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Alleen: Das Ende des grünen Tunnels

Über Alleen wird es künftig immer seltener ein geschlossenes Blätterdach geben. Denn neue Bäume sollen weit weg vom Straßenrand gepflanzt werden - wegen der vielen Verkehrstoten.

Die brandenburgischen Alleen werden in den nächsten Jahren ihr charakteristisches Gesicht verlieren: Zwischen Frühjahr und Herbst wird man auf Bundes- und Landessstraßen nicht mehr durch einen Tunnel aus geschlossenen Kronen der Alleebäume fahren können. Die hohe Zahl von tödlichen Unfällen an unmittelbar am Straßenrand stehenden Bäumen hat das Verkehrsministerium zu einer drastischen Abkehr von der bisherigen Praxis veranlasst. „Da 30 bis 35 Prozent aller Verkehrstoten mit einem Straßenbaum kollidiert waren, nehmen wir Neuanpflanzungen nur noch in einem Abstand von 4,50 Metern vom Straßenrand vor“, sagte Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) gestern in Potsdam. „Bei dieser Entfernung wachsen die Kronen der Bäume leider nicht mehr zusammen.“ An viel befahrenen Bundesstraßen soll gänzlich auf Neuanpflanzungen verzichtet werden.

Dennoch bekenne sich das Land zu den Alleen, meinte der Minister. Die Mehrzahl der Straßen werde auf beiden Seiten weiterhin von Bäumen gesäumt bleiben, nur eben in einem viel größeren Abstand voneinander. Dellmann verwies auf Untersuchungen, wonach eine größere Entfernung der Bäume vom Straßenrand die Unfallzahlen im Durchschnitt um bis zu ein Viertel verringert hätten.

In den nächsten Jahren würden verstärkt alte Alleebäume abholzt und durch zurückversetzte Neuanpflanzungen ersetzt, teilte Dellmann mit. Das liege vor allem am hohen Alter der Bäume. Rund 70 Prozent von ihnen seien zwischen 70 und 90 Jahre alt. Der Lebenszyklus von Linden, Ahornbäumen oder Robinien betrage aber nur etwa 80 Jahre. Zwischen 1930 und 1991 seien fast überhaupt keine Neuanpflanzungen vorgenommen worden. Dellmann sagte, die Alleen zeichneten sich durch eine einheitliche Baumart und Altersstruktur aus. Deshalb werde die Landesregierung verstärkt ganze Abschnitte neu pflanzen. „Es gab eine Grundsatzdiskussion darüber, ob die Allee im Mittelpunkt der Betrachtung steht oder ob um jeden einzelnen Baum gekämpft wird.“ Die Verantwortlichen hätten sich für die komplette Neupflanzung entschieden, um den Charakter der Alleen langfristig zu bewahren.

Nach Angaben von Dellmann wurden im Vorjahr entlang der als Alleen klassifizierten Bundes- und Landesstraßen mit einer Gesamtlänge von 2500 Kilometern 5048 Bäume gefällt und 7037 Bäume neu gepflanzt. Seit 2005 liegen die Zahlen der Neuanpflanzungen über denen der Baumfällungen. Brandenburg bleibe damit das alleenreichste Bundesland, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern. Jährlich zwischen sieben und zehn Millionen Euro gibt das Land jährlich dafür aus. Für die kleineren Straßen sind die Kreise und Kommunen verantwortlich. Hier gibt es keine Pläne für rückversetzte Neupflanzungen.

Die vor acht Jahren von Natur- und Umweltverbänden ins Leben gerufene Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen kritisierte Dellmanns Pläne. Das Argument der Verkehrssicherheit sei wenig überzeugend. „Nicht die Bäume verursachen schließlich die Unfälle“, sagte Axel Heinzel-Berndt vom Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Es gibt viele andere Möglichkeiten, um Unfälle zu vermeiden.“

Der BUND befürchtet aber künftig willkürliche Fällungen von Bäumen, weil mit einer geplanten Änderung des Straßengesetzes nicht mehr die Untere Naturschutzbehörde über Baumfällungen entscheiden soll, sondern nur noch die Straßenbaubehörden. Minister Dellmann verteidigte die geplante Gesetzesänderung als „Beitrag zum Abbau der Bürokratie“.

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