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Spaziergänger auf dem Tempelhofer Feld.

© dpa

Berlins Bausenator Müller im Interview: „Wir bauen keine Großsiedlung auf dem Tempelhofer Feld“

Stadtentwicklungssenator Michael Müller spricht im Tagesspiegel-Interview über neue Quartiere auf dem Tempelhofer Feld, billige Wohnungen - und den Widerstand gegen seine Pläne.

Herr Müller, in zwei Wochen entscheiden die Berliner über Ihr wichtigstes Projekt, das Tempelhofer Feld. Treten Sie zurück, wenn Sie nicht bauen dürfen?

Nein. Es geht nicht um Personen, sonst müssten meine vielen Bündnispartner auch zurücktreten, wenn es nicht klappt.

Diese Abstimmung wird auch als eine über Klaus Wowereit gehandelt. Stehen Sie wirklich immer noch Seit an Seit?
Noch mal, es geht nicht um Personen, sondern um die wichtige Frage, wie wir auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Dem Regierenden ist wie dem gesamten Senat und der Koalition die Nachnutzung des Tempelhofer Feldes wichtig und ich habe als Bausenator die Chance, das inhaltlich voranzubringen.

Michael Müller, 50, ist Senator für Stadtentwicklung und Umwelt. Der SPD-Politiker war lange Chef von Fraktion und Partei in Berlin. Seine politische Karriere begann er in Tempelhof.
Michael Müller, 50, ist Senator für Stadtentwicklung und Umwelt. Der SPD-Politiker war lange Chef von Fraktion und Partei in Berlin. Seine politische Karriere begann er in Tempelhof.

© Imago

Der Zulauf der Baugegner wird oft mit mangelnder Transparenz bei der Planung erklärt. Ist das nicht Ihr Versäumnis?
Die Partizipation läuft seit sechs Jahren. Ich habe schon 2008 noch als Landes- und Fraktionschef der SPD für die Einstellung des Flugbetriebs geworben und eine Randbebauung mit 4000 Wohnungen vorgestellt. Inzwischen ist viel passiert. Wir haben zum Beispiel eine Standortkonferenz mit 500 Menschen zur Vorstellung des Masterplans durchgeführt oder eine zweitägige Planungszelle mit 80 zufällig ausgewählten Bürgern zum Bebauungsplan. Wir haben Umfragen unter Nutzern des Parks und übers Internet durchgeführt, Wünsche aufgenommen, und Pläne auch daraufhin angepasst.

Welche denn?
Wir haben die Internationale Gartenausstellung von Tempelhof nach Marzahn verlegt und die Baupläne am Columbiadamm aufgegeben.

Die Gegner treibt die Sorge um, es entstehen gewaltige, dichte Blöcke, sozusagen die Gropiusstadt reloaded.
Nein, wir bauen keine seelenlose Vorstadt und auch keine Großsiedlung. Wir schaffen gutes städtisches Wohnen in einem urbanen Quartier. Für sechs Euro Miete je Quadratmeter werden wir vielleicht keine Luxusarchitektur finanzieren können mit Fenstern bis zum Boden, Erkern und Stuck. Wir wollen bezahlbares Wohnen schaffen, das attraktiv und lebenswert ist. Ich würde das Projekt vermutlich sofort durchbekommen, wenn ich 500 Wohnungen weniger am Tempelhofer Damm oder im Quartier Oderstraße planen würde. Aber jetzt frage ich Sie: Kann es richtig sein für einen Sozialdemokraten, am Tempelhofer Feld Wohnraum für wenige in Form von Townhäusern oder Eigenheimen zu schaffen? Und 230 Hektar Grün, das ist der Interessenausgleich, den wir für Berlin brauchen.

Es wird auch bezweifelt, dass sich Minijobber und Erwerbslose die neuen Wohnungen auf dem Feld werden leisten können.
Nein, die Wohnungen zu Mieten von rund sechs Euro je Quadratmeter übersteigen nicht die Mietkostenobergrenzen nach Sozialgesetzbuch II, es entsteht am Tempelhofer Feld also auch ein Wohnungsangebot für ALG2-Empfänger. Das ist auch, was wir wollen: In der City, wo alle hindrängen, werden wir in dieser hervorragenden Lage mit Bus- und Bahnverbindungen, Schulen, Kitas und Cafés möglichst viele Wohnungen für Menschen aus allen Bevölkerungsschichten bauen – unter der Ägide des Landes und ohne Privatisierungen der Fläche.

Das Geld für die Pläne soll aus dem Verkauf der Grundstücke an landeseigene Gesellschaften kommen. Aus den Erträgen müssen Straßen und Plätze, Kitas und Schulen finanziert werden, Altlasten beseitigt und Häuser gegen Lärm gedämmt werden. Überfordern Sie die Firmen so nicht?
Die landeseigenen Gesellschaften bekommen die Grundstücke zum Verkehrswert. Sie sind finanzkräftig genug. Und die Unternehmen werden am Tempelhofer Feld mit denselben, guten Standards bauen wie auf ihren anderen Grundstücken. Wir finden innovative Lösungen, gegen Lärm, durch schlau geplante Wohnungen und insgesamt für urbane Quartiere. Zudem möchten wir, dass das Quartier Oderstraße weitgehend autofrei bleibt, indem wir Bus- und Bahnverbindungen anbieten.

Wie erklären Sie sich eigentlich den massiven Widerstand?
Das ist eine emotionale Sache, viele finden die derzeitige Situation ungewöhnlich und spektakulär für eine Großstadt und wollen das Feld deshalb so erhalten. Aber wir müssen bauen und zwar auch hier, weil wir gerade hier bezahlbaren Wohnraum dringend brauchen. Ich freue mich deshalb über das große Bündnis an unserer Seite. Und ich wundere mich über die Grünen, die eine Bebauung des Tempelhofer Feldes immer befürwortet haben und nun plötzlich aus politischem Kalkül wieder davon abrücken.

Das Gespräch führte Ralf Schönball.

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