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Matthias Platzeck

© dpa

SED-Aufarbeitung: Gutachter: Regierung torpediert Enquetekommission

Ein vom Land eingesetzte Historiker zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wirft der Landesregierung vor, die Arbeit der Enquete-Kommission zu behindern. In einem Brief fordert er den Ministerpräsidenten dazu auf, "korrigierend einzugreifen".

Um die Enquete-Kommission zu den Folgen der SED-Diktatur und zur Stasi-Aufarbeitung in Brandenburg kehrt keine Ruhe ein: Erneut hat ein Gutachter der von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführten rot-roten Koalition vorgeworfen, die Arbeit des aus Wissenschaftlern und Politikern zusammengesetzten Gremiums zu torpedieren. Diesmal ist es der Journalist und Historiker Christian Booß. In einem eher nachdenklichen offenen Brief appelliert er an Platzeck, der heute seine Amtsgeschäfte nach dem Sommerurlaub wieder aufnimmt, angesichts fehlender Unterstützung durch Regierung und Landesinstitutionen „korrigierend einzugreifen.“

Booß soll derzeit im Auftrag der Kommission, die der Landtag voriges Jahr einstimmig eingesetzt hatte, ein Gutachten über die Transformation der DDR-Landwirtschaft nach 1990 sowie eine Expertise zur Stasi-Überprüfung von Rechtsanwälten in Brandenburg erarbeiten. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen äußert er nun den Verdacht, dass es eine Strategie von SPD und Linken sein könnte, „Enqueteexperten zu vergraulen“. Er sei „erschrocken“ über den gegenwärtigen Zustand der Kommission. „Was wir jetzt haben, ist Parteienstreit, zum Teil auf niedrigstem Niveau.“ Das habe mit dem Anliegen, durch „kritische Rückschau“ auf die „kleine DDR“ Perspektiven für einen „Modernisierungsschub“ zu eröffnen, fast nichts mehr zu tun. Konkret klagt Booß über die Behinderung seiner Recherchen. So würden Anfragen an die Regierung „nur äußerst schleppend bearbeitet“. In einem Fall warte er seit fünf Monaten auf Antwort, in einem anderen seien die Antworten „nichtssagend knapp bzw. offenkundig fehlerhaft“. Für Booß steht das in einer Reihe mit den heftigen Angriffen von SPD-Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe, aber auch von Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher auf die Enquete-Kommission und von ihr beauftragte Experten im Zusammenhang mit dem Gutachten zur Stasi-Überprüfungspraxis im Land. „Ihre Regierung und Ihre Partei können so weitermachen, die Enquete kann man so schädigen oder gar totmachen, den Ruf des Landes allerdings auch“, heißt es in dem Schreiben. Doch „ein aufklärungsfeindlicher Geist passt nicht in diese Zeit“.

Der Brief wird nach der Sommerpause ein Nachspiel in Landtag und Kommission haben. Die Opposition im Landtag fordert Aufklärung.

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