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Literaturstunde. „Mine Corinth auf einem Diwan liegend ein Buch lesend“ heißt dieses Gemälde von Charlotte Berend-Corinth, das ihre Tochter zeigt. Auch ihr Vater Lovis Corinth, ebenfalls Maler, verewigte sie in seinen Arbeiten.

© Jüdisches Museum Berlin/Jens Ziehe

Farbe in der Männerwelt: Liebermann-Villa zeigt Gemälde Berliner Malerinnen

Leicht hatten sie es nicht, die Berliner Malerinnen Ende 19. Jahrhunderts. Dennoch behaupteten sie sich gegen ihre Kollegen. Eine aktuelle Ausstellung zeigt ihre Gemälde.

Die Zeitschrift „Der Junggeselle“, die von 1919 bis 1929 wöchentlich in Berlin erschien und sich eindeutig an eine männliche Leserschaft wandte, reimte einfach drauflos: „Ach, die Seele Deines Weibes / Will ich, Freund, Dir gerne lassen. / Kann ich nur in wilden Stunden / ihren jungen Leib verprassen.“

Solche frivolen Verse, sozusagen aus Uropas „Playboy“, erwartet man nicht unbedingt in einer Ausstellung, die eher nüchtern „Frauen der Secession II“ heißt und in der Liebermann- Villa am Wannsee zu sehen ist. Und doch gehören die Zeilen, wenn auch nur als augenzwinkernd dargebotener Nebenaspekt der Bilderschau, genau dorthin. Schließlich hatte die im Mittelpunkt stehende Malerin Julie Wolfthorn offensichtlich nichts dagegen, ihre Aktdarstellungen mit Titeln wie „Nymphe“ oder „Pediküre“ der Zeitschrift als erotische Illustrationen anzudienen. Und auch die eher bukolisch-agrarische Szene einer Weinlese machte sich zwischen den Herrenwitzen gut, wenn die Winzerin, warum auch immer, mit teilweise entblößter Brust durch die Rebstöcke lief.

Aus zweierlei Gründen ist diese Zweitverwertung künstlerischer Erotika, die auf heutige Augen eher keusch als aufreizend wirken, typisch für die Kunst der damals oft verächtlich, bestenfalls ironisch als „Malweiber“ abgetanen Frauen. Als sie sich Ende des 19. Jahrhunderts daran machten, sich ihren Platz in der Kunstgeschichte zu erobern, waren ihnen die staatlichen Kunstakademien schon wegen der dort präsenten Aktmodelle verwehrt. Frauen, die Nackte malten, das schickte sich nicht, sollten sie sich doch lieber an Blumensträuße halten – was sie dann auch notgedrungen oft taten, Blumen waren immer zur Hand.

Naturszenen mit Badenden

Sich dennoch, wenngleich verwiesen auf private Malschulen oder Studien im Ausland, dem für sie verpönten textilfreien Sujet zu widmen, bedeutete für die Künstlerinnen zugleich einen weiteren Akt der Emanzipation. Und wenn man sich durch Abdruck in einem Magazin noch ein Zubrot verdienen konnte, musste dies durchaus willkommen sein.

Naturszenen mit Badenden sind denn auch das zentrale Motiv eines Wolfthorn gewidmeten Kabinetts, doch tauchen ihre Bilder ebenso in drei weiteren Räume auf, gegliedert nach Porträts, (Stadt-)Landschaften und Blumenstillleben, neben Werken ihrer Kolleginnen Charlotte Berend-Corinth, Augusta von Zitzewitz und Maria Slavona.

Namen, die man, außer dem der Corinth-Schülerin, -Geliebten und späteren -Ehefrau, heute kaum mehr kennt. Im Falle der Jüdin Julie Wolfthorn, nach der 2005 eine Straße am Nordbahnhof benannt wurde, liegt dies nicht zuletzt an ihrer Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die sie 1939 mit Berufsverbot belegten und drei Jahre später nach Theresienstadt deportierten, wo sie 1944 umkam. Viele ihrer Bilder wurden zerstört oder gelten als verschollen.

Porträts von Künstlerkollegen

Ähnlich sieht es bei Augusta von Zitzewitz aus. Gegen den Willen ihrer adligen Familie war sie Malerin geworden, porträtierte häufig Künstlerkollegen wie die Bildhauerin Renée Sintenis oder den Theaterkritiker Alfred Kerr und wurde so zur „Chronistin der Berliner Kulturszene“, wie es Kurator und Museumsleiter Martin Faass beschreibt.

Unter Bäumen. So malte Julie Wolfthorn das alte Restaurant im Stadtpark Steglitz. Nach der Künstlerin ist übrigens eine Straße am Nordbahnhof benannt.
Unter Bäumen. So malte Julie Wolfthorn das alte Restaurant im Stadtpark Steglitz. Nach der Künstlerin ist übrigens eine Straße am Nordbahnhof benannt.

© Jüdisches Museum Berlin

Selbst Jüdin war sie nicht, doch verheiratet mit dem jüdischen Kunsthistoriker Erich Römer, für die Nazis Grund genug, sie ebenfalls mit Mal- und Ausstellungsverbot zu belegen. Auch in den Bildern Julie Wolfthorns taucht Berlin immer wieder auf, die so zu Zeugnissen des Vergessenen werden, etwa in einem noch deutlich unter dem Einfluss des Jugendstils stehenden Porträt der Schauspielerin Käthe Parsenow, die unter Max Reinhardt spielte und von ihrer Freundin Else Lasker-Schüler als die „Venus von Siam“ gepriesen wurde. Auch „Das alte Restaurant im Stadtpark Steglitz“ gibt es schon lange nicht mehr, das auf einem ihrer Werke, gemalt um 1912, auftaucht.

Kurz zuvor war das am nordöstlichen Rand des Parks an der Albrechtstraße gelegene Lokal eröffnet worden, bei Wolfthorn ist es im üppigen Grün fast verborgen. Dreimal wöchentlich spielten hier Militär- und Zivilkapellen, und auch Franz Kafka schaute mit seiner Freundin Dora Diamant öfter vorbei.

Studium in Paris

Mit einer „Pariser Stadtansicht“ aus dem Jahr 1906 ist dagegen Maria Slavona präsent, die so zugleich von dem großen Einfluss der französischen Impressionisten auf die Berliner Secession zeugt. Schon Augusta von Zitzewitz hatte in Paris studiert, an der Académie Julien. Maria Slavona dagegen machte die Stadt an der Seine von 1890 bis 1906 zum Lebensmittelpunkt, nahm begeistert Anteil am Treiben der Boheme und empfing in ihrem Haus, mittlerweile mit dem Schweizer Kunsthändler Otto Ackermann verheiratet, berühmte Kollegen wie Max Liebermann und Edvard Munch.

Ab 1901, eingeladen von Walter Leistikow, stellte die Malerin immer wieder auch bei der Berliner Secession aus. Eine aus Lübeck stammende Wahlberlinerin, wie so viele Künstler damals verliebt in Frankreich und seine Hauptstadt, wie sie bekannte: „Meine Entwicklung und meine Beziehung zur Farbe schulde ich allein Frankreich, der Luft seiner Landschaft und der Atmosphäre von Paris.“

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