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Mit schwerer Technik. Aufräumarbeiten am Bahnhof Hosena.

© dpa

Hosena: Lokführer des Unglückszugs im Visier der Ermittler

Nach dem schweren Zugunglück in Hosena wirft Staatsanwaltschaft jetzt einem Eisenbahner fahrlässige Tötung vor. Hatte er auf Bremsproblem falsch reagiert? Der Unfall in Hosena hätte noch schlimmer ausgehen können – und erinnert an die Tragödie von Elsterwerda.

Von Sandra Dassler

Nach dem schweren Zugunglück bei Senftenberg am vorigen Donnerstag ermittelt die Staatsanwaltschaft Cottbus jetzt wegen fahrlässiger Tötung gegen einen Lokführer. Er soll beim Ankoppeln seiner Lok an einen Zug mit 39 Schotterwagen im nahe gelegenen Bahnhof Schwarzkollm vergessen haben, die Lufthähne der Hauptbremsleitung zwischen Lok und Wagen zu öffnen. Deshalb konnte er trotz des auf „Halt“ stehenden Einfahrsignals des Bahnhofs Hosena nicht bremsen und fuhr dort einem anderen Güterzug in die Flanke.

Wie berichtet, war bei dem Unglück ein 54-jähriger Eisenbahner ums Leben gekommen, weil die tonnenschweren Schotterwaggons das Stellwerkshäuschen eingerissen und den Mann unter den Trümmern begraben hatten. Der Lokführer des leeren Güterzugs kam mit einem Schock davon, sein Kollege vom Schotterzug wurde schwer verletzt von Einwohnern geborgen und von Rettungskräften ins Krankenhaus nach Dresden geflogen. Sein Arbeitgeber, die private ITL-Eisenbahngesellschaft, gibt nach wie vor keine Auskunft über seinen Gesundheitszustand. Aus Ermittlerkreisen hieß es, der Mann, er ist Jahrgang 1949, sei noch nicht bei Bewusstsein.

Dabei ist er momentan der einzige, der den Ermittlern Auskunft darüber geben kann, was im Bahnhof Schwarzkollm geschehen ist. Nach Tagesspiegel-Informationen musste er nach dem Ankoppeln allein die Bremsprobe für den Unglückszug durchführen. Der eigentlich dafür zuständige Wagenmeister hatte offenbar keine Zeit mehr, was wohl daran lag, dass die Lokomotive für den Schotterzug eine Stunde zu spät eintraf.

Nun ist es zwar grundsätzlich möglich, dass ein Lokführer die Bremsprobe durchführt, bei einem solch langen Zug aber gar nicht so einfach, sagen Eisenbahner: Um zu kontrollieren, ob die Bremsen funktionieren, musste der Lokführer mehrmals an dem 500 Meter langen Zug bis zum letzten Wagen laufen. Es sei denn, er hätte nur eine sogenannte vereinfachte Bremsprobe durchführen müssen.

Die Bilder vom Unglücksort

Nach Tagesspiegel-Informationen hatte der Lokführer dem Fahrdienstleiter sogar bereits gemeldet, dass es Probleme mit den Bremsen gab. „Er hat gesagt, er müsse diese jetzt beheben“, sagte ein Ermittler: „Etwa 40 Minuten später hat er dem Fahrdienstleiter die erfolgreiche Durchführung der Bremsprobe gemeldet und ist losgefahren.“ Anhalten konnte er dann aber nicht mehr: Zwar war es möglich, mit der Lok zu bremsen, aber das reichte nicht aus, um den tonnenschweren Zug zum Halten zu bringen. Die Wucht des Zusammenpralls war groß, obwohl der Güterzug nur zwischen 30 und 40 Stundenkilometer gefahren sein soll.

Die Menschen in Hosena hatten möglicherweise Glück im Unglück.

Dabei hatten die Menschen in Hosena möglicherweise noch Glück im Unglück. Denn der Schotterzug passierte auch zwei Bahnübergänge, deren Schranken nicht geschlossen waren, weil das Signal ja auf Halt stand und der Zug hätte halten müssen. „Schon da hätten Pkw- oder Radfahrer, ja selbst Fußgänger zu Schaden kommen können“, sagte ein Bahnmitarbeiter: „Viel schlimmer wäre es gewesen, wenn statt des Güterzugs ein Personenzug im Bahnhof Hosena gestanden hätte.“

Weder die Bahn noch die ITL-Eisenbahngesellschaft wollen sich zu den Vorgängen äußern. Man müsse die Ermittlungen abwarten, hieß es. Viele Eisenbahner erinnert der Unfall an das schwere Zugunglück mit mehreren Toten am nur wenige Kilometer von Hosena entfernten Bahnhof Elsterwerda im November 1997. Damals hatten ein Zugfertigsteller und ein Lokführer in Berlin-Grünau die Bremsprobe an einem Kesselwagenzug nicht richtig durchgeführt. So blieb unbemerkt, dass die Lufthähne zwischen Lok und Wagen nicht geöffnet worden waren.

Im Gerichtsprozess war damals auch von „unerträglichem Zeitdruck und immer weniger Personal“ die Rede gewesen. So etwas sei – gerade bei einer privaten Gesellschaft wie der ITL – nicht ausgeschlossen, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Sven Grünwoldt am Donnerstag dem Tagesspiegel: „Die ITL hat sich bisher jeglicher tariflicher Regelung verweigert, ihre Lokführer haben keine gesicherten Einsatzpläne, leben quasi aus dem Rucksack.“

Ob das aber eine Rolle im konkreten Fall gespielt habe, müsse man abwarten. Die Bahn teilte unterdessen mit, dass wegen der Bauarbeiten im Bahnhof Hosena die Strecke Ruhland–Hoyerswerda auch in den kommenden Wochen weiter gesperrt bleibt.

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