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Das Bild zeigt einen Mann, der in die Kamera blickt.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Verheimlichte Stasi-Vergangenheit: Humboldt-Uni entlässt Andrej Holm

Erst der Rücktritt als Berliner Staatssekretär, nun das Aus für Andrej Holm auch als Mitarbeiter der HU: Uni-Präsidentin Kunst spricht von arglistiger Täuschung - auch wenn sie den Wissenschaftler gern gehalten hätte.

Die Humboldt-Universität wird Andrej Holm entlassen, das hat HU-Präsidentin Sabine Kunst am Mittwochnachmittag auf einer Pressekonferenz mitgeteilt. Kunst sagte, sie musste so entscheiden, obwohl sie Holm gerne gehalten hätte. Die Entlassung des wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittenen Stadtsoziologen sei ein Verlust für die Universität. Zu Beginn der Pressekonferenz kam es im Senatssaal der HU zu lautstarken Protesten von Studierenden.

Zur Begründung erklärte Kunst, Holm habe bei seiner Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Jahr 2005 versucht zu verschleiern, dass er Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit war. Das sei eine arglistige Täuschung, sagte Kunst. Mit der Falschaussage sei das Vertrauensverhältnis gestört. Er habe auch noch 2011 und sogar noch im Dezember 2016 erneut falsche Angaben gemacht, heißt es in einer Erklärung von Sabine Kunst (hier der ganze Text im Wortlaut). "In seinem Lebenslauf, den er bei der Wiedereinstellung 2011 der HU vorgelegt hat, verschwieg Herr Dr. Holm die Tätigkeit als Offiziersschüler des MfS weiterhin", schreibt die HU-Präsidentin. Am Tag, als der Tagesspiegel erstmals darüber berichtet hatte, dass der frühere Stasi-Offiziersschüler Holm bei seiner Einstellung falsche Angaben gemacht hatte, am 13. Dezember 2016, habe Andrej Holm seinen Lebenslauf bei der HU korrigiert - allerdings nach Darstellung von Kunst nicht vollständig. Auch hier gab er erneut an, er habe eine Grundausbildung beim Stasi-Wachregiment "Feliks Dzierzynnski" geleistet. Dies sei nach Auskunft der Stasi-Unterlagen-Behörde aber falsch. "Die Falschangaben, das fehlende Bedauern und sein Beharren auf „Erinnerungslücken“ haben mich zu der Entscheidung gebracht, das Arbeitsverhältnis zu beenden", schrieb Kunst in ihrer Erklärung.

Das Arbeitsverhältnis soll ordnungsgemäß gekündigt werden.

Am Montag dieser Woche war Holm bereits von seinem Amt als Berliner Bau-Staatssekretär zurückgetreten und am Dienstag offiziell vom rot-rot-grünen Senat entlassen worden. Ebenfalls am Dienstag hatten etwa Studierende im Akademischen Senat der HU lautstark dafür protestiert, dass Holm seine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HU behalten darf.

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Linke will Holm Posten anbieten, Studis sind solidarisch mit Holm

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus könnte Andrej Holm zu einem Job verhelfen. "Wir sehen uns in der Verantwortung, dass seine Existenz gesichert ist", sagt Sprecher Thomas Barthel dem Tagesspiegel. Welche Möglichkeiten es da gäbe, müsse man dann mit Holm selbst besprechen. Es betreffe außerdem nicht nur die Berliner Fraktion sondern die gesamte Partei. "Die Expertise von Herrn Holm wird auch über die Landesgrenzen von Berlin weg geschätzt", sagt Barthel. Auch die Landesvorsitzende der Berliner Linken, Katina Schubert, sprach von mehreren Beschäftigungsangeboten, die aktuell diskutiert werden. "Die Absicht weiterhin zusammenzuarbeiten ist auf beiden Seiten erklärt", sagte Schubert. Man wolle Holm jedoch zunächst Ruhe zum Nachdenken gewähren.

Die Initiative "Studis für Andrej Holm" kritisierte die Entscheidung der HU. "Wieder einmal wurden Beschlüsse, die vor allem uns und unser Studium betreffen, über unsere Köpfe hinweg getroffen", heißt es in einer Pressemitteilung. Holm stehe für kritische Forschung und sei ein engagierter sowie geschätzter Dozent. Die falschen Angaben im Personalbogen wollen die Studenten nicht als Kündigungsgrund gelten lassen.

Arbeitsrechtler sehen Chancen für Holm, sich einzuklagen

Holm hat gute Chancen, sich einzuklagen, meinen Arbeitsrechtler. "Zumindest eine satte Abfindung ist in solchen Fällen dann immer drin", erklärt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, auf seiner Homepage zum Thema "Stasitätigkeit und Kündigung". Innerhalb von drei Wochen müsste Holm eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Denkbar ist, dass Holm sich auf eine Abfindung nicht einlassen wird.

In einem Urteil von 1999 hat das Bundesarbeitsgericht die Kündigung eines nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiters wegen des Stasi-Tätigkeit für unwirksam erklärt. Man habe sein junges Alter, die nur kurze Zeit seiner Stasi-Mitarbeit und seine persönliche Entwicklung zu berücksichtigen. Auch gehen Arbeitsrechtler davon aus, dass das Gericht prüfen wird, ob der Fragebogen, den Holm falsch ausgefüllt hat, so präzise gefragt hat, dass Holm bei der Antwort keine Irrtümer unterlaufen konnten.

Holm wähnte sich erst in der Vorbereitung auf seine Stasi-Tätigkeit

Holm hatte zu seiner Verteidigung erklärt, er sei davon ausgegangen, in seinem fünfmonatigen Dienst als 19-Jähriger erst auf eine Laufbahn bei der Stasi vorbereitet worden zu sein - aber noch nicht dort tätig gewesen zu sein. Er habe angenommen, er habe seinen Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment versehen.

Auch der "Taz" gegenüber hatte er sich so in einem Interview von 2007 geäußert. Laut seiner Stasi-Akte war er aber in der Wach- und Sicherungseinheit der Bezirksverwaltung der Stasi, wo er eine fünfwöchige militärische Grundausbildung absolvierte. Danach arbeitete er in der Auswertungs- und Kontrollgruppe der Berliner Bezirksverwaltung für Staatssicherheit.

In seiner Rücktrittserklärung hatte Holm erklärt, die "Polemik" gegen ihn sei nicht nur durch seine frühere Stasitätigkeit und falsche Kreuze im Personalbogen der HU motiviert gewesen, sondern auch aus der Angst vor einer Wende in der Stadt- und Wohnungspolitik. Holm hatte auch erklärt, viele Medien hätten seinen jahrelangen selbstkritischen Umgang mit seiner Biographie nicht genug gewürdigt.

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