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Warten, warten, warten - und das in eisiger Kälte: Die Situation vor dem Lageso am frühen Montagmorgen.

© imago/Markus Heine

Update

Flüchtlinge in Berlin: Das Lageso hat wieder geöffnet - bei Minusgraden

Seit 6 Uhr am Montagmorgen hat das Lageso wieder den regulären Betrieb aufgenommen - und es gibt Schlangen. Der Senat verspricht Verbesserungen bei der Flüchtlingsaufnahme.

Von Fatina Keilani

Pünktlich hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) am Montagmorgen wieder den regulären Betrieb aufgenommen. Nach den eingeschränkten Öffnungszeiten über den Jahreswechsel bearbeiten die Mitarbeiter seit 6 Uhr wieder in gewohnter Weise die Anliegen der Flüchtlinge. Und das heißt: Die Hilfesuchenden müssen erst mal Schlange stehen - nun jedoch wegen des Wintereinbruchs um -10 Grad.

Seit 4 Uhr hatte sich schon eine Reihe an Flüchtlingen vor dem Zelt mit den Schildern "Kasse" und "Termine" gebildet. Kurz vor Öffnung des Amts um sechs Uhr früh lag die Zahl der Wartenden ungefähr bei 50 vor dem Zelt, circa 400 Menschen warteten in dem Zelt. Das sollte eigentlich beheizt sein, aber heute funktioniert die Heizung nach Auskunft eines Sicherheitsmitarbeiters nur schlecht. Vereinzelt haben Eltern ihre Kinder dabei, Babys dick eingepackt im Wagen, aber auch Kleinkinder an der Hand. Mehrere Dutzend Flüchtlinge suchen in einem Vivantes-Wärmezelt Schutz vor dem Frost. Mitarbeiter von Vivantes geben Äpfel, Bananen, Sandwiches und Mineralwasser aus. Nguyen Binh, einer der Mitarbeiter, sagt: "Wir teilen warmen Kamillentee und schwarzen Tee aus. Mittags gibt es etwas Warmes zu Essen, oft Suppe oder Nudeln. Wenn den Flüchtlingen kalt ist, bekommen wir vom Lageso Schlafsäcke, Jacken und Decken". Auch Muffins und Schokoriegel liegen für die Wartenden bereit.

Ein junger Mann aus Afghanistan (Herat) wartet im Vivantes-Wärmezelt auf seinen Termin. "So richtig warm ist es hier nicht, aber besser als draußen", sagt er. Er berichtet, er sei 18 Jahre alt und vor vier Monaten, damals noch im Alter von 17 Jahren, nach Berlin gekommen. In seiner Heimat habe er sich bedroht gefühlt. Der Grund: Er und seine zwei Jahre jüngere Cousine führen eine Beziehung, aber ein 40-jähriger Mann wollte seine Cousine heiraten und habe damit gedroht, die beiden umzubringen. Sechs Monate habe seine Flucht gedauert. "Ich war schon fünf mal hier, aber es waren immer zu viele Leute da. Hoffentlich klappt es heute", sagt er.

Ganz früh in Moabit war der 18-jährige Khalel aus Damaskus. Am Dienstag ist es ein Jahr her, dass er in Berlin eintraf. Später holte er seine Familie aus Syrien nach - die Schwester und seine Eltern. Er hat sie in seine Ein-Zimmer-Wohnung in Moabit aufgenommen, obwohl er das eigentlich nicht dürfe, wie er an diesem Morgen sagt. Deshalb will sich seine Familie nun Hostelgutscheine besorgen - und hat sich draußen eingereiht. Auch sein Vater muss das Prozedere über sich ergehen lassen, 76 Jahre alt, mit Holzbein im Rollstuhl, denn wer Leistungen will, muss persönlich vorstellig werden. Khalel wartet unterdessen im Wärmezelt auf seine Angehörigen. Und zwar seit Stunden schon.

Der Senat rechnet auch im neuen Jahr mit einem konstanten Zuzug von Flüchtlingen nach Berlin, die auch weiterhin über die Balkanroute zu uns kommen. Das bestätigte der Sprecher von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), Sascha Langenbach. Von den insgesamt 79.272 Menschen, die im vergangenen Jahr kamen, seien 55.111 noch in der Stadt – in Aufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften. Und in Schönefeld treffen weiterhin Züge mit Flüchtlingen in Schönefeld ein.

