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Dauerflucht. Einige der Asylbewerber, die kürzlich in der Notunterkunft in Hellersdorf ankamen, sind nach Protesten gegen das Heim gleich wieder ausgezogen.

© Reuters

Flüchtlinge in Berlin: Von der Not der Unterkunft

Gegen die Flüchtlinge in der Hauptstadt wird immer wieder protestiert. Dabei leben viele der Asylbewerber schon lange unauffällig in Wohnungen. Und bleiben werden ohnehin nur einige. Eine Begriffsklärung.

Hellersdorf, Wittenau, Marienfelde – demnächst Britz, Pankow, Moabit, später vielleicht Spandau. In diesem Jahr sind zahlreiche Flüchtlingsunterkünfte entstanden. Tausende Menschen sind 2013 nach Berlin geflohen. Nicht in allen Kiezen sind sie gern gesehen, die NPD nutzt das für ihre Hetze. Und Anwohner verstehen oft nicht im Detail, worum es geht. Wir klären die wichtigsten Begriffe.

ERSTAUFNAHMESTELLEN

Jedes Bundesland muss eine Erstaufnahmestelle eingerichtet haben. Auch weil in Berlin viele Flüchtlinge ankommen, die später in andere Bundesländer reisen, gibt es in der Stadt zwei Erstaufnahmestellen. In denen wohnen zusammen fast 1000 Menschen. Die Gebäude sollen nur drei, vier Monate von denselben Flüchtlingen bewohnt werden. Da die Bezirke wenig Räume für Dauerunterkünfte hergeben, wohnen einige Flüchtlinge länger in den Aufnahmestellen.

GEMEINSCHAFTSUNTERKÜNFTE

Aus den Aufnahmestellen werden die Flüchtlinge auf Gemeinschaftsunterkünfte verteilt. Dabei handelt es sich um Heime mit bis zu 500 Bewohnern. Die Heime werden von Sozialverbänden und Unternehmen betrieben und von den Behörden bezahlt. Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat dafür Standards festgelegt: Erwachsenen stehen mindestens sechs Quadratmeter, Kleinkindern vier Quadratmeter zu. Maximal 15 Bewohner sollen sich ein Bad teilen müssen.

NOTUNTERKÜNFTE

Notunterkünfte sollen drohende Obdachlosigkeit verhindern und sind oft nur spärlich ausgestattet. Meist bleiben die Flüchtlinge wenige Wochen dort. In einigen Notunterkünften gibt es keine Kochnischen, der Betreiber organisiert die Versorgung durch Caterer. In Moabit und Spandau werden demnächst neue Notunterkünfte eröffnet. Weil Obdachlosigkeit droht, muss es schnell gehen; der Umbau von Gebäuden wird meist nur Tage vorher angekündigt. In Hellersdorf dürfte das zu den Protesten beigetragen haben.

WOHNUNGEN

Fast 9000 Flüchtlinge leben in Mietwohnungen. Die Wohnungen bezahlen die Bezirksämter, wenn die Bewohner als Flüchtlinge anerkannt oder geduldet sind. Das Lageso zahlt die Miete, wenn Asylverfahren noch laufen. Einige Flüchtlinge leben auch bei Freunden, Verwandten oder von Erspartem. Senat und Opposition wollen, dass mehr Flüchtlinge aus Massenunterkünften in Wohnungen ziehen. Die städtischen Baugesellschaften sollen 2013 deshalb 275 Wohnungen bereitstellen. Wer in einer Wohnung lebt, integriert sich meist schneller und ist nicht so oft Ziel von Protesten.

ASYLVERFAHREN

Wer in Deutschland um Asyl bittet, muss sich einem Verfahren stellen. In Einzelfällen kann es drei Jahre dauern. Allein in den Berliner Heimen warten mehr als 6000 Flüchtlinge auf eine Entscheidung der Behörden. Diese Zeit gilt als „Aufenthaltsgestattung“, der Flüchtling ist an einen bestimmten Ort gebunden, den die Behörden festlegen. Gegen diese Residenzpflicht wurde 2012 bundesweit demonstriert. Seitdem campieren Flüchtlinge aus Protest auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Das Verfahren kann wegen Krankheit oder Schwangerschaft unterbrochen werden – muss aber nicht.

BLEIBERECHT

Ausländer dürfen sich in Deutschland aufhalten, wenn sie etwa ein Studenten- oder Arbeitsvisum haben oder Bürger der Europäischen Union sind. Ansonsten müssen sie nach dem Asylverfahren als Flüchtlinge anerkannt werden, dann gilt ein Bleiberecht. Zunächst ist dies auf zwei oder drei Jahre befristet. Die Kriterien für Asyl sind seit den 90er Jahren verschärft worden. Asyl bekommt nur, wem unmittelbar Gewalt oder Freiheitsentzug droht. Allgemeine Not durch Armut, Bürgerkriege und Naturkatastrophen reicht nicht. So wurden aus Deutschland immer wieder Menschen abgeschoben, in deren Heimat bewaffnete Auseinandersetzungen üblich sind.

ABSCHIEBUNG

Wer keine Aufenthaltserlaubnis hat, muss das Land verlassen – freiwillig, oder er kann eingesperrt werden. Das Berliner Abschiebegefängnis befindet sich in Grünau. Rechtlich gilt das nicht als Haft (weil die Insassen keine Verurteilten sind), sondern als Gewahrsamsnahme. Auch auf dem Flughafen Schönefeld gibt es Abschiebezellen. Die Menschen, die dort festgehalten werden, sollen daran gehindert werden, die Bundesrepublik zu betreten. Abschiebungen werden meist per Flugzeug durchgeführt. Oft ist Polizei dabei, manchmal werden Handschellen und Beruhigungsmittel verwendet. Wer abgeschoben wurde, hat ein Einreiseverbot.

DULDUNG

Duldung bedeutet nicht Aufenthaltserlaubnis, sondern nur, dass die Abschiebung ausgesetzt ist. Eine Duldung erhält, wer Deutschland verlassen soll, aber nicht abgeschoben werden kann. Entweder wegen Krankheit oder weil Papiere fehlen. In Berlin werden einige Staatenlose geduldet. So werden in vielen Fällen die Menschen bezeichnet, die aus palästinensischen Flüchtlingslagern stammen. Oft weigern sich die Länder, in denen diese Flüchtlinge zuweilen Jahrzehnte gelebt haben, ihnen Papiere auszustellen.

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