnliches Bild, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Behavioral Ecology“. Bei Einbruch der Dunkelheit sind noch einige Vögel unterwegs, doch ihre Echos verschwinden bald. Offensichtlich haben die Vögel dann ihre Ruheplätze aufgesucht. Erst mit der Morgendämmerung werden sie wieder aktiv, dann sind auch ihre Radarsignale wieder auszumachen.

Einige fliegen vor Schreck bis zu 1000 Meter hoch

Ganz anders dagegen zu Silvester. Bis Mitternacht unterschied sich das Verhalten der Vögel kaum von den Nächten davor oder danach, die Tiere schliefen offensichtlich. Wenige Minuten nach dem Jahreswechsel zeigten sich dann aber die Echos vieler Vögel am Himmel. Über einer Fläche von einem Quadratkilometer flogen bis zu 2000 Enten und fast 10 000 kleine Vögel wie Meisen oder Amseln. Oft schienen die Tiere aus den dicht besiedelten Gebieten zu fliehen, in denen erfahrungsgemäß das Silvesterfeuerwerk am heftigsten knallt und blitzt. Einige Vögel flogen bis zu 1000 Meter hoch, während sie tagsüber normalerweise in weniger als 100 Metern unterwegs sind. Offenbar waren sie in Panik geraten.

Erst nach etwa 45 Minuten kehrte wieder Ruhe am Himmel ein. Nicht nur das Silvesterfeuerwerk, bei dem allein in den Niederlanden rund 11 000 Tonnen Knallkörper und Raketen gezündet werden, neigte sich dem Ende entgegen. Auch die Vögel kehrten langsam an ihre Ruheplätze zurück, zeigte das Wetterradar den Forschern.

Ein Teil der knappen Energiereserven wird verbraucht

Schon vor dem Jahreswechsel signalisierte die Messung am Abend des Silvestertags weitere Vogelunruhen, die aber deutlich schwächer als die Panik um Mitternacht ausfielen. Erfahrungsgemäß werden in dieser Zeit bereits erste Knallfrösche und Kanonenschläge gezündet. Auch dadurch werden Vögel aufgeschreckt, allerdings ist die Unruhe erheblich geringer als während des mitternächtlichen Spektakels.

Gerade im Winter können solche Massenpaniken Vögel in Schwierigkeiten bringen, denn sie verbrauchen auf der Flucht vor dem Feuerwerk einen Teil ihrer ohnehin knappen Energiereserven. „Da Vögel an kalten Wintertagen kaum Futter finden, um ihre Vorräte wieder aufzufüllen, machen solche Störungen mehr Probleme als im Sommer“, sagt Schäffer.

Tiere verlieren die Orientierung

Auf die panischen Vögel lauern mitunter auch unmittelbare Gefahren. So funkeln die Silvesterraketen oft nicht etwa an einem sternklaren Himmel, sondern schimmern nur schwach durch Nebel oder dichtes Schneetreiben. Da die meisten der aufgeschreckten Vögel auf Sicht fliegen, können sie sich dann kaum orientieren, die Massenpanik verschärft ihr Problem weiter. Wissenschaftler wissen längst, dass Kraniche und Gänse im Nebel bei Kollisionen mit Fahrzeugen und Gebäuden tödlich verunglücken. „In einer nebligen Silvesternacht können solche Unfälle mehr Opfer unter den Vögeln fordern als der Energieverlust“, sagt Schäffer.

Etwas Abstand zu Seen und Flüssen halten, rät der Experte

Offensichtlich stört die Knallerei zu Silvester die Vogelwelt im Umkreis von Städten und Dörfern erheblich – dennoch ist Schäffer gegen einen völligen Verzicht auf Feuerwerk. „Aber man sollte zumindest ein paar hundert Meter Abstand zu Schutzgebieten oder größeren Wasserflächen, an denen besonders viele Vögel ruhen, einhalten“, rät der Ornithologe. Er meint nicht nur das Silvesterfeuerwerk, sondern auch verschiedene Feste in der warmen Jahreszeit, die ebenfalls oft mit einem Feuerwerk gekrönt werden. Sie scheuchen Vögel ebenfalls auf. In dieser Zeit finden die Tiere zwar reichlich Nahrung, der Energieverlust spielt daher kaum eine Rolle. Vertreibt das Feuerwerk die Vögel aber von ihren Nestern, können Eier oder Küken sterben.

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