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Amtshilfe. Der Zoll soll den Bundestrojaner geliefert haben.

© Doris Spiekermann-Klaas

Späh-Software: Brandenburg lässt Zoll mit Trojaner schnüffeln

Die Ausspähung schreckt die Landespolitik auf. Offenbar hat der Zoll für das Land Brandenburg in mindestens zwei Fällen die Computer von Verdächtigen mit einem "Bundestrojaner" ausspioniert. 

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Offenbar hat der Zoll für das Land Brandenburg in mindestens zwei Fällen die Computer von Verdächtigen mit einem „Staatstrojaner“ ausspioniert. Das provozierte am Dienstag in der rot-roten Landesregierung und im Landtag angesichts heftiger Debatten um verfassungswidrige Späh-Software aus Bayern äußerste Unruhe. Denn eilig eingeleitete Nachforschungen der Generalstaatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen, weitere Fälle könnten auftauchen.

Innenministerium und Justizministerium räumten ein, dass aktuell bei Ermittlungen gegen eine Person, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werde, die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) eingesetzt werde. Es geht in dem Verfahren um grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität, das die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) auf Bitten des Zolls führt. Da das Land nicht selbst über die nötige Software verfügt, habe man eine Bundessicherheitsbehörde um Amtshilfe gebeten, erklärten beide Ressorts. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um das Zollkriminalamt (ZKA), das dem Bundesfinanzministerium untersteht. Vom Zoll gab es dafür keine Bestätigung.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, ob der vom Chaos Computer Club enttarnte Trojaner zum Einsatz kam, wisse er nicht. Linke-Justizminister Volkmar Schöneburg legte sich zum Umfang der Spähmaßnahme fest. Dem Tagesspiegel sagte er: „Ich schließe aus, dass mit der Software mehr überwacht wurde, als die vom Gericht genehmigte Überwachung der Internettelefonie.“ Es sei technisch sichergestellt, dass weder Bild- noch Videodateien ausgewertet wurden. Ein Sprecher des Zollkriminalamtes erklärte, die Behörde setze Trojaner-Software ein, mit der nur – wie gesetzlich erlaubt – Internettelefonie überwacht werden könne.

Auf Aufklärung drängen jetzt nicht nur die Opposition von CDU, FDP und Grünen: Es dürfe keine unkontrollierte Onlineüberwachung in Brandenburg geben, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes müssten eingehalten werden. Auch die mit der SPD regierende Linke, die im Bundestag auf ein Ende der Online-Durchsuchungen durch das Bundeskriminalamt pocht, verlangte vom SPD-geführten Innenministerium Auskunft, in welchem Umfang Bundesbehörden beim Einsatz der Software in Brandenburg mitgewirkt hätten. Die oberste Datenschützerin des Landes, Dagmar Hartge, will die rechtliche Zulassung prüfen, ebenso was die Software genau kann.

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass das Zollkriminalamt für Brandenburg aktiv wird. Bereits vor einem dreiviertel Jahr deckten die Staatsanwaltschaft Potsdam und der Zoll einen internationalen Händelring auf, der mit gefälschten Potenzmitteln im Internet illegale Geschäfte machte und dessen Spuren nach Brandenburg führten. Die Betrüger nahmen durch den Betrug binnen zwei Jahren mehr als 18 Millionen Euro ein.

Das Landeskabinett sicherte am Dienstag indes der Polizei weitreichende Befugnisse zu: Die 2006 eingeführte Handy-Ortung und Kennzeichenfahndung, die nach einem Praxistest nur bis Jahresende möglich waren, sind nun dauerhaft erlaubt. Grüne-Innenexpertin Ursula Nonnemacher warnte mit Blick auf fragwürdige Staatstrojaner: „Wenn etwas technisch möglich und rechtlich erlaubt ist, wird es genutzt. Irgendwann verselbstständigt sich das Ganze.“

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