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Der Fall Drygalla: Innenministerium will Demokratiebekenntnis im Sport

Über die Kontakte der deutschen Olympia-Ruderin Nadja Drygalla in die rechte Szene wird heftig diskutiert. Das Innenministerium erwägt eine Extremismusklausel für Sportverbände. Ist das sinnvoll?

Von Frank Jansen

Schon lange versuchen Rechtsextremisten, auch im Sport mitzumischen. Neonazis stellen Fußballmannschaften auf und veranstalten Turniere. Versucht wird auch, über ehrenamtliche Funktionen in Vereine einzusickern. Diesen Gefahren will das Bundesinnenministerium (BMI) vorbeugen, dazu passiert auch schon einiges. Eine Idee allerdings wird noch intensiv in der Behörde diskutiert. Sie überlegt seit Ende 2011 – und nicht, wie jetzt in Medien zu lesen war, anlässlich des Falles der Ruderin Nadja Drygalla –, die Sportförderung mit einem „Demokratiebekenntnis“ zu verbinden. Vorstellbar wäre, heißt es in Berlin, dass eine Art Klausel in Zuwendungsbescheide an Verbände eingefügt wird, in der deren Mitglieder aufgefordert werden, sich zur demokratischen Grundordnung zu bekennen.

Das wäre vergleichbar mit dem Anti-Doping-Passus in den Bescheiden, deutete ein Sprecher an. Aus Sicht des BMI wäre ein Demokratiebekenntnis in den Förderrichtlinien eine Ergänzung des im Januar 2011 gestarteten Handlungskonzepts „Foul von Rechtsaußen – Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde“. Deutschlandweit sei ein „Beratungsnetzwerk zur Prävention gegen Rechtsextremismus“ entstanden, heißt es im BMI.

Bei der Sportförderung geht es um viel Geld. Das BMI unterstützt den Spitzensport mit aktuell 132 Millionen Euro im Jahr. Davon kommen 44 Millionen Euro den olympischen Fachsportverbänden zugute. Vereine oder einzelne Sportler werden nicht direkt gefördert – das könnte sich, so paradox es klingt, auch als Hindernis für das Demokratiebekenntnis erweisen. Es wäre schwierig, zu überprüfen, ob die Verbände die Vereine und damit die Sportler anhalten, das Bekenntnis abzugeben. Die Umsetzung der Idee gilt im BMI noch als schwierig und sei „in hausinterner Abstimmung“, ist zu hören.

Das Ministerium lässt sich allerdings nicht von dem Ärger abschrecken, den sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) mit ihrer Extremismusklausel eingehandelt hat. Schröders Haus verlangt seit 2011 von Initiativen gegen Extremismus eine „Demokratieerklärung“. Verlangt wird nicht nur das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung. Die Initiativen sollen auch darauf achten, dass mögliche Arbeitspartner „sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten“. Wer die Klausel nicht unterschreibt, erhält keine finanzielle Förderung. Viele Vereine und Projekte, die sich mit Rechtsextremismus auseinandersetzen, protestierten heftig.

Das Verwaltungsgericht Dresden entschied im April auf eine Klage des Pirnaer Vereins Akubiz hin, der zweite Teil der Extremismusklausel, in dem sich die Initiativen für die Verfassungstreue ihrer Kooperationspartner verbürgen müssen, sei wegen der „Unbestimmtheit“ rechtswidrig. Der erste Satz jedoch nicht. Das BMI sieht denn auch seine Idee eines Demokratiebekenntnisses nicht gefährdet. „Ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Demokratie ist nichts Schlechtes“, sagt ein Sprecher.

Kritik kam umgehend von den Grünen. Eine „Extremismusklausel“ bei der Sportförderung wäre „unsinnig und fragwürdig“, teilten die sportpolitische Sprecherin Viola von Cramon und die Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Monika Lazar, mit. Gebraucht werde im Sport „keine zusätzliche bürokratische Gesinnungsprüfung“. Vielmehr müssten die Vereine und Verbände alltäglich ein waches Auge in Sachen Rechtsradikalismus haben und aktiv und präventiv gegensteuern – „gerade auch im Rahmen der Fürsorgepflicht gegenüber den Sportlern“.

Fraglich bleibt auch, ob die Länder mitziehen. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte am Dienstag, er würde derzeit keiner Regelung zustimmen, mit der „wir wieder in das System der Gesinnungsschnüffelei zurückfallen“. Caffier, in diesem Jahr auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz, äußerte sich am Rande einer Kabinettssitzung in Schwerin, bei der es auch um den Fall Drygalla ging.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) kritisierte den Umgang mit der Sportlerin. Der Ruderverband hätte aus seiner Sicht hinter ihr stehen müssen. „Dann kann man sie nicht aus London nach Hause schicken und diesem Mediensturm überlassen, sondern dann muss man auch sagen: Nach unserer Auffassung ist ihr nichts vorzuwerfen.“ Er habe vom Bundesinnenministerium gehört, „dass sie den Fall Drygalla für so schlimm halten, dass sie sich ihn in seiner Extremheit gar nicht vorstellen konnten“. Das sei eine völlig überzogene Wertung. Drygalla sei nur mit einem früheren NPD-Mann liiert. „Weitere Erkenntnisse, dass sie persönlich dieses Gedankengut vertritt, gibt es nicht.“ Sellering plädierte für eindeutige Regeln, wann ein Athlet nicht zu Olympia geschickt werden darf.

Auch der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy kritisierte den Umgang mit der Sportlerin. „Ich möchte nicht in einer Republik leben, in der wir anfangen, unter die Bettdecke unserer Bürger zu gucken“, sagte Edathy im Deutschlandfunk. „So viel Reife muss diese Republik schon ertragen können zu sagen, man kann einen Extremisten oder eine Extremistin lieben, ohne selber Extremist zu sein.“ Unterdessen teilte der Anwalt der Sportlerin mit, dass Drygalla ihre Ruderkarriere fortsetzen wolle. mit dapd

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