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Nach dem Machtwechsel: Unis in Baden-Württemberg bangen um Gebühr

Die Rektoren in Baden-Württemberg sind beunruhigt. Mit dem Regierungswechsel stehen die Studiengebühren in Baden-Württemberg vor dem Aus.

Im Dezember 2005 hatte das Land Gebühren von 500 Euro pro Semester beschlossen. Ab dem Sommersemester 2007 mussten die Studierenden dann zahlen. Rund 65 Millionen Euro haben die Hochschulen in Baden-Württemberg – neun Universitäten, sechs Pädagogische Hochschulen und 23 Fachhochschulen – zuletzt in jedem Semester aus Studiengebühren eingenommen. Damit soll es schon im Herbst vorbei sein.

Die Leiter der Hochschulen im Land beobachten die Entwicklung mit Skepsis. Zwar haben SPD und Grüne versprochen, die Gebühren aus dem Landeshaushalt zu ersetzen. Dazu müsste der Zuschuss für die Hochschulen aber um etwa zehn Prozent aufgestockt werden: Am Montag erklärte ein Sprecher der SPD-Fraktion, 135 Millionen Euro sollten die Hochschulen zusätzlich bekommen.

„Das ist zunächst ein Wahlversprechen“, sagt Heiner Schanz, Prorektor der Universität Freiburg. Sollte die neue Regierung es brechen, würden sich die Studienbedingungen deutlich verschlechtern. Zehn Millionen Euro allein für die Lehre hat Freiburg bei einem Landeszuschuss von 160 Millionen Euro aus Gebühren. Damit werden Tutorien und Lehraufträge, Studienberatungen, Computerräume oder längere Öffnungszeiten von Bibliotheken finanziert. Sollte das Geld ersatzlos wegfallen, müssten die Studierenden mit größeren Gruppen und schlechterem Service rechnen.

„Wir erwarten von der neuen Landesregierung, dass der Wegfall der Studiengebühren kompensiert wird“, sagt Ulrich Rüdiger, Rektor der Uni Konstanz. Derzeit erhalte die Universität jährlich gut fünf Millionen Euro Studiengebühren. Diese Mittel brauche die Uni auch in Zukunft, insbesondere um den doppelten Abiturjahrgang 2012 aufzufangen.

„Die Studiengebühren sind eine unverzichtbare Säule der Hochschulfinanzierung“, sagt auch Rainer Franke, Rektor der Fachhochschule für Technik Stuttgart. Es werde nicht ausreichen, die wegfallenden Einnahmen auf dem Stand von 2010 zu kompensieren, die neue Landesregierung müsse den Zuschuss um die zusätzlichen 20 000 Studienanfängerplätze erhöhen, die das Land bis 2012 schaffen will. Schon durch die Geschwisterregelung von 2009 seien 35 Prozent der Einnahmen weggebrochen – ohne Ausgleich durch das Land, sagt Franke. Bevor Familien ab dem dritten Kind von Gebühren befreit wurden, kamen pro Semester sogar 90 Millionen Euro über Gebühren an die Hochschulen.

Während Freiburgs Vizerektor Schanz sagt, die Studierenden seien im Prinzip einverstanden mit der Verwendung ihres Geldes, erregten in der Vergangenheit aber auch Fälle von Zweckentfremdung Aufsehen. So gab der Rektor der Uni Hohenheim im Frühjahr 2009 zu, er stopfe Löcher im regulären Etat mit Studiengebühren, nachdem das Land Kürzungen verhängt hatte.

Die Grünen in Baden-Württemberg haben sich jedenfalls keineswegs mit fliegenden Fahnen für die Abschaffung der Gebühren ausgesprochen. Das Ergebnis Anfang Dezember auf dem Landesparteitag war denkbar knapp: 88 zu 87 Stimmen. Ein Antrag für nachgelagerte Gebühren, die wie in Hamburg erst nach Ende des Studiums zurückgezahlt werden müssen, scheiterte. Die beschlossene Gebührenfreiheit bezieht sich auch nur auf das Erststudium bis einschließlich zur Promotion. Wer nach einem abgeschlossenen Erststudium noch einen anderen Abschluss anstrebt, soll zahlen müssen. Die SPD will eine vollständige Gebührenfreiheit und die Studierenden zusätzlich auch von den Verwaltungskosten befreien.

Seit dem Gebührenbeschluss vertreten die Grünen das Thema energisch. Durch die Unterfinanzierung habe Schwarz-Gelb Unis und Fachhochschulen „von Drittmitteln und Studiengebühren abhängig“ gemacht, „mit denen die Löcher in den Hochchulhaushalten gestopft werden sollten“, heißt es im Wahlprogramm der Grünen. Die Gebühren linderten die Not der Hochschulen, aber belasteten die Studierenden dafür erheblich. Für den Wegfall der Gebühren sollten die Hochschulen „aus Landesmitteln verlässlich finanziellen Ersatz erhalten“. Mehr noch: Die Grünen kritisierten im Wahlkampf den „Solidarpakt“ von 2007, durch den die Landesregierung die Zuschüsse an die Hochschulen bis 2014 einfrieren wollte.

Ministerpräsident Stefan Mappus hatte der SPD und den Grünen vorgeworfen, „mit Spendierhosen“ durch das Land zu gehen. Gebühren seien eine Investition „in noch bessere Bildung“. Die SPD hatte erwidert, drei bis vier Prozent der Studierwilligen würden von Gebühren abgeschreckt. Zugleich kündigte sie mehrere teure Projekte für die Hochschulen an: ein „AdHocProgramm 2012“, um mehr Studien- und Wohnheimplätze für den doppelten Abiturjahrgang zu schaffen, ein großes Sanierungsprogramm für die maroden Hochschulbauten und einen Anspruch auf Zulassung zu einem Masterstudiengang für alle Bachelorstudierenden.

Mit dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg wird die Zahl der Länder, die Studiengebühren erheben, weiter schrumpfen. Von einst sieben Ländern bleiben dann nur noch zwei: Bayern und Niedersachsen. Vizerektor Heiner Schanz geht nicht davon aus, dass die Abkehr von den Studiengebühren bei einem späteren Wahlsieg der Union wieder rückgängig gemacht werden würde: „Dazu haben wir zu lange darum gerungen.“

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