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Künstlerin mit Karma. Von Berlin aus hält Giovanna Stefanel-Stoffel über Skype und Mails im Internet beinahe täglich Kontakt mit ihrer Wahl-Familie in Nepal.

© Mike Wolff

Das kommt in Mode: Giovanna Stefanel-Stoffels ist Designer-Star - sie hilft Kindern in Indien

Sie hat sich ihr Leben lange dem Beruf verschrieben. Als sie ihren Mann kennen lernte, fand sie das späte Familienglück in Nepal. Sie fördert die Kinder und hilft den Eltern in der Heimat.

Ein Seminar über emotionale Intelligenz markierte die Wende in Giovanna Stefanel-Stoffels Leben. Bis dahin hatte die Italienerin sich vor allem der Arbeit gewidmet, als Chefdesignerin im gleichnamigen Textilunternehmen. Im Laufe des Seminars aber lernte sie Ludwig Stoffel kennen und so lieben, dass sie ihren Lebensmittelpunkt von Venedig nach Berlin verlagerte. Vor sechs Jahren heiratete sie den elf Jahre älteren Mann. Für eigene Kinder war es zu spät. Dass sie heute doch eine große Familie hat und 30 Kinder „Mama“ zu ihr sagen und ihr entgegenfliegen, wenn sie auftaucht, verdankt sie einem kaputten Flugzeug. Sie würde vermutlich lieber einen Engel dafür verantwortlich machen, denn sie ist fest davon überzeugt, dass Engel sich um die Menschen kümmern.

Das Flugzeug ging kaputt - sie mussten bleiben

Kurz vor der Begegnung mit seiner späteren Ehefrau blieb der Immobilienprojektentwickler Ludwig Stoffel in Nepal stecken. Das Flugzeug war kaputt, es ging einfach nicht weiter. Darüber entstand eine persönliche Verbindung mit einem Reisebüroangestellten, der ihn zu sich nach Hause einlud. Auf dem Weg sah er Kinder auf einem Müllhaufen schlafen und fragte, wie er ihnen helfen könne. Zunächst mietete er ein Haus und brachte die Kinder dort unter, eine spontane Hilfsaktion, die er zusammen mit seinem Bruder ins Leben rief. Später fand er zusammen mit Frau Giovanna und der Hilfe von Organisationen mehr Kinder, die Hilfe brauchten. Die Familie kaufte ein eigenes Haus in Nepal und engagierte vier Frauen und zwei Männer, die sich dort um die Kinder kümmern.

Sie aus ihrer Umgebung einfach herauszureißen, wäre ihnen falsch vorgekommen. Aber sie besuchen sie oft, im Frühjahr, wenn die Schule zu Ende ist zum Beispiel, oder im Oktober, wenn es ein besonderes Fest gibt, dass mit unserem Weihnachtsfest vergleichbar ist. Schon gibt es Pläne, ein Domizil zusammen mit den Kindern auf einem Grundstück zu bauen, auf dem bislang ein Guru wohnt. „Ein magischer Ort, von dem viel Glück ausgeht“, sagt Giovanna Stefanel-Stoffel. Es macht sie glücklich, mit den Kindern zusammen zu sein. Überall in ihrem überraschend kleinen Arbeitszimmer mit Blick aufs Hotel Adlon gibt es Fotos von den Kindern, die sie voller Stolz vorzeigt.

Ich liebe dich, schreiben die Kinder

„Sie lieben bunte Farben, schauen Sie nur“, sagt die Designerin. Wenn es nach Katmandu geht, zieht sie sich selber extra auch etwas bunter an als im Arbeitsalltag in Berlin. Sie genießt es, wenn acht oder neun Kinder an ihr hängen, wenn sie mit ihnen spielt und spricht und zum Essen gemeinsam um eine Tafel herum sitzt. „Mein Mann ist manchmal streng, er möchte, dass sie etwas erreichen.“ Auch in Berlin sind die Kinder immer präsent. Täglich gibt es Kontakt über Skype oder per Email. Eine liegt gerade ausgedruckt auf dem Schreibtisch. Die Betreffzeile lautet „love u“, am Ende stehen tausend Küsse. Giovanna Stefanel-Stoffel schaut rasch in ihr Notebook, ob die Kinder online sind. Manchmal verbringen einige Kinder einen Monat in Europa, in Venedig, ihrer alten Heimat, in Bayern, dort, wo ihr Mann herkommt und in Berlin, wo sie heute gemeinsam zu Hause sind. Giovanna Stefanel-Stoffel schleppt Fotobücher herbei, die an die Reisen erinnern, an die von Madhu und Karmala zum Beispiel, die sie gerade adoptiert haben. Fröhliche Bilder zeigen gemeinsame Mahlzeiten und Ausflüge, die Übergabe der Adoptionsurkunden. Vielleicht will sie später noch mehr Kinder adoptieren und ihnen Perspektiven für ein besseres Leben in ihrer Heimat schaffen.

