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Zukunftstechnologie: Was 3-D-Drucker wirklich können

Propeller, Prothesen, Pizza: 3-D-Drucker sollen in Zukunft fast alles herstellen können und so die Industrie revolutionieren. Experten warnen vor überzogenen Erwartungen – und vor Pistolen aus Kunststoff.

Die Zukunft riecht nach Nussplätzchen, heißer Milch und einer verschmorten Plastiktasse. Diesen Geruch verbreitet eine kleine Heißklebepistole, die in einem schwarzen Kasten hektisch hin und her zuckelt und geschmolzenen Kunststoff auf eine Plattform spritzt. Schicht für Schicht entsteht ein blau schimmerndes Knickgelenk, Teil einer abstrakten Konstruktion, die Studenten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee entworfen haben.

3-D-Drucker, wie dieser im „Fab Lab“ in Prenzlauer Berg, können nicht nur Kunst. Die Geräte können fast alles: Modelle von Architekten, Zahnersatz und Prothesen, ganze Getriebe. Im Frühjahr druckte ein US-amerikanischer Waffennarr sogar eine Pistole aus und feuerte mit ihr eine Kugel ab. In Zukunft wird es wohl auch Essen aus dem Drucker geben und die Raumfahrtagenturen Europas und der USA fördern Versuche, wie sich mit dieser Technik eine Mondstation errichten ließe. Rohmaterial wäre der staubige Mondboden, der vor Ort zu stabilen Gebäudeteilen verarbeitet wird.

Manche sehen bereits eine industrielle Revolution heraufziehen. Ihre Vision: Eine Welt, in der sich jeder Mensch zu Hause oder im nahen Druckershop zusammensetzen lässt, was er benötigt. Brillen, Handys, Möbel. Eine Schöpfung von Dingen, die dem Beamen ziemlich nahe käme.

Kritiker warnen vor Missbrauch und einem neuen Angriff auf geistiges Eigentum, schließlich ließe sich mit einem 3-D-Drucker fast jedes beliebige Objekt kopieren. Einzige Voraussetzung ist, dass es als dreidimensionale Figur im Computer vorliegt, eine Software übersetzt dann die Gestalt in Druckbefehle. Im Wesentlichen werden heute zwei Drucktechniken benutzt. Zum einen die „räumliche Heißklebepistole“, die etwa durch Drucker von MakerBot oder RepRap bekannt geworden ist, und Objekte schichtweise aus Plastik aufbaut. Die zweite Technik, die vor allem in der Industrie benutzt wird, arbeitet mit einem modernen Sandkasten: Ein feines Pulver aus Kunststoff oder Gips wird auf eine Unterlage gebracht. Der Druckkopf spritzt ein Bindemittel an jene Stellen, die später zum Objekt gehören sollen. Der Tisch wird minimal abgesenkt, die nächste Lage Pulver ausgebracht und wieder das Bindemittel eingespritzt. Schicht für Schicht entsteht so verborgen im Pulverkasten das Objekt. Sichtbar wird es erst, wenn es vom umgebenden Staub befreit wurde.

Am Drücker. Der US-Amerikaner Cody Wilson druckte dieses Jahr erstmals eine funktionsfähige Waffe in einem 3-D-Drucker.
Am Drücker. Der US-Amerikaner Cody Wilson druckte dieses Jahr erstmals eine funktionsfähige Waffe in einem 3-D-Drucker.

© picture alliance / AP

Sowohl das Plastikspritzen als auch das Pulverkleben hört sich langwierig an. Und so ist es auch. Stunden oder Tage können vergehen, bis der 3-D-Druck fertig ist. Dennoch ist es gerade zu Beginn einer Entwicklung die schnellste Methode, um eine Idee greifbar zu machen. Wenn etwa ein Designer ein Computergehäuse entwirft oder einen Kugelschreiber, so werden diese Gegenstände in der Massenfertigung meist in Sekundenschnelle durch das Einspritzen von weichem Kunststoff in eine Form hergestellt. Nur: Es ist sehr langwierig, die Formen herzustellen und die Maschinen darauf einzustellen. Für Prototypen lohnt sich das nicht, dort ist vor allem Handarbeit gefragt.

Wiener Winzling. Forscher der Technischen Universität Wien haben einen 3-D-Drucker für winzige Objekte entwickelt. Der Rennwagen ist mit 285 Mikrometer kaum länger als ein menschliches Haar dick ist.
Wiener Winzling. Forscher der Technischen Universität Wien haben einen 3-D-Drucker für winzige Objekte entwickelt. Der Rennwagen ist mit 285 Mikrometer kaum länger als ein menschliches Haar dick ist.

