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Jüdische Institutionen wie die Synagoge am Fraenkelufer werden schon länger bewacht.

© Thilo Rückeis

Ermittlungen wegen Neonazi-Gruppe: Volker Beck kritisiert die Berliner Polizei

Eine Berliner Nazi-Gruppe hat eine Karte mit jüdischen Einrichtungen auf Facebook gepostet. Die Polizei reagiere zu passiv, sagen nicht nur Betroffene.

Es war eine kalkulierte Provokation gewesen. Am 9. November, genau 78 Jahre nach der Reichspogromnacht, hatte eine Berliner Neonazi-Gruppe auf ihrer Facebook-Seite eine Karte gepostet, auf der die Adressen von fast 70 jüdischen Einrichtungen in Berlin aufgelistet waren. In Frakturschrift stand auf der Karte „Juden unter uns!“, daneben waren Synagogen, jüdische Kitas, Schulen, Denkmäler, Geschäfte und Restaurants eingezeichnet. Nach bundesweiten Medienberichten ermittelte der Staatsschutz. Von der Berliner Polizei wurden die betroffenen Einrichtungen aber offenbar nur unregelmäßig kontaktiert. Daran gibt es jetzt Kritik.

„Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass die Berliner Polizei über zwei Wochen benötigt, um die Personen zu kontaktieren“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck dem Tagesspiegel. Sein Büro hatte zusammen mit der Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) den Post entdeckt und die Betroffenen informiert. „Ich will keine Ängste schüren, aber man darf solche Vorfälle auch nicht auf die leichte Schulter nehmen“, sagt Beck.

Besonders ärgere ihn das Verhalten der Polizei, weil der Staatsschutz ja eine Empfehlung zur Kontaktaufnahme ausgesprochen habe und ihm deren stellvertretender Leiter, Dietmar Ring, versichert habe, dass seine Behörde ernsthaft bemüht sei.

Die Betroffenen sind enttäuscht

Auf Anfrage bestätigt die Berliner Polizei die Empfehlung des Staatschutzes. Sie sei „trotz einer nicht erhöhten Gefährdungslage“ am 10. November erfolgt. Weiter heißt es, die Dienststellen sollen nach „Maßgabe freier Kapazitäten zum Erhalt beziehungsweise zur Herstellung zur subjektiven Sicherheit einen persönlichen Kontakt“ herstellen. Wie viele der betroffenen Institutionen tatsächlich von der Polizei besucht wurden oder unter Objektschutz genommen wurden – einige Einrichtungen waren das schon vor dem Facebook-Post – wollte die Polizei nicht sagen.

Auf Wunsch einer Betroffenen habe der Staatsschutz aber „unverzüglich ein Sicherheitsgespräch durchgeführt.“ Alle weiteren Betroffenen, die „Beratungsbedarf signalisieren“, würden ebenfalls beraten.

Das sei zu wenig, findet Volker Beck. „Es kann doch nicht sein, dass die Aufgabe der Recherche, Erkennung von Naziaktivitäten und die Aufklärung ihrer Zielgruppen vollkommen der zivilgesellschaftlichen Arbeit der MBR überlassen wird.“

Auch ein Inhaber eines jüdischen Restaurants, der ebenfalls aufgelistet gewesen war, wünscht sich mehr Polizeipräsenz. „Durch die Aktion selbst fühle ich mich nicht unsicherer, aber die Gefährdungslage generell hat sich verschärft“, sagt er und berichtet von gezielten Beschädigungen seines Lokals und anonymen Drohungen. Diesen Eindruck bestätigt auch ein jüdischer Cafébesitzer. Er sei enttäuscht, dass sich die Polizei nie bei ihm gemeldet habe, auch wenn es in seinem Café noch keine antisemitischen Vorfälle gegeben habe. „Wir hoffen einfach nur, dass nichts passiert und versuchen nicht daran zu denken.“

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