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Schnell laufen. Motivation und Training spielen für die Leistungsstärke von Kindern eine größere Rolle als das Geschlecht.

© picture-alliance/ dpa

Sportunterricht: Mädchen und Jungen sind gleich stark

US-amerikanische Sportwissenschaftler haben die sportlichen Leistungen von Mädchen und Jungen untersucht. Sie widersprechen der These von frühen Leistungsunterschieden und plädieren für längeren gemeinsamen Unterricht.

Jedes Jahr bei den Bundesjugendspielen laufen, springen und werfen Mädchen und Jungen. Doch sie werden wie eh und je nach eigenen Tabellen bewertet, auch die Anforderungen sind teilweise unterschiedlich. So reicht es für ein achtjähriges Mädchen, seine Ausdauer beim 800-Meter-Lauf unter Beweis zu stellen, der gleichaltrige Klassenkamerad muss dagegen einen Kilometer schaffen.

Kinder in diesem Alter können dabei im Sport gleich viel leisten. Joel Stager von der Fakultät für Gesundheit und Sporterziehung der Indiana University (USA) hat das zumindest für das Schwimmen nachgewiesen. Seine neueste Studie stellte er jetzt bei der Jahrestagung des American College of Sports Medicine in San Francisco vor. Er hat die besten Ergebnisse verglichen, die es zwischen 2005 und 2010 bei Wettbewerben Sechs- bis 19-Jähriger im 50-Yard-Kraulschwimmen in den USA gab. Er wertete Messungen von 1,9 Millionen Einzelleistungen aus.

Die kurze Distanz von umgerechnet 45,72 Metern wählte der Forscher, weil Erfolge hier neben konsequentem Training besonders stark von der zur Verfügung stehenden Muskelmasse herrührten, wie er sagt. Offensichtlich gibt es bei gut trainierten Sechs- bis Achtjährigen in dieser Hinsicht noch überhaupt keine Unterschiede: In dieser Altersgruppe schnitten Mädchen und Jungen gleich gut ab.

Auch bei den Elf- bis Zwölfjährigen waren die Unterschiede minimal. Unter Sportwissenschaftlern, die sich für Geschlechtsunterschiede interessieren, gilt dies als besonderes Alter. Denn ungefähr zu dieser Zeit beginnen die Mädchen, die Jungen in Wachstum und Entwicklung zu überholen. Bei den Jugendlichen über 13 sind dann die Jungen im Schnitt größer und muskulöser – und haben damit in vielen Sportarten bessere Voraussetzungen.

„Es wird immer so wahrgenommen, als ob Mädchen in einem fairen Wettkampf nicht gegen Jungen antreten könnten“, sagte Stager beim Kongress. Seine Ergebnisse zeigten jedoch, dass die Mädchen dabei nicht unbedingt den Kürzeren ziehen müssten. „In bestimmten Altersgruppen können sie das durchaus.“

„Die Ergebnisse erstaunen mich gar nicht“, sagt die Psychologin Marion Sulprizio der Sporthochschule Köln. „Es ist bekannt, dass bis zur Pubertät die Leistungsfähigkeit beider Geschlechter sich nahezu identisch entwickelt, und zwar in körperlicher wie psychischer Hinsicht.“ Dazu passt, dass inzwischen nicht nur in der Grundschule, sondern auch für ältere Schüler und Schülerinnen vermehrt gemeinsamer Sportunterricht angeboten wird. In Vereinen trainieren Kinder bis zwölf Jahren in vielen Sportarten gemeinsam. Im Handball sind bis zur D-Jugend gemischte „Mann“-schaften möglich.

„Im Schul- und Breitensport ist das Geschlecht unter allen Faktoren, die Einfluss auf die Leistung haben, praktisch der unwichtigste“, urteilt auch ihr Kölner Kollege Axel Kupfer vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaften. Größe, Geschicklichkeit, Trainingszustand und nicht zuletzt Motivation seien bedeutsamer. „Die Sportlehrer haben es hier nicht mit zwei nach Geschlecht getrennten Gruppen zu tun, sondern mit 30 Individuen.“ Die Kinder selbst, die sich auf dem Sportplatz gern nach Geschlechtern getrennt gruppieren, nehmen das oft anders wahr. Jungs wählen bevorzugt andere Jungs in ihre Mannschaft.

Was den Leistungssport betrifft, so müsse man nach Sportarten differenzieren, sagt Kupfer. Während beim Schwimmen oder Laufen die Aufgaben für Männer und Frauen gleich bleiben, unterscheiden sie sich beim Turnen hinsichtlich der Geräte: Reck und Ringe für die Herren, Schwebebalken für die Damen. „Um hier später zu reüssieren, müssen Mädchen und Jungen also schon früh getrennt trainieren.“ Naturgegeben ist aber auch das nicht.

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