Auch über die Feiertage kamen jeden Tag rund 400 Menschen mit dem Zug in Berlin an, nur am ersten Weihnachtstag und an Neujahr nicht. Der Koordinierungsstab im Lageso ist rund um die Uhr besetzt; selbst Heiligabend, als die meisten Berliner mit der Bescherung beschäftigt waren, hielt ein halbes Dutzend Mitarbeiter dort die Stellung und brachte Neuankömmlinge unter. Die Behörde selbst hatte geschlossen.

Flüchtlinge bekommen Gesundheitskarten

Zu Monatsbeginn holen Menschen am Lageso ihre Sozialleistungen ab, außerdem beginnt ein neues Quartal, für das viele einen Krankenschein benötigen. Langenbach kündigte am Sonnabend eine ganze Reihe von Verbesserungen an: Erstens sollen die Flüchtlinge ab nächster Woche Gesundheitskarten bekommen – das macht es unnötig, sich ständig einen neuen Krankenschein zu holen.

Zweitens wird auch das Auszahlungswesen verbessert: Nach zehn Wochen Lieferzeit bekommt der Standort Bundesallee einen richtigen Tresor und kann dann auch dort Auszahlungen vornehmen. Die vorhandenen Tresore – schließlich handelt es sich um eine frühere Bank – hätten modernen Anforderungen nicht standgehalten. Drittens soll das Auszahlungswesen demnächst elektronisch werden. Dann bekommen die Menschen eine Geldkarte; der Betrag wird vierteljährlich aufgebucht, aber monatlich gestaffelt freigeschaltet.

Um die Turnhallen wieder für den Sport nutzen zu können, soll jetzt auch bei den Modulbauten der Druck erhöht werden. Derzeit wohnen nämlich 9695 Menschen in 47 Berliner Turnhallen. Es müssten jetzt schnell Grundstücke benannt werden, die dann bebaut werden. So soll auch erreicht werden, dass die Sporthallen endlich wieder für ihren eigentlichen Zweck genutzt werden können.

Heizungsprobleme auf dem Flughafen Tempelhof

In Hangar 7 in Tempelhof ist die Heizung ausgefallen, deshalb konnten dort bisher noch keine Menschen untergebracht werden. Wie berichtet, hat der Senat durch Verhandlungen zwischen den Feiertagen noch 6000 Plätze beschafft; wie lange sie reichen werden, ist unklar. zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr rechnete man mit 15.000 bis 20.000 Menschen, die Berlin aufnehmen muss und hielt das schon für eine Menge; es kamen fast 80.000.

Personell tut sich am Lageso zweigleisig etwas: Auf Betreiben des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) sollen frühere Postbeamte am Lageso aushelfen. Da sie Beamte sind, können sie hoheitlich tätig werden, und da sie mindestens zum Teil bei der Telekom beschäftigt waren, hofft man zusätzlich auf IT-Kenntnisse. Das bestätigte ein Sprecher der Senatskanzlei. Zugleich streben Finanz- und Sozialverwaltung an, mehr Personal einzustellen.

Auch bei den Schulden tut sich was

Auch beim Abtragen der Schulden tut sich etwas. Betreiber von Unterkünften hatten sich zuvor massiv beschwert, dass ihre Rechnungen nicht beglichen würden. Die Finanzverwaltung hat Mitarbeiter ans Lageso entsandt, die mit den hauseigenen Kräften gemeinsam nun die Berge an Außenständen abtragen, offenbar mit Erfolg. Es gibt allein 140 Betreiber von Unterkünften wie Notunterkünften, Hostels und Hotels; hinzu kommen Caterer, Reinigungsfirmen und Security, die ebenfalls zu bezahlen sind.

Das nächste Problem wird sein, die vielen Menschen schnell zu integrieren, ihnen Wohnungen, Kita-Plätze, Schulplätze und Zugang zum Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Hier stehen die Schul- und und Arbeitsverwaltung sowie insbesondere die Bezirke vor gewaltigen Aufgaben.

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