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Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, wartet in der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin auf den Beginn der Sitzung, während Vertreter der Flüchtlingevom Kreuzberger Flüchtlingscamp reden.

© dpa

Diskussion um Camp am Oranienplatz: Flüchtlinge demonstrieren im Kreuzberger Rathaus

Nach dem Streit um das Flüchtlingscamp am Oranienplatz befassen sich jetzt die Kreuzberger Politiker mit der Situation. Rund 100 Demonstranten heizten die Stimmung bei der Bezirksverordnetenversammlung auf. Vor der Tür wartete die Polizei.

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Kreuzberg kommt nicht zur Ruhe. Am Mittwoch zogen mehr als 300 Menschen vom Oranienplatz zum Rathaus in der Yorckstraße. Dort tagte ab 17.30 Uhr die Bezirksverordnetenversammlung. Auf der Tagesordnung der BVV stehen mehrere Anträge zur Flüchtlingspolitik im Bezirk. Aber an eine geordnete Sitzung ist erst einmal nicht zu denken: Mehr als 100 Demonstranten stehen im Saal. Mit Sprechchören wie „Nazipack“ heizen einige von ihnen die Stimmung auf – was ihnen teilweise gelingt: Die CDU-Fraktion will die Sitzung boykottieren.

Der BVV-Vorstand zieht sich zur Beratung zurück. Bald hat sich die Stimmung beruhigt; die Flüchtlinge räumen die Plätze der Bezirksamtsmitglieder. Einige bleiben im BVV-Saal, die meisten wechseln nach oben auf die Zuhörertribüne. Die Polizei ist vor dem Rathaus und im Foyer massiv präsent, aber greift nicht ein. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) äußert Unverständnis über die Störungen – und stellt klar, dass sie kein Hausrecht habe. Informationen, wonach einzelne Unterstützer des Flüchtlingscamps unter Polizeischutz stehen, weil sie von anderen, radikaleren Kräften aus der Unterstützerszene bedroht würden, will die Polizei nicht kommentieren. „Die Polizei äußert sich grundsätzlich nicht zu Schutzmaßnahmen“, sagt Sprecher Stefan Redlich.

Große Politik im Kleinen

Die Empörung der Demonstranten hatte sich auch an einem Antrag der CDU-Fraktion entzündet, der die Räumung einer von Flüchtlingen besetzten Schule in der Ohlauer Straße fordert. Zwischen Potsdamer Platz und Tempelhof bekommen die meisten von dem Geschehen nur den Stau im Feierabendverkehr mit. In Kreuzberg aber geht es um große Politik im Kleinen. Wie berichtet, waren am Sonntag 80 Flüchtlinge in ein von der Caritas bereitgestelltes Heim gezogen, für weitere 45 wurden andere Unterkünfte gefunden.

Trotzdem und gegen vorherige Absprachen halten sich am Oranienplatz immer noch sogenannte Unterstützer und auch Flüchtlinge auf. „Das sind aber nicht mehr die Flüchtlinge, die Monate lang auf dem Oranienplatz campieren“, sagt Taina Gärtner: „Die sind glücklich, dass sie es jetzt warm haben und fühlen sich im ehemaligen Seniorenheim in der Residenzstraße in Wedding erstmal sicher.“

Taina Gärtner sitzt für die Grünen in der BVV und kümmert sich seit Monaten um die Flüchtlinge am Oranienplatz. Sie hat selbst in den Zelten geschlafen und an Sanitärcontainern Schlange gestanden. Sie ist froh, dass dieser Zustand für die teilweise traumatisierten Asylbewerber, von denen die meisten über Lampedusa nach Italien kamen, endlich beendet wurde. Und sie ist unglücklich über jene, die das Camp wegen seiner Symbolkraft im Kampf gegen das bestehende Asylrecht um jeden Preis erhalten wollen. „Die machen alles kaputt“, sagt sie: „Vor allem zerstören sie die Solidarität, die so viele Menschen für die Flüchtlinge empfinden.“

Kritik an den Kritikern

Für diese Haltung wird nicht nur Taina Gärtner von einigen sogenannten Unterstützern angefeindet, sondern auch die Bürgermeisterin. Dabei waren es die Flüchtlinge vom Oranienplatz selbst, die entschieden hatten, das Angebot für ein warmes Winterquartier anzunehmen. Zwar sei das vorerst nur für drei Monate, sagt Caritas-Sprecher Thomas Gleißner: „Aber es laufen Bemühungen um eine Anschlusslösung.“

Die meisten Flüchtlinge im ehemaligen Seniorenheim würden viel schlafen, es herrsche eine friedliche Atmosphäre. Manche seien enttäuscht, weil Angehörige oder Freunde nicht mehr hier untergebracht werden konnten. „Offenbar sind doch einige hier, die zuvor gar nicht am Oranienplatz waren“, sagt Gleißner. Die Caritas werde sie aber nicht des Hauses verweisen: „Das ist nicht unsere Aufgabe. Aber wir haben schon aus Brandschutzgründen nur 80 Plätze.“

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat die Flüchtlinge in der Residenzstraße bereits am Montag besucht. „Wir als Kirche helfen, existenzielle Not zu lindern. Deshalb hat die Caritas Flüchtlingen Unterkunft geboten“, sagte sein Sprecher Stefan Förner. Zur politischen Situation am Oranienplatz wolle sich Woelki aber nicht äußern. „Wir bedauern sehr, dass die Situation am Oranienplatz eskaliert ist“, sagte Förner: „Eine Lösung für diese konkrete Situation zu finden, ist Aufgabe der Politik.“

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