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Auszeichnung für Frauen in der NS-Zeit: Mutterkreuz in Gold

© Mitte Museum

Ausstellung: Die Reichsmütterschule in Berlin-Wedding: Reich ins Heim

Während der NS-Zeit wurde in der Reichsmütterschule in der Weddinger Schulstraße Hunderten Frauen aus dem ganzen Reich die Nazi-Ideologie eingeimpft - auf mehr oder minder subtile Weise. Eine neue Ausstellung im Mitte Museum widmet sich dem Thema.

Ganz braun ist er, der Himmel über dem grauen Gebäude, das so friedlich dasteht. Ein Fahnenmast ragt vom Dachfirst des dreistöckigen Gebäudes spitz hinein. „Frau, Familie, Volk und Rasse“, so steht es in bellender weißer Frakturschrift auf den Plakaten der neuen Ausstellung, die das Mitte Museum in der Pankstraße am 19. September eröffnet. Die Schau widmet sich der „Reichsmütterschule“, in der zwischen 1936 und 1945 im vormals Roten Wedding Hunderten Frauen aus Berlin und dem ganzen Reich die braune Ideologie der Machthaber eingeimpft wurde.

„Es ist eine kleine Gratwanderung für uns, denn wir stellen hier die Täterrolle vor“, sagt Hartmut Henicke, der die Ausstellung zusammen mit seinen Kolleginnen Claudia Berger und Claudia Wasow-Kania kuratiert hat. „Die Frauen- und Familienpolitik ist unter solchen Umständen immer system- und ideologiebelastet.“

Beheimatet war die Einrichtung im ältesten Schulgebäude des Weddings, in der Schulstraße 14/15. Mehr als 500 Mütterschulen gab es insgesamt im Dritten Reich, doch jener im Wedding kam eine besondere Bedeutung zu. „Sie war nicht nur für Weddinger Mütter“, sagt Henicke, „sondern hier wurden auch die Frauen der NS-Kader geschult, die Führungsebene, die dann als Multiplikatoren an den Mütterschulen im Reich dienten. Die Schule war von Anfang an auch als Leiteinrichtung geplant.“

Die Reichsmütterschule in Berlin-Wedding, Schulstraße 14/15 (um 1944)
Die Reichsmütterschule in Berlin-Wedding, Schulstraße 14/15 (um 1944)

© Mitte Museum

Brutale Gleichschaltung durch die Nazis

Das Konzept von Mütter- und Bräuteschulen war dabei keine Erfindung der Nazis, sondern geht auf frühere Pädagogen wie Comenius zurück. Schon 1917 wurde die erste Schule in Stuttgart gegründet, die Träger der etwa 40 Institutionen in der Weimarer Zeit waren Kirchen, Frauenorganisationen und Vereine. In den 30er Jahren wurden sie zerschlagen. „Die Initiativen, die aus allen Bereichen des politischen Spektrums kamen, sind zerstört worden durch die brutale Gleichschaltung“, sagt Henicke.

Für die „normalen“ Mütter aus der Umgebung war die Teilnahme an den Kursen freiwillig, sie hatten sogar einen regen Zulauf, insbesondere in Kriegszeiten. Unter anderem wurden Rezepte für den von Mangelwirtschaft und streng rationierten Lebensmitteln geprägten Alltag gezeigt. „Es ging teils um solch simple Fragen: Wie mache ich den Sauerampfer, der am Bahndamm wächst, schmackhaft“, sagt Kurator Henicke. Eigentlich aber sei es natürlich um viel mehr gegangen: „Es ging darum, im Krieg das Hinterland im Griff zu behalten.“

Teilnahmenachweis für einen Lehrgang der Reichsmütterschule Wedding, Februar 1943
Teilnahmenachweis für einen Lehrgang der Reichsmütterschule Wedding, Februar 1943

© Mitte Museum

Gemeinsames Fahnenhissen, streng geregelte Tagesordnung vom Aufstehen bis zur Nachtruhe, Weihnachtsgebäck in Form germanischer Symbole: „Das sind die feinen Formen, wie Ideologie transportiert wurde“, sagt Claudia Berger. „Wir müssen versuchen, das in solch einer Ausstellung zu brechen.“

Der Besucher soll sich daher gleich beim Eintreten in die Ausstellungsräume zwar dem typischen Atrium der Reichsmütterschule gegenübersehen, allerdings in veränderter Form. Neben Dürers „Stillender Maria“, dem Leitbild des Reichsmütterdienstes, ist ein Hakenkreuz-Banner zu sehen, das symbolisch in Blut ertrinkt. Und statt der Hitler-Büste haben die Kuratoren einen gläsernen, ausgestopften Kopf auf einem Sockel ausgestellt.

„Frau, Familie Volk und Rasse: Die Reichsmütterschule Berlin-Wedding im NS-System.“
22. September 2013 bis 31. August 2014
Mitte Museum, Pankstraße 47.
Geöffnet: Sonntag - Mittwoch 10 - 17 Uhr & Donnerstag 10 - 20 Uhr.
(Offizielle Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 19. September, 17 Uhr.)

Dieser Artikel erscheint auf dem Wedding Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegel.

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