© TU Wien

Weil sich Prototypen mit 3-D-Druckern viel schneller anfertigen lassen, wird die Technik für Ingenieure oder Architekten immer wichtiger. Ob das Verfahren auch in der Massenfertigung eine Rolle spielen und damit die beschworene industrielle Revolution lostreten wird, ist allerdings fraglich.

Klar ist, dass die Technik immer billiger wird und sich dadurch immer weiter verbreitet. Rund 2000 Euro kostet ein passabler Kunststoffdrucker heute. Einstiegsmodelle sind bereits für wenige hundert Euro zu haben und an immer mehr Orten eröffnen Läden wie das Fab Lab, die Räume und Technik für Tüftler zur Verfügung stellen oder Aufträge professionell abarbeiten. Damit wird das Drucken in der dritten Dimension für jeden erschwinglich. Auf Internetplattformen wie „Thingiverse“ stehen tausende Vorlagen zum kostenlosen Download bereit. Von der individuellen Hülle fürs Smartphone über Halsketten bis hin zu maßstabsgetreuen Planeten des Sonnensystems. Und die Nutzer sind ausdrücklich aufgerufen, selbst erstellte, neue Designs mit der Gemeinschaft zu teilen und entsprechende Dateien zur Verfügung zu stellen.

Die Vorteile sind offensichtlich. „In der Gestaltung ist man viel freier als mit herkömmlichen Fertigungstechniken“, sagt etwa der Industriedesigner Andreas Schulz von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. Je komplizierter ein Objekt ist, umso aufwendiger ist dessen Herstellung. Entweder muss am Rohling gebohrt und gefräst werden, oder die Gussform wird immer aufwendiger. Und selbst das Gießen habe klare Grenzen, sagt Schulz. „Eine Koralle oder einen Schachspieler, der in einer Kugel sitzt, solche Dinge lassen sich mit herkömmlichen Verfahren nicht in einem Schritt fertigen. Mit 3-D-Druckern schon.“ In einem Hochschulprojekt hat ein Team um Schulz ein Konzeptfahrzeug gestaltet, das von einem Akkuschrauber angetrieben wird. Der futuristische Einsitzer, gedruckt aus Kunststoff, wiegt gerade mal sechs Kilogramm, ohne Motor. Das wurde unter anderem durch eine poröse Innenstruktur der Bauteile erreicht, die nur mit einem 3-D-Drucker geschaffen werden kann.

Dieses Sparpotenzial ist besonders in der Metallindustrie interessant, wo teures Titan, Wolfram oder Vanadium verwendet wird. Die 3-D-Drucktechnik verbraucht nur das Material, was unbedingt nötig ist und macht im Idealfall Schweißen und Schrauben überflüssig. Wie bei den Kunststoffen kann auch hier von Anfang an noch materialsparender designt werden. Zudem wären noch bessere Produkte möglich. „So ließe sich zum Beispiel ein Motorblock gestalten, bei dem die Kühlung der Kontur der Zylinder folgend im Metall verläuft“, sagt Gerd Witt, Fachmann für Fertigungstechnik an der Universität Duisburg-Essen. „Das wird aber auf absehbare Zeit nicht kommen, weil es viel zu teuer wäre.“ Zumindest zu teuer für die Massenfertigung, die bis auf Centbeträge kalkuliert ist. Etwas anderes sind Spezialanwendungen. So werden Witt zufolge in naher Zukunft die ersten Schaufeln für Gasturbinen auf den Markt kommen, die mittels 3-D-Druck hergestellt wurden. Sie ermöglichen eine bessere Kühlung der Flügel, wodurch die Turbine mit heißerem Gas betrieben werden kann, was sie effizienter macht.

„Die Aufgaben für die Zukunft sind klar“, sagt der Ingenieur. „Um einen größeren Marktanteil zu gewinnen, müssen die Kosten und der Zeitaufwand für den Druck sinken.“ Der liege bisher, je nach Bauteil, bei 40 bis 80 Stunden. Und es gibt noch mehr Probleme. Mitunter bilden sich im gedruckten Metall unerwünschte Hohlräume, auch die Oberfläche ist teilweise recht rau. Bei einem Prototyp stört das kaum, bei einem Massenprodukt schon. Nicht zuletzt, weil jedes einzelne auch gesetzliche Normen erfüllen muss. Bei der Festigkeit zum Beispiel gibt es beim Metalldrucken noch einige Schwierigkeiten.