Einige wollen Design studieren

Sie freut sich über die Mädchen, die sich für Design interessieren, will sie an der neuen Fashion & Design Schule in Katmandu und später vielleicht auch mal in England studieren lassen. Das, was ihre eigene Jugend geprägt hat, das Leben in einem Familienunternehmen, kann sie in den Kindern wiedererkennen. Sie sollen auch wissen, dass die Nenn-Eltern aus Deutschland und Italien es nicht immer leicht gehabt und hart gearbeitet haben, dass es keine perfekten Menschen gibt, dass jeder mit Problemen und Ängsten kämpfen muss. Die Kinder lernen Italienisch und Deutsch, so dass die Verständigung einfach ist.

Neue Familie. Giovanna Stefanel-Stoffel und ihr Mann Ludwig Stoffel genießen das Zusammensein mit den Kindern in Nepal – und eröffnen ihnen neue Perspektiven.
Neue Familie. Giovanna Stefanel-Stoffel und ihr Mann Ludwig Stoffel genießen das Zusammensein mit den Kindern in Nepal – und eröffnen ihnen neue Perspektiven.

© privat

Das Projekt in Nepal, das ihr so viel gibt, was sie in ihrem früheren Arbeitsleben vermissen musste, heißt schlicht „The Stoffel Family“. Ludwig Stoffel ist für Erziehung, Zukunft und finanzielle Absicherung zuständig, während Giovanna Stefanel-Stoffel sich um Essen, Kleidung und Gesundheit kümmert. „Jede Entscheidung treffen wir am Abend zusammen.“ Einmal haben sie einen Betreuer eingestellt, dem nicht anzusehen war, dass er die Kinder schlagen und ihnen Essen verwehren würde. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie selbstbewusst genug sind, in Berlin anzurufen. Giovanna Stefanel-Stoffels Augen funkeln zornig, wenn sie davon erzählt. Sie und ihr Mann sind sofort unangekündigt hingeflogen und haben dem Mann Hausverbot erteilt. Natürlich kann man sich auf diese Weise nur engagieren, wenn man die Mittel dazu hat. Immer wieder betont Giovanna Stefanel-Stoffel, wie dankbar sie ist dafür, dieses zweite Leben gefunden zu haben, gesund zu sein, Zeit mit den Kindern verbringen zu können: „Das ist meine Familie“.

Es gibt Konferenzen per Skype

Zwischen fünf und 19 Jahre sind die Kinder inzwischen alt, die älteren kümmern sich mit um die jüngeren. Und jedes Kind, erzählt die Italienerin, habe einen Engel mit einem besonderen Namen bekommen. Sie liebt aber auch die farbenfrohen buddhistischen und hinduistischen Zeremonien. An vielem kann sie dank ihres Laptops fast live teilhaben.

Auch in ihrem zweiten Leben arbeitet sie hart, ist immer noch im Aufsichtsrat bei Stefanel. Gleichzeitig ist sie Vorstand bei „Stofanel“, dem Immobilienprojektentwicklungsunternehmen, das sie mit ihrem Mann gegründet hat. Dort ist sie ebenfalls für Design zuständig, zum Beispiel bei dem Wohnprojekt „Giulia und Romeo“ im Westend oder beim Bauprojekt Truman Plaza in Zehlendorf. Sie liebe Häuser, sagt sie, weil sie Geborgenheit vermitteln. „Wir wollen positive Spuren hinterlassen“, fügt sie hinzu. Sie fühlt sich wohl in Berlin, auch wenn die Menschen, die für sie Familie sind, so weit weg in Nepal leben. Die Form der Hilfe, die sie und ihr Mann gefunden haben, ist persönlicher als die Unterstützung großer Organisationen. Und vielleicht bekommt sie von den Kindern, denen sie heute hilft, später auch mal Unterstützung. „Wir haben schon so viele Wunder erlebt“, schwärmt sie.

Manche Kinder seien am Anfang ganz geduckt gewesen und grau im Gesicht und dann plötzlich sind sie aufgeblüht, selbstbewusster geworden und haben sie herzlich umarmt. „Das Mädchen Pasan zum Beispiel war zu Anfang ein schwieriges Kind, sehr vereinsamt. Heute ist sie offen und sehr kommunikativ, wünscht sich sogar später Designerin zu werden.“ Wie sie das erzählt, klingt es nach einem ganz persönlichen Triumph.

Für emotionale Intelligenz braucht sie keine Seminare mehr. Die praktiziert sie ganz bewusst und lernt auch weiter im Umgang mit den Kindern. Ihre Lieblingslektüre beim Frühstück ist ein Buch mit positiven Gedanken und einem Titel, der für sie Programm ist: „Heute ist mein bester Tag“.

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