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Der Petriplatz in Mitte. An der Gertraudenstraße nahe der Gertraudenbrücke lag einst das Zentrum der mittelalterlichen Stadt Cölln bei Berlin. In den vergangenen Jahrhunderten standen hier schon fünf Kirchen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Religionen in Berlin: Ein Gotteshaus für alle

Am Petriplatz soll ein neuer Sakralbau die 1964 gesprengte Kirche ersetzen. Christen, Juden und Muslime wollen hier in Mitte gemeinsam beten.

Wie ein gespitzter Bleistift ragte der Turm der Petrikirche über Berlins historische Mitte. 108 Meter war das Bauwerk hoch, so hoch wie vor dem Krieg kein anderes Gebäude in Berlin. Archäologische Grabungen haben ergeben, dass am Petriplatz an der Kreuzung von Breiter Straße und Gertraudenstraße seit dem 13. Jahrhundert nacheinander vermutlich fünf Kirchen standen.

Die fünfte, die mit dem Bleistift, wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, die Reste wurden 1964 gesprengt. Die evangelische Kirchengemeinde St.Petri-St.Marien, auf deren Gebiet der Petriplatz liegt, möchte, dass hier bald ein sechstes Gotteshaus entsteht. Die Pläne sind weit gediehen und wurden am Dienstag in der Evangelischen Akademie vorgestellt.

„Berlin war und ist eine Stadt der Zuwanderer, die ihre Religionen mitgebracht haben“, sagte Pfarrer Gregor Hohberg von der Petri-Marien-Gemeinde. „Diese religiöse Vielfalt wollen wir abbilden, und zwar dort, wo Berlin entstanden ist, am Petriplatz, am Ursprungsort der Stadt.“ Deshalb will die Gemeinde nicht einfach eine neue Kirche auf den Petriplatz setzen, sondern einen Sakralbau, den Christen, Juden und Muslime gemeinsam konzipieren, bauen und nutzen.

Als Partner hat Hohberg die Jüdische Gemeinde Berlin und das muslimische „Forum für interkulturellen Dialog“ (FID Berlin) gewonnen. Das FID hat nur wenige Mitglieder, aber um so renommierter sind die Personen, die im Beirat sitzen, darunter die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Migrationsforscher Klaus Bade und Rabbiner Walter Homolka, Rektor des Abraham-Geiger- Kollegs in Potsdam. Ehrenvorsitzender des FID ist der türkische Prediger Fethullah Gülen, der eine konservative und bildungsorientierte Ausrichtung des Islam fördert und weltweit zahlreiche Schulen gegründet hat. Die größeren muslimischen Verbänden wollten ein multireligiöses Zentrum, so wie es jetzt konzipiert ist, nicht mittragen, sagte Hohberg.

Die drei Partner haben sich eine „Hausordnung“ gegeben, in den nächsten Wochen wollen sie einen Verein gründen. Gemeinsam ein Haus zu bauen, ist möglich, gemeinsam zu beten, noch nicht. Deshalb soll in dem neuen Gotteshaus jede der drei Religionsgemeinschaften ihren eigenen Raum für die religiöse Praxis bekommen. Die drei Räume sollen sich aber zu einem gemeinsamen großen Raum öffnen lassen – falls die interreligiöse Verständigung so weit irgendwann fortgeschritten ist, dass das gemeinsame Beten doch möglich ist.

Mit diesen Vorgaben wollen die Projektpartner und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Juni einen europaweiten Architekturwettbewerb ausloben. Es steht aber noch nicht fest, ob das Gotteshaus überhaupt gebaut werden soll. Die Stadtentwicklungsverwaltung will auf dem Petriplatz eigentlich ein archäologisches Zentrum und ein Büro- und Geschäftshaus errichten. An diesen Plänen habe sich nichts geändert, sagte der Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung am Dienstag, aber man sei mit allen Beteiligten des multireligiösen Projekts im Gespräch. Kulturstaatssekretär André Schmitz ließ den multireligiösen Planern ausrichten, der Senat und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit unterstützten ihr Projekt.

Höher als andere. 108 Meter ragte der Kirchturm der Petrikirche vor dem Krieg empor.
Höher als andere. 108 Meter ragte der Kirchturm der Petrikirche vor dem Krieg empor.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die evangelische Landeskirche hingegen hält sich noch bedeckt. Eine andere Initiative will auf dem Tempelhofer Feld ein multireligiöses Zentrum errichten. „Wir verfolgen beide Projekte mit großem Interesse“, sagte der Sprecher der Landeskirche. Aber vermutlich werde man sich nur eines von beiden zu eigen machen können. Offen ist auch noch, wie das neue Gotteshaus finanziert werden soll. Pfarrer Hohberg schätzt, dass dazu eine „Millionensumme“ nötig sein wird. Wie es aussieht, wollen die drei Projektpartner den Neubau alleine stemmen. „Wir rechnen mit keinen Geldern von Land, Staat oder EU“, sagte Hohberg.

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