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14.000 Flüchtlinge sollen dieses Jahr nach Brandenburg kommen, doch wohin mit ihnen?

© dpa/Patrick Pleul

Flüchtlingsunterkünfte in Brandenburg: "Es gibt keine weiteren brauchbaren Kasernen"

Mehr Flüchtlinge sollen nach Brandenburg. Doch dort steht gar nicht so viel leer, wie Berliner Politiker wie Sozialsenator Mario Czaja (CDU) behaupten.

Die Idee hatte zunächst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), nun setzt Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) nach: Neu in Deutschland ankommende Flüchtlinge sollten künftig für die Erstaufnahmen eher in den Kasernen in den neuen Bundesländern als in Berlin und den alten Bundesländern untergebracht werden. Czaja nannte das bisherige Quotensystem, bei dem Flüchtlinge nach dem Steueraufkommen und der Einwohnerzahl der Bundesländer verteilt werden, angesichts der dramatischen Lage nicht mehr zeitgemäß.

Bei der bisherigen Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel kommt es nach Darstellung des Sozialsenators zu einer absurden Situation: Für Berlin und Sachsen gelte fast die gleiche Aufnahmequote von fünf Prozent, dabei sei die Lage in beiden Ländern etwa bei der verfügbaren Fläche, der Einwohnerdichte oder bei der Zahl potenzieller Objekte höchst unterschiedlich. Leer stehende Kasernen herzurichten sei die „bessere und humanere Option“, als Flüchtlinge in Zeltstädten und Turnhallen unterzubringen.

Alles, was leer steht, wird als Flüchtlingsunterkunft hergerichtet

Jenseits der Landesgrenze in Brandenburg lösen Czajas Äußerungen Verwunderung aus. Innenstaatssekretär Matthias Kahl (SPD) sagte: „Der Vorschlag wird auch nicht besser, wenn ihn andere wiederholen.“ Ob bei der Landesregierung, der Wohnungswirtschaft oder bei den Kommunen – überall heißt es: Alles, was leer steht und noch in halbwegs brauchbaren Zustand ist, wird bereits für Flüchtlingsunterkünfte hergerichtet.

Schon jetzt stößt die Landesregierung an ihre Grenzen. Die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt ist mit mehr als 2000 Flüchtlingen völlig überlastet, Notplätze in Turnhallen gibt es schon seit einer Weile. Ende Juli wurden deshalb zwei Zeltlager für 800 Asylsuchende errichtet. Seit Donnerstag bauen Pioniere der Bundeswehr ein drittes Lager mit 63 Zelten für 500 Menschen auf dem Gelände der früheren Lausitz-Kaserne in Doberlug-Kirchhain. Die wird derzeit umgebaut und soll eine Außenstelle der Erstaufnahme werde.

Ab Ende des Jahres sollen dort 800 Flüchtlinge unterkommen. Insgesamt sollen 1600 Menschen in Zelten vorübergehend Platz finden. Auch in Wünsdorf (Teltow-Fläming) sollen zum Jahreswechsel 1200 Flüchtlinge in einer einstigen Kaserne Platz finden, die noch als Landesbehördenzentrum genutzt wird und umgebaut werden muss. Andere Teile der Kaserne wurden zu Wohnsiedlungen – wie überall im Land.

Mehr als 90 Prozent der früheren Kasernen und Militärflächen seien vermarktet

„Es gibt keine weiteren brauchbaren Kasernen. Wir prüfen nicht mehr“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Potsdam, das für die Verwertung früherer Militärobjekte zuständig ist. In keinem anderen Bundesland gab es in der DDR mehr Stützpunkte von Roter Armee und NVA. Mehr als 90 Prozent der früheren Kasernen und Militärflächen seien jedoch inzwischen vermarktet. Die Restbestände seien völlig ungeeignet, „das will keiner mehr haben“. Der Aufwand, diese wenigen, völlig verfallenen Objekte

herzurichten, sei viel zu groß.

Aufbauarbeit. Im brandenburgischen Doberlug-Kirchhain hat die Bundeswehr eine Zeltstadt für Flüchtlinge errichtet.
Aufbauarbeit. Im brandenburgischen Doberlug-Kirchhain hat die Bundeswehr eine Zeltstadt für Flüchtlinge errichtet.

© Bernd Settnik/dpa

Lediglich in Neuruppin könnte der Landkreis Ostprignitz-Ruppin eine alte Panzerkaserne vom Land übernehmen und zu einer Asylunterkunft umbauen. Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, sagte, Brandenburg sei von der letzten Schrumpfreform der Bundeswehr weitgehend verschont worden. Die meisten Kasernen seien in den alten Bundesländern geschlossen worden.

Auch der Wohnungsleerstand vor allem in den Berlin-fernen Regionen hilft nur bedingt weiter. „Den nutzt man bereits“, sagte Böttcher. Teilweise sind zehn Prozent der Wohnungen, örtlich bis zu 20 Prozent nicht bewohnt. „Leer stehende Wohnungen sind aber längst nicht alles“, sagt Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Denn es fehle für die verstärkte Unterbringung von Flüchtlingen in den Randregionen die nötige Infrastruktur – beim Nahverkehr, bei Schulen, Kindergärten, Ärzten und beim Personal für die Betreuung.

Und in vielen Fällen spreche der Zustand der leeren Häuser auch dagegen, „sie sind komplett geräumt, Sanitäranlagen und Heizungen sind raus“, sagte BBU-Sprecher David Eberhart. „Das wird Geld kosten, um das wieder herzurichten.“ Und zu Czajas Wunsch nach Kasernen im Osten sagte er: „Wenn man die Flüchtlinge in lagerähnlichen Strukturen unterbringt, ist der Integration nicht gedient.“

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