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Der Fall des ehemaligen Justizsenators Braun hat eine Debatte über die Berufspraxis der Notare in Berlin ausgelöst.

© dpa

Geschäfte mit Schrottimmobilien: Notarkammer hält an umstrittenen Kaufverträgen fest

Zwar sollen Richtlinien 2012 verschärft werden, dubiose Immobiliengeschäfte bleiben aber möglich.

Von Sabine Beikler

Nicht nur Rechtsanwälte und Notare fordern ein „stärkeres Durchgreifen“ der Berliner Notarkammer gegen Notare, die an dem Geschäft mit überteuerten