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In Friedrichshain-Kreuzberg berät die Bezirksverordnetenversammlung über das Verbot von sexistischer Werbung auf bezirkseigenen Werbeflächen.

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Verbot von sexistischer Werbung in Friedrichshain-Kreuzberg: Zwischen Signalwirkung, Verbotsorgie und Zensur

Harald Martenstein sah in den Verbotsplänen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Parallelen zu den Taliban. Am Donnerstag ist das Verbot von sexistischer Werbung erneut Thema im BVV-Ausschuss. Die CDU spricht von Zensur. Sie ist mit ihrer Meinung nicht allein.

„Wer nageln will, muss freundlich sein“ – mit diesem provokanten Satz machte letzte Woche eine große Baumarktkette Werbung für den Valentinstag, allerdings in Österreich. Doch ist das schon sexistisch? Einige Frauen der Österreichischen Volkspartei waren jedenfalls „sprachlos“, und ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm forderte den Baumarkt auf, sich öffentlich zu entschuldigen und derartige Werbungen in Zukunft zu unterlassen.

Könnten solche Schelten bald auch in Friedrichshain-Kreuzberg an der Tagesordnung sein?

An diesem Donnerstag diskutiert jedenfalls der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Queer von Friedrichshain-Kreuzberg über den Plan des Bezirksparlaments, sexistische, frauenfeindliche und diskriminierende Werbung von bezirkseigenen Werbeflächen zu verbannen. Zu Gast sind auch Vertreter des „Amts für Werbefreiheit und gutes Leben“, einer Initiative, die aus 40 Konsumkritikern besteht, und der Initiative „Pinkstinks“, eines Vereins, der gegen Werbeinhalte ist, die Mädchen auf eine bestimmte Geschlechterrolle reduzieren. Außerdem wird Julia Busse erwartet, die Geschäftsführerin des Deutschen Werberats.

In Zukunft soll das Bezirksamt Pächter verpflichten, „Werbung zurückzuweisen, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Identität herabwürdigt“. Außerdem soll sich das Bezirksamt dafür einsetzen, dass auch der Senat künftig nur Werbeverträge abschließt, die eine Präsentation sexistischer Werbung im öffentlichen Raum ausschließen.

Ursprung der aktuellen Debatte ist der Einwohnerantrag der Initiative „Amt für Werbefreiheit und gutes Leben“, die sich für ein komplettes Verbot von Werbung im Bezirk einsetzt. Da ein generelles Verbot von den Bezirksverordneten jedoch als unrealistisch eingestuft wurde, soll stattdessen ein Verbot von sexistischer, frauenfeindlicher und diskriminierender Werbung erreicht werden. Da der Antrag von allen Fraktionen außer der CDU unterstützt wird, gilt als sicher, dass er in der nächsten BVV-Sitzung beschlossen wird.

Eigentlich geht es nur um vier Werbeträger

Gegenstand der Diskussion sind zunächst nur die vier bezirkseigenen Werbeflächen, die von der Firma Ströer betrieben werden. Sie stehen in Friedrichshain, an der Frankfurter, Stralauer und Landsberger Allee sowie an der Straße der Pariser Kommunen.

Derzeit wechseln sich laut Betreiber hier die Werbung für Ford, Audi, Vox und Mc Donalds sowie ein Hinweis auf die Potsdamer Platz Arcaden ab. Ströer-Sprecher Marc Laufen sagt, man halte sich an die gesetzlichen Regeln für öffentliche Werbung und sei an dieser Stelle nur Dienstleister. Wer sich über bestimmte Werbeinhalte beschweren wolle, müsse sich an den Deutschen Werberat wenden.

Diskriminierung von Millionen Hausfrauen

Eben diesen hatte das Bezirksparlament in der Diskussion zunächst außen vor gelassen. Ganz zu dessen Ärger. Er wendete sich in einem Brief an die Bezirksverordneten. Schließlich, so Julia Busse vom Deutschen Werberat, „liegen unsere Ziele nicht weit auseinander. Und auch die Unterbindung von diskriminierender und sexistischer Werbung ist ein ganz wesentlicher Teil unserer Arbeit.“ Zwei Punkte kritisiert Busse am künftigen Beschluss: "Die Abbildung von Hausfrauen in der Werbung als gesellschaftsschädigendes Geschlechterstereotyp zu beurteilen, diskriminiert Millionen von Frauen in Deutschland. Außerdem kommt eine Vorabgenehmigung durch eine staatliche Stelle einer Zensur sehr nahe. Diese ist in Deutschland aus guten und auch historischen Gründen verboten."

Vergleiche mit der Taliban, Zensurvorwürfe

Von Zensur spricht auch Timur Husein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender des CDU-Kreisverbandes. Für ihn fügt sich der Antrag in die „Verbotsorgie des Bezirkes“. Der vor kurzem von Harald Martenstein in seiner Kolumne angeführte Vergleich mit der Taliban trifft für ihn genau ins Schwarze.

Susanne Hellmuth, die Vorsitzende des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Queer der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, sieht in dem Vorstoß dagegen eine Chance: „Ich hoffe, dass Menschen, die sich Werbung ausdenken, durch die Debatte ins Nachdenken kommen.“ Einer ihrer Vorschläge: „Vielleicht lässt sich die Geschlechterrolle in der Werbung auch mal umdrehen – natürlich ohne zu diskriminieren.“

Werbeagenturen möchten sich nicht zu der Debatte äußern. Darunter befinden sich zum Beispiel die großen Agenturen wie „Jung von Matt“ und „Zum Goldenen Hirschen“, aber auch kleinere Agenturen aus Kreuzberg. Dabei hat die Agentur „Zum Goldenen Hirschen“ – neben großen Marken wie BMW, Nutella oder Nivea – auch schon Werbearbeit für die Partei gemacht, die unter anderem gerade die Diskussion in Friedrichshain-Kreuzberg angestoßen hat: für Bündnis 90/Die Grünen.

Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.

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