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Netanjahu vs. Obama: Ende keiner Freundschaft

Israels Premier Netanjahu machte aus seiner Antipathie zu US-Präsident Obama eine Art Misstrauensvotum über dessen Nahostpolitik. Das wird dessen Unlust nähren, sich weiter im Nahen Osten zu engagieren.

Man könnte diese Rede abtun als rhetorisches Meisterwerk, das schlichte Gemüter in Ekstase versetzte. Stünde das Rezept dafür in einem Kochbuch, läse es sich so: Man nehme – die Erinnerung an den Holocaust (Nie wieder!), den Überlebenskampf, die andauernde existenzielle Bedrohung, die Insel der Freiheit in einem Meer von Feinden, die einzige Demokratie im Nahen Osten, die Warnung vor fundamentalistischen Gefahren (Iran, Hamas), den demonstrativen Friedenswillen, plus ein paar persönliche Anekdoten und Verbundenheitsbekundungen – und fertig ist die Rede eines israelischen Premiers vor dem amerikanischen Kongress.

Doch was Benjamin Netanjahu am Dienstag leistete, und sich leistete, ging darüber hinaus. Er machte aus seiner Antipathie zu US-Präsident Barack Obama, ausgerechnet im Machtzentrum Amerikas, eine Art Misstrauensvotum über dessen Nahostpolitik. Er düpierte Obama und hielt ihn zum Narren – unter Beifall auch der meisten Demokraten, die aus Angst davor, als israelfeindlich zu gelten, zähneknirschend mitmachten. Er vertiefte das Misstrauen in der arabischen Welt. Und er beschleunigte die Entfremdung von Europa, wo es sich viele Länder nun neu überlegen, wie sie im Herbst in den Vereinten Nationen über einen Palästinenserstaat abstimmen. Das ist ein hoher Preis dafür, eine Stunde lang im US-Kongress bejubelt und in Israel wegen der klaren, harten Sprache und des Triumphes, den mächtigsten Mann der Welt in die Knie gezwungen zu haben, wie ein Held gefeiert zu werden.

Wie viele Scherben man doch ohne Not zerschlagen kann, bevor überhaupt zu Tisch gebeten wurde! Was war passiert? Zuerst hatte Obama eine gewohnt kluge, ungewohnt israelfreundliche Rede gehalten. Die Forderung nach einem Siedlungsstopp hatte er aufgegeben, unmissverständlich den Plan der Palästinenser zur UN-Anerkennung ihres Staates zurückgewiesen, von der Hamas erneut die Anerkennung Israels als Bedingung für die Aufnahme von Friedensgesprächen gefordert. Was er zusätzlich sagte, dass nämlich die Grenzen von 1967 (also die Waffenstillstandslinien von 1948/49) der Ausgangspunkt von Verhandlungen sein sollten – was ja keineswegs heißt, dass sie die künftige Grenze zwischen Israel und Palästina markieren müssen –, ist absolut unstrittig.

Dennoch zog es Netanjahu vor, Obama wegen dieser objektiv harmlosen Bemerkung in die Schranken weisen zu wollen. Aus gutem, schlechtem Grund, weil dummer Gewitztheit. Denn wann immer Amerika von Israel eine versöhnliche Geste in Richtung Palästinenser erwartet, reagiert Netanjahu mit einem Ablenkungstrick. Syrien, Iran, Hisbollah, Hamas, fehlende palästinensische Einheit, zu große palästinensische Einheit: Irgendetwas ist aktuell immer wichtiger. Und in diesem Fall war es ihm halt wichtiger, im Schaukampf gegen Obama zu Hause punkten zu können, als sich aufgrund von Kompromissbereitschaft Koalitionsärger einzuhandeln. Ist das nicht zu banal, als Erklärung wie als Faktum? Leider sind sie so banal, die Erklärung wie das Faktum.

Bleibt ein Obama, der nach der Niederlage im Siedlungsstreit nun zum zweiten Mal ein Duell gegen Netanjahu krachend verlor. Enttäuscht, geschwächt, verbittert. Das wird seine Unlust nähren, sich weiter im Nahen Osten zu engagieren. Eine Karikatur zeigt ihn händeschüttelnd mit Netanjahu und dem Slogan „Yes, we can“, während Netanjahu zufrieden lächelnd antwortet: „Yes, weak hand“. Wer solche Freunde hat, hat keine.

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