Die Geräte arbeiten nach dem Sandkastenprinzip, nur wird das Pulver nicht mit einem Binder verklebt, sondern mittels Laserstrahl punktgenau für kurze Zeit geschmolzen. „Dadurch entstehen sehr große Temperaturunterschiede, die zu Spannungen im Werkstück führen“, sagt Witt. Er ist zuversichtlich, dass die bestehenden Probleme schrittweise gelöst werden. Unterm Strich sieht er den 3-D-Druck als ergänzende Technologie an, aber nicht als Revolution. „Mich erinnert die Euphorie stark an die Zeit vor 20 Jahren“, sagt er. Damals seien Laser der letzte Schrei gewesen. „Heute haben sie ihren Platz, aber es wird auch weiterhin gebohrt und gefräst.“

Hinzu kommt, dass die Geräte bisher nur ausgewählte Materialien verarbeiten können und meist auf eines festgelegt sind. Aber es gibt erste Maschinen, die wie ein Farb-Tintenstrahldrucker, mehrere Kunststoffe zugleich aufbringen können. Metall und Plastik zusammen kann aber noch keiner verarbeiten, da sich die Verfahren zu sehr unterscheiden. Die futuristischen Ideen, wonach man sich sämtliche Gebrauchsgegenstände zu Hause ausdruckt, müssen weiterhin als Utopie gelten. Für ein Handy zum Beispiel brauchte man neben den Patronen für Kunststoffe auch zahlreiche für all die nötigen Metalle, bis hin zu Tantal und Gold. Ziemlich unwahrscheinlich.

Die Möglichkeiten, die 3-D-Druck bietet, sind zugleich eine Gefahr. „Bisher benötigt man für das Kopieren von Industrieprodukten verschiedene Geräte wie Spritzgussmaschinen oder Fräsen, die neue Technik macht es leichter“, sagt der Münchener Patentanwalt Felix Letzelter, der Unternehmen in Sachen 3-D-Druck berät. Gerät die Druckdatei erst in falsche Hände, kann rasch großer Schaden entstehen. Der Jurist mahnt deshalb zu besonderen Vorkehrungen wie elektronischen Verschlüsselungen.

Auch die Sicherheitsbehörden verfolgen die Technik aufmerksam, schließlich lassen sich damit Waffen bauen, die sich leichter in Flugzeuge oder andere sensible Bereiche schmuggeln lassen. Das Bundeskriminalamt testet das Verfahren derzeit, auch mit der Frage, ob es für die polizeiliche Arbeit genutzt werden könnte. Bisher gebe es noch keine Ergebnisse, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Ein Kopierschutz, wie er für Geldscheine etabliert wurde, sei in dieser Frage schwer zu bewerkstelligen, sagt Letzelter. Der Drucker müsste jeden Auftrag mit einer Datenbank abgleichen. Bei bereits bekannten Bauteilen könnte das gelingen, aber bei explizit für Drucker entwickelten Waffen werde es schwierig, diese als solche zu erkennen. Auf der anderen Seite müsse es Designfreiheit geben. „Einen hundertprozentig sichere Lösung wird es nicht geben.“

Für legale Vervielfältigungen ist die Technik dennoch eine kleine Revolution, denn sie spart weite Transportwege. „Wenn einem zum Beispiel der Schmuck eines neuseeländischen Künstlers gefällt, dann könnte man sich die Daten für eine Kette gegen eine Gebühr schicken und diese im nächsten Druckshop ausdrucken lassen“, sagt der Designer Schulz.

Nicht nur Schmuck, auch Essen aus dem Drucker könnte es bald geben. Die Nasa etwa lässt an Nahrungsmittelpulvern forschen, die ein Drucker zu Pizza zusammensetzt, die nur noch fertiggebacken wird. Eine etwas andere Klientel hat die Firma Biozoon aus Bremerhaven im Blick: Menschen mit Kau- und Schluckbeschwerden, etwa im Altersheim. „Bisher wird das Essen für diese Menschen in einen Topf gegeben, püriert und auf den Teller gebracht“, sagt Sandra Forstner. Sie arbeitet an einer Technik, die sortenreines Püree herstellt, etwa aus Kartoffeln, Blumenkohl und Geflügelfleisch, und diese Pasten dann ansprechend in typischen Formen auf den Teller bringt. Als Kartoffeln, Blumenkohl und Keule. Damit die gedruckten Pürees nicht in sich zusammensinken, hat Biozoon Geliermittel auf Algenbasis entwickelt. Im Januar soll der erste Prototyp des „Speisendruckers“ vorgestellt werden. Neben dem optischen Gewinn für die Betroffenen bietet er die Möglichkeit, das Essen individuell anzupassen. Mag eine ältere Dame etwa keine Möhren, wird das wichtige Betakarotin als Pulver einem anderen Püree zugemischt und die Ernährung ist ausgewogen. Dieses Prinzip des individuellen Ausdruckens wird auch für die Herstellung von Tabletten oder Sportnahrung verfolgt.

Solche kreativen Ideen seien der wahre Wert des 3-D-Drucks, sagt der Hildesheimer Forscher Schulz: „Die Revolution wird eher im Denken als im Produzieren stattfinden.“

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