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Exklusiv

Die Krise in Mali: „Sie wollen ein neues Afghanistan in Afrika“

Der Präsident von Benin, Boni Yayi, spricht im Tagesspiegel-Interview über internationale Terroristen und die Gefahren, die von ihnen ausgehen.

Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass es genügen würde, wenn die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, zu der Mali gehört, diesen Konflikt regelt. Aber mir persönlich ist sehr schnell klar geworden, dass dieser Konflikt über die Grenzen der Regionalorganisation Ecowas hinausgeht. Wir haben zu lange gebraucht, um auf die ersten Symptome der Krise in Mali zu reagieren – und dieses Zögern ist uns teuer zu stehen gekommen. Zu der Verzögerung ist es gekommen, weil es sowohl in Mali als auch auf der Ebene der Ecowas keinen Konsens über die Gegenmaßnahmen gab. So konnte sich der Konflikt weiter verschärfen. Inzwischen sind wir an einem Punkt angelangt, an dem sich der gesamte afrikanische Kontinent des Problems in Mali annehmen muss. Und der Afrikanischen Union kommt die Aufgabe zu, die gesamte internationale Staatengemeinschaft aufzuwecken.

Im westafrikanischen Burkina Faso haben bis Ende des vergangenen Jahres Gespräche zwischen der malischen Regierung und Rebellengruppen stattgefunden, die allerdings ohne Ergebnis blieben. Haben Sie einen Vorschlag für eine politische Lösung der Mali-Krise?
Schon in einer sehr frühen Phase der Mali-Krise musste man zu der Erkenntnis kommen, dass unter den Regierungsgegnern veritable Terroristen sind. Gruppen wie die malische Tuareg-Rebellengruppe Ansar Dine und Al Qaida im Islamischen Maghreb (Aqim) wollen, dass aus Mali eine islamische Republik wird, in der die Scharia herrscht. Die Terroristen der Aqim verletzen die fundamentalen Freiheiten. Sie schneiden anderen Menschen Hände und Füße ab, sie zerstören Heiligtümer, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Man musste einfach sehr schnell erkennen, dass von diesen Terroristen die größte Gefahr ausgeht.

Eine Gefahr nur für Mali oder für die gesamte Region?

Wir haben es mit internationalem Terrorismus zu tun. Es gibt nicht nur die Aqim, sondern auch Islamisten aus Afghanistan und Pakistan – sie glauben, dass sie auf der Flucht aus ihrer Heimat im Norden Malis gewissermaßen ein geweihtes Land vorfinden. Sie wollen ein neues Afghanistan im Westen Afrikas errichten.

Frankreichs Verteidigungsminister Jean- Yves Le Drian hat die komplette Wiedereroberung des Nordens in Mali als Ziel ausgegeben. Droht damit ein langwieriger Guerillakrieg gegen die Islamisten?
Ich bin zuversichtlich, dass es nicht dazu kommen wird. Frankreichs Präsident François Hollande hat zum richtigen Zeitpunkt den Mut zur Intervention bewiesen: Während die Islamisten vorrückten, war in Mali und in der Ecowas eine große Kakophonie zu hören. Die Vereinten Nationen hatten dem Einsatz der westafrikanischen Staaten ihre Zustimmung gegeben, aber wir haben einfach zu viel Zeit gebraucht. Ich danke dem französischen Präsidenten und dem französischen Volk, in dieser Notsituation eingeschritten zu sein. Frankreichs Mission wird von allen Afrikanern wie eine Rettung empfunden.

Allerdings ist es nach Pariser Lesart nicht die Aufgabe der französischen Soldaten, die in diesen Tagen anlaufende internationale Unterstützungsaktion Afisma in Mali zu ersetzen, welche überwiegend aus afrikanischen Einheiten besteht.
Die Krise in Mali erfordert weltweit eine unmittelbare Reaktion. Es geht darum, die Region komplett von Islamisten zu befreien. Aus diesem Grund wird eine weltweite Koalition benötigt. Die Leute müssen damit aufhören zu sagen, dass dieses Problem nur die Afrikaner angehe.

Was erwarten Sie von der Geberkonferenz Anfang Februar im äthiopischen Addis Abeba unter der Führung der Afrikanischen Union, bei der über die Finanzierung des afrikanischen Mali-Einsatzes verhandelt werden soll?
Die Geberkonferenz muss auch vom Generalsekretariat der Vereinten Nationen mit vorbereitet werden. Die gesamte internationale Staatengemeinschaft muss bei dieser Konferenz vertreten sein. Ich hoffe, dass die beantragten finanziellen Mittel von der internationalen Staatengemeinschaft aufgebracht und den Truppen schnell zur Verfügung gestellt werden. Jeder Tag, den wir untätig zubringen, hat für die internationale Gemeinschaft erhebliche politische Folgekosten.

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