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Erstmal hinkommen: Der Weg zur Wahlkabine wird in Berlin für manche nicht ganz einfach.

© dpa/Kay Nietfeld

Bundestagswahl in Berlin: Wahl mit Hindernissen in der Hauptstadt

Blockierte Straßen durch den Marathon, Hausmeister in Schulen, die nicht arbeiten dürfen - und so viele wie nie wollen wählen. Welche Probleme der 24. September für Berlin bringt.

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Die Qual der Wahl lauert in Berlin in diesem Jahr vor allem auf dem Weg zur Stimmabgabe. Weil die Bundestagswahl am kommenden Sonntag zeitgleich mit dem Marathon stattfindet, müssen viele genau planen, wann und wie sie zu ihrem Wahllokal kommen. 43.000 Läufer wollen über die 42 Kilometer lange Strecke - und haben natürlich Vorrang.

Wie stark sind die Einschränkungen durch den Marathon?

„Jeder wird wählen können“, versichert Geert Baasen, aus dem Büro der Landeswahlleiterin. 30 der 1779 Stimmbezirke werden von der Strecke durchteilt. Etwa 22.000 Wahlberechtigte, so haben es die Senatsstatistiker ausgerechnet, müssen am Sonntag die Laufstrecke queren um zur Wahlurne zu gelangen. Jeder dieser Wahlberechtigten hat mit seinen Wahlunterlagen eine Karte erhalten, auf der genau zu sehen ist, an welchem Punkt Helfer des Marathon-Veranstalters SCC bereit stehen, um das Überqueren der Strecke zu erleichtern. Die Zahl der Ordner wurde deutlich aufgestockt. In der Vergangenheit hatte es nur eine offizielle Querungsmöglichkeit für Touristen am Potsdamer Platz gegeben, wegen der Wahl sind es nun 32.

An sieben Stellen würden sogenannte „Londoner Queren“ eingerichtet, teilte der SCC am Montag mit. Bei dieser Praxis, die vom Londoner Marathon stammt, wird die Strecke in einer Art Koffer-Bildung unter Einsatz von Helfern quasi in zwei Etappen überquert. Die Läufer werden entsprechend nur über eine Fahrbahnseite geleitet. Komplett gesperrt ist die Strecke ohnehin nicht. Wenn sich eine genügend große Lücken in den Läufermassen bildet, lassen die Ordner seit jeher auch an nicht offiziellen Querungen Menschen die Strecke passieren. An einigen Stellen gibt es auch die Möglichkeit durch U-Bahnhöfe auf die andere Straßenseite zu kommen. Im ungünstigsten Fall allerdings könnte es zwei Stunden dauern, bis man die Strecke überqueren kann.

An diesen Kreuzungen kommen die Wähler durch.
An diesen Kreuzungen kommen die Wähler durch.

© BMW Berlin Marathon/ TSP

Gibt es Auswirkungen auf die Berichterstattung der Journalisten?

In Mitte warten wie berichtet immer noch Produktionsfirmen und TV-Sender auf Stellplätze für Übertragungen rund um die Bundestagswahl. Die Standorte am Brandenburger Tor, in der Paul-Löbe-Allee und auf der Reichstagswiese sind wegen des Marathons gesperrt. Das Straßen- und Grünflächenamt Mitte hatte Anträge pauschal an die Bundestagsverwaltung weitergeleitet. Zu deren Ärger, da sie nicht für Ausnahmegenehmigungen von Stellplätzen auf Straßen zuständig ist. Jetzt versprach das Bezirksamt Mitte, die Sender darüber zu informieren, dass Übertragungswagen auf dem Washingtonplatz ausweichen können und es dafür Genehmigungen gibt.

Werden alle Wahllokale geöffnet?

Hoffentlich. Derzeit könnte noch ein anderes Schreckensszenario die Wahl beeinträchtigen, welches wohl bundesweit einmalig wäre: Ausgerechnet im Regierungsbezirk Mitte könnten die Wähler am 24. September vor verschlossenen Schulen stehen. 46 Schulen mit mehr als 90 Wahllokalen gibt es in dem Bezirk. Das aktuelle Problem: Aufgrund der vielen Überstunden hat der Personalrat die Zustimmung dafür verweigert, dass Schulhausmeister am Wahlsonntag arbeiten und die Türen aufsperren dürfen.

