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Heinz Buschkowsky (SPD), 62, ist seit 2001 Bürgermeister von Neukölln. Im April wurde er für seinen „Mut zu Veränderungen, aber auch Mut zu Widerspruch“ mit dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreis der bundesdeutschen SPD ausgezeichnet.

© Mike Wolff

Buschkowsky im Interview: "Das ist ein kulturell muslimisches Problem"

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky spricht im Tagesspiegel-Interview über Deutschenfeindlichkeit an Schulen und ihre Ursachen - sowie über Christian Wulffs Rede über Deutschland und den Islam.

Die CDU möchte das Thema Deutschenfeindlichkeit am Donnerstag ins Parlament bringen. Will sich Parteichef Henkel damit profilieren, um der neuen Anti-Islam-Partei seines Ex-Parteifreundes Stadtkewitz das Wasser abzugraben?

Ohne Frage sehen wir da eine Form des Wettbewerbs. Allerdings muss man sich klar machen, dass das Thema überhaupt nicht neu ist.

Woran denken Sie?

An die Diskussion nach dem Mord an Hatun Sürücü im Jahr 2005 zum Beispiel. Damals sagten Schüler der Thomas-Morus-Hauptschule zur Rechtfertigung der Tat, dass Sürücü gelebt habe ,wie eine Deutsche‘. Es gab auch einen Kreuzberger Schulleiter, der deutschen Eltern abriet, ihre Kinder an seine Schule zu bringen. Er sagte sinngemäß, dass er weniger Probleme habe, seit die letzten deutschen Schüler weg wären, weil er sich nicht mehr darum kümmern müsse, die Deutschen zu integrieren.

Hat sich seither etwas verändert?

Ja. Es brodelt unter den Lehrern inzwischen wohl derart, dass selbst die GEW es nicht mehr unter der Decke halten kann.

Bei der GEW-Tagung zu dem Thema überwog die Einschätzung, dass es nicht gegen Deutsche geht, sondern gegen alle, die anders sind.

Das ist sicherlich richtig. Man muss ja nur ins Ausland sehen: In den Niederlanden und in Frankreich geht es gegen die dortige Urbevölkerung. Dort sind nicht Araber und Türken, sondern zum Beispiel Marokkaner und Algerier am Mobbing gegen die einheimische Bevölkerung beteiligt. Es liegt eben nicht an der ethnischen Herkunft, sondern an Bildungsferne und am islamischen Fundamentalismus.

Wie meinen Sie das?

Es gibt muslimische Eltern, die ihre Kinder auffordern, sich von Deutschen fernzuhalten, weil die ganze Gesellschaft sündig sei. Außerdem gibt es immer mehr Koranschulen an Moscheen und in Hinterzimmern, in denen Kinder gedrillt werden. Wir wissen noch nicht einmal, wie viele dieser Unterrichtsstätten es gibt. Es werden junge Leute nach dem Freitagsgebet angesprochen nach dem Motto: ,Lass uns über den Islam reden‘. Man kann wohl sagen: Es gibt eine Tendenz zur subversiven Ebene. Und dadurch wird die Deutschenfeindlichkeit geschürt.

Wie sollte man darauf reagieren?

Erstmal sollte man die vorhandene Deutschenfeindlichkeit und Gesellschaftsablehnung als Faktum zur Kenntnis nehmen. Nicht wieder alles gleich schönreden unter der Überschrift: Da wollen sich nur ein paar pubertierende Loser ohne Perspektive Luft machen. Ich vermute schon, dass sich 20 bis 30 Prozent der muslimischen Migranten in Distanz zu Demokratie und Toleranz befinden. Die fundamentalistisches religiöses Gedankengut pflegen und westliche Lebensart als „Haram“, also Sünde, abtun. Das ist durchaus ein kulturell muslimisches Problem.

Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Ich habe kein Patentrezept. Eines ist klar: Es geht um mehr als um Revierverhalten von pubertierenden Jugendlichen. Außenseiter werden gehänselt. Das war auch in meiner Jugend so. Allerdings hatte das bei uns nichts damit zu tun, dass die ganze Gesellschaftsform oder Bevölkerungsgruppen abgelehnt wurden. Die Gesellschaft muss so ein Verhalten ächten und nicht weiter so tun, als sei alles halb so schlimm. Ich plädiere dafür, drei oder vier Leute in die betreffenden Schulen zu schicken, Sozialarbeiter mit und ohne Migrationshintergrund. Konfliktgeschulte Leute, die mit den Schülern arbeiten. Das kann nicht der Klassenlehrer.

Gibt es auch außerhalb von Schulen das Phänomen der so genannten oder tatsächlichen Deutschenfeindlichkeit?

Das endet natürlich nicht vorm Schultor. Es setzt sich in der Welt der Jugendlichen fort – auf dem Fußballplatz, in der Diskothek. So, wie es in dem Film „Knallhart“ beschrieben war. Es endet auch nicht in Nord-Neukölln. Wenn arabische oder türkische Jungs nach Marzahn kommen, kann das auch ein Spießrutenlauf werden. Es gibt da eine wechselseitige Ablehnung, die durch bildungsferne und soziale Desintegration gefördert wird.

Dann haben diejenigen Vertreter der GEW doch Recht, die betonen, dass eher die Perspektivlosigkeit bestimmter Milieus das Problem ist.

Der Unterschied zwischen der Ausländerfeindlichkeit hier und der Deutschfeindlichkeit da besteht darin, dass die Ausländerfeindlichkeit nicht einhergeht mit einem religiösen Überbau. Dieses mystische Erhabensein, dieses Auserwähltsein auf muslimischer Seite, das die Deutschfeindlichkeit befeuert, macht den Unterschied. Andere als minderwertig zu betrachten, um die eigenen Komplexe zu überlagern, ist meist der Hintergrund von Rassismus. Das gilt für alle Seiten, auch für die mit dem Kurzhaarschnitt und den Springerstiefeln.

Würden sie Ihren Parteifreunden von der SPD dazu raten, für den Antrag der CDU zu stimmen und im Abgeordnetenhaus über das Thema „Deutschenfeindlichkeit“ zu reden?

Es wäre falsch, das Thema nicht zuzulassen. Es suggerierte, man hätte Angst davor. Wegducken macht nie einen Sinn. Das zeigt schon der Fall Sarrazin.

Bundespräsident Wulff hat den Islam in der deutschen Geschichte in eine Reihe mit dem Christentum und dem Judentum gestellt. Ein Signal an die Muslime?

Ich halte es für falsch, den Islam in diesen Kontext der historischen Werteschöpfung zu stellen. Aber ich will darüber nicht beckmessern, wenn diese Äußerung zur Entspannung zwischen Nichtmuslimen und Muslime führt. Genauso wichtig an Wulffs Rede ist aber das, was jetzt immer ausgeblendet wird.

Was meinen Sie?

Dass er in der nächstfolgenden Passage von den Grundwerten unserer Gesellschaft spricht, von der Menschenwürde, der Meinungsfreiheit, der Gleichberechtigung. Und dass er denen mit Gegenwehr droht, die diese Werte nicht achten. Er hätte aber noch sagen müssen, was er von muslimischen Eltern erwartet: Sie müssen ihre Kinder im Sinne unserer Werteordnung erziehen. Wenn sie das nicht tun, muss der Staat an ihre Stelle treten – in Gestalt von Kinderkrippen, Kindergärten und Ganztagsschulen.

Die Fragen stellte Susanne Vieth-Entus

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