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Nationale Stipendien: Wer hat, dem wird gegeben

Felicitas von Fiktivitas macht ihrer Uni alle Ehre. Und Leistung soll sich lohnen! Wer kein Neidhammel ist, wird Felicitas das Stipendium von Herzen gönnen.

Die 20-jährige Jurastudentin bereichert die Seminare durch außerordentlich kluge Redebeiträge. Das hohe Niveau ihrer ersten Klausuren hat die Professoren erstaunt. Nachdem auch noch herauskam, dass Felicitas sich ehrenamtlich als Lesepatin engagiert, wurde sie für eines der neuen nationalen Stipendien vorgeschlagen und von der Uni auch sofort ausgewählt. Monatlich bekommt sie von nun an 300 Euro. Eine Hälfte zahlt die Wirtschaft, die andere der Staat.

Leistung soll sich lohnen! Wer kein Neidhammel ist, wird Felicitas das Stipendium von Herzen gönnen – selbst wenn sie das Geld nicht wirklich braucht, weil die Mutter (Ärztin) und der Vater (Professor) ihr das Studium finanzieren.

Warum laufen die Opposition und Verbände von der GEW bis zu den Katholischen Hochschulgemeinden dann Sturm gegen das Nationale Stipendiensystem? Sicher nicht aus Missgunst gegenüber fleißigen Studierenden ohne Finanzsorgen. Vielmehr geht es um Prioritäten. Der Bund will den Kreis der Stipendiaten von jetzt zwei auf zehn Prozent ausweiten. Die Kritiker meinen aber, dass erst dann mehr Studierende unabhängig vom Einkommen der Eltern mit Geld für Leistungen belohnt werden dürfen, wenn das Problem der Studienfinanzierung in Deutschland gelöst ist. Zu Recht.

Zwei Drittel der Studierenden jobben. Finanzsorgen gehören zu den wichtigsten Ursachen für den Studienabbruch und für überlange Studienzeiten. 40 Prozent der Studierenden sehen ihre Finanzierung als nicht gesichert an. Zugleich sind Kinder aus nichtakademischen Familien an Hochschulen dramatisch unterrepräsentiert – eine nationale Schande. Selbst der Anteil von Mittelschichtskindern ist ständig gefährdet, weil das Studium angesichts von Arbeitslosigkeit und steigenden Preisen zu teuer wird.

Ob diese Kinder studieren, hängt daher entscheidend vom Bafög ab. Darum brachen unter der Regierung Kohl, die es nur noch als Volldarlehen gewährte, auch die Studierendenzahlen ein. Unter Rot-Grün hat sich das Bafög zwar erholt, und auch die jetzige Bundesregierung erweitert den Anteil der Geförderten ein bisschen. Doch sie könnte fast den doppelten Personenkreis erreichen, würde sie auch die für die Stipendien veranschlagten 300 Millionen Euro ins Bafög investieren. Das wäre richtig, zumal erst unlängst eine Studie gezeigt hat, dass die Stipendien der Begabtenförderwerke zu zwei Dritteln an Akademikerkinder gehen – sei es, weil deren Begabungen zu Hause besser gefördert werden, sei es, weil ihr Habitus die Auswahlkommissionen eher überzeugt.

Die Stipendien werfen weitere Fragen auf. Die Stifter aus der Wirtschaft entscheiden, aus welchen Fächern die Stipendiaten kommen. In Nordrhein-Westfalen, wo die FDP das System schon eingeführt hat, werden darum fast nur Studierende in Jura, Technik- und Naturwissenschaften gesponsert. Für Kulturwissenschaftler erwärmt sich nur ein Prozent der Stifter. Absehbar ist, dass die Suche nach Sponsoren in wirtschaftlich schwachen Ländern am schwierigsten wird.

Die Regierung macht wieder Klientelpolitik. Diesmal in einem hochsensiblen Bereich. Selbst die Stipendiaten der Begabtenförderwerke stört das. Mehrere tausend haben mit ihrer Unterschrift gegen das Stipendienprogramm und gegen die damit einhergehende Erhöhung ihres Büchergelds protestiert. Dieser Sinn für Gerechtigkeit wäre auch der Regierung zu wünschen.

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