Dahinter verbirgt sich eine „Altlast“ an Überstunden, deren Anzahl besonders im Bezirk Mitte erheblich ist. Bei mehr als 900 Überminuten, also 15 Stunden, müsse ausgeglichen werden, sagt der Personalrat. „Es gibt Hausmeister, die über 20.000 Überminuten auf ihrem Konto haben“, heißt es. 333 Überstunden also, für die es bisher noch keinen Ausgleich gegeben haben soll. „Der Schwarze Peter liegt beim Personalrat“, sagt Stefan Dube, Personalverantwortlicher für Mitarbeiter des Schul- und Sportamtes.

Er kann nicht verstehen, warum der Personalrat seine Zustimmung nicht dazu gegeben hat, dass die Überstunden der Hausmeister am Sonntag finanziell ausgeglichen werden. „Sie sollen in Freizeit umgewandelt werden. Und das ist doch widersinnig, wenn es ohnehin schon viele Überstunden gibt.“

Wie kann das Arbeitsverbot für die Hausmeister gelöst werden?

Der Beschluss des Personalrats steht. Dass Mitte dennoch wählen kann, verspricht Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne). „Wir gewährleisten, dass gewählt werden kann und sind auf jedes Krisenszenario eingestellt“, sagte er dem Tagesspiegel am Montag. Notfalls werde man beim Bundeswehr-Standort anfragen, ob Feldjäger Amtshilfe leisten und die Schulen aufsperren könnten. Am heutigen Dienstag will das Bezirksamt zunächst beschließen, dass die Hausmeister am Wahlsonntag arbeiten müssen. Gegen die Anweisung des obersten Dienstherrn könnte der Personalrat dann vor das Verwaltungsgericht ziehen. Fortsetzung folgt.

Bislang sind keine weiteren bekannt. Eine erstaunlich gute Nachricht kommt von der Polizei: Am Wahlsonntag ist derzeit nur eine einzige Demonstration angemeldet – mit voraussichtlich sechs Teilnehmern in Wedding. An den vergangenen beiden Sonntagen hatte es wegen zahlreicher zeitgleicher Großdemonstrationen in Berlin massive Verkehrsbehinderungen gegeben.

Funktioniert die Briefwahl?

Die Briefwahl an sich funktioniert. Durch die höhere Anzahl an Briefwählern könnte es in diesem Jahr allerdings am Wahltag selbst zu Verzögerungen bei der Auszählung kommen. Die Zahl der Briefwähler steigt aktuell berlinweit an, dies aber berlinweit: 25,1 Prozent der Wahlberechtigten haben bereits Briefwahlunterlagen angefordert. Bis Montag waren 630.480 Wahlscheine ausgestellt, das sind 125.000 mehr als zum Vergleichstag vor vier Jahren. Die Briefwahlbezirke wurden schon Ende letzten Jahres eingeteilt, sagt Geert Baasen. Man habe zwar bereits damit gerechnet, dass mehr per Brief wählen als 2013 und die Briefwahlhelfer-Teams gestärkt, doch war damals noch nicht die Rede vom Volksentscheid. Baasen geht davon aus, dass sich durch die „Tegel-Abstimmung“ die generelle Wahlbeteiligung und somit auch die Beteiligung der Briefwähler erhöhen könnte. Die Auszählung könnte dadurch länger dauern als gewohnt.

Dieses Jahr sind 660 Teams, letztes Mal waren es 568. Die bestehen im Schnitt aus sieben Leuten. Bis 18 Uhr müssen alle roten Wahlbriefe geöffnet und auf Gültigkeit geprüft sein. Die blauen Umschläge mit den eigentlichen Stimmzetteln bleiben natürlich zunächst verschlossen und werden von den Helfern in eine Wahlurne geworfen. Ab 18 Uhr erst dürfen sie da wieder herausgeholt und ausgezählt werden. „Ich hoffe, dass das zu schaffen ist“, sagt Baasen. Sollten die Wahlhelfer es bis 18 Uhr nicht geschafft haben, alle Briefe zu öffnen – wofür sie dann etwa vier Stunden Zeit hatten – „dauert es eben länger“, sagt Baasen. „Wichtig ist die Richtigkeit des Ergebnisses, nicht die Schnelligkeit.“

In der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin versucht man, die nun gegebene Situation einfach hinzunehmen und so gut wie möglich mit ihr klarzukommen, aber ganz einfach wird es nicht. „Wir hatten noch nie die Situation, dass ein Volksentscheid am selben Tag wie eine Wahl und dann auch noch ein Marathon stattfindet“, sagt Baasen.

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