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Zurückgetreten. Rajendra Pachauri legt mit sofortiger Wirkung sein Amt als Chef des Weltklimarates nieder.

© Reuters

Update

Vorwurf der sexuellen Belästigung: Pachauri tritt zurück: Chef des Weltklimarats legt sein Amt nieder

Rajendra Pachauri soll eine Mitarbeiterin belästigt haben. Nun gibt er seinen Posten beim IPCC auf. Forscherkollegen bezeichnen das Ende der Karriere als "traurig", selbst Kritiker.

Vor 13 Jahren übernahm der Inder Rajendra Pachauri die Leitung des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Einer der Höhepunkte war die Verleihung des Friedensnobelpreises an das Gremium im Jahr 2007, den Pachauri in Empfang nahm. Im Oktober wäre seine Amtszeit planmäßig zu Ende gegangen. Wie der IPCC am Dienstag mitteilte, tritt der 74-Jährige mit sofortiger Wirkung zurück. In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon schreibt Pachauri: „Der IPCC braucht eine starke Führung und volle Aufmerksamkeit des Vorsitzenden, die ich unter den gegenwärtigen Umständen nicht gewährleisten kann.“

Aktuell ist er mit einer Anzeige wegen sexueller Belästigung konfrontiert. Eine Mitarbeiterin des Instituts für Energie und Ressourcen (Teri), wo Pachauri Generaldirektor ist, wirft ihm vor, sich wiederholt unangemessen verhalten zu haben. Dabei soll es unter anderem um anzügliche Mails, SMS und Whatsapp-Nachrichten gehen. Pachauri weist das von sich und behauptet, seine Kommunikationsgeräte seien „gehackt“ worden. Bei einem Gerichtstermin am Montag wurde festgelegt, dass er vorerst nicht in Untersuchungshaft muss. Bis Donnerstag sei er vor einer Festnahme geschützt, teilte sein Anwalt mit.

Im Oktober soll endgültig über die Nachfolge entschieden werden

Laut IPCC wird der Rat nun von dem Sudanesen und bisherigen Vizevorsitzenden Ismail El Gizouli geleitet. Im Oktober soll die Nachfolge für den Chefposten endgültig geklärt werden. Die Personalentscheidung fiel im Vorfeld der IPCC-Tagung in Nairobi, wo derzeit ein globales Klimaabkommen vorbereitet werden soll, über das im Dezember in Paris verhandelt wird. Pachauri selbst ist nicht bei dem Treffen, sondern hält sich in Indien auf. Sein Fehlen werde die Konferenz „nicht beeinträchtigen“, hatte die IPCC-Sekretärin Renate Christ am Montag gesagt.

„Die nun getroffenen Entscheidungen stellen sicher, dass die Arbeit des Weltklimarates zur Begutachtung des Klimawandels ohne Unterbrechung fortgeführt werden können“, sagte der Leiter des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner, laut einer Mitteilung.

Kritik wegen Fehler im vierten Sachstandsbericht und Beraterhonoraren

Pachauri, studierter Ingenieur, war vor fünf Jahren schon einmal in die Kritik geraten. Im vierten IPCC-Report, der 2007 erschienen war, wurden unter anderem falsche Angaben zum erwarteten Schwund der Himalaja-Gletscher entdeckt. Der Chef des Weltklimarates soll frühzeitig davon gewusst, aber keine Korrektur angestrengt haben. Zudem wurde er wegen Beraterhonoraren von mehreren zehntausend Euro kritisiert, die er von der Deutschen Bank und Toyota bekommen haben soll. Rücktrittsforderungen wurden laut. Pachauri erklärte, dass das Geld ausschließlich der Arbeit des Teri zugutegekommen sei.

„Ich finde es traurig, dass die Amtszeit Pachauris auf diese Weise zu Ende geht“, sagt Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, der maßgeblich am jüngsten IPCC-Bericht beteiligt war. Er habe ihn als großen Diplomaten kennengelernt. „Pachauri hatte das Talent, drohende Kontroversen rechtzeitig abzubiegen. Das ist beim Erstellen eines Berichts enorm wichtig.“

"Hätte ihm ein anderes Ende der Karriere gewünscht."

Der Klimastatistiker Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht gehörte zu denen, die 2010 den Rücktritt Pachauris gefordert hatten. Sie kritisierten nicht nur den Umgang mit Fehlern und unsicheren Quellen im vierten IPCC-Bericht, sondern auch die Art und Weise, wie der Vorsitzende des Gremiums auf die Politik einzuwirken versuchte. Ihrer Ansicht nach wäre mehr Zurückhaltung angebracht gewesen, hätte sich der Weltklimarat auf die Forschungsarbeit konzentrieren und die konkreten Schlussfolgerungen anderen überlassen sollen. „Bei aller Kontroverse um den vierten Sachstandsbericht - ich hätte ihm ein anderes Ende seiner Karriere gewünscht“, sagt von Storch jetzt. „Das ist traurig.“ Ob sich Pachauri gegenüber seiner Mitarbeiterin tatsächlich falsch verhalten habe, könnten nur wenige beurteilen, solange gelte auch für ihn die Unschuldsvermutung.

Von Storch macht dennoch keinen Hehl daraus, dass es aus seiner Sicht Zeit ist für eine neue Leitung des Weltklimarats. „Der IPCC sollte sich weniger den Aufregungen des politischen Tagesgeschäfts widmen und mehr auf die Wissenschaft konzentrieren.“

Pachauri selbst kündigt in seinem Brief an, sich weiterhin für die Belange des Planeten einsetzen zu wollen. „Der Schutz der Erde, das Überleben aller Arten und das Fortbestehen der Ökosysteme sind für mich mehr als eine Mission. Es ist meine Religion, mein Dharma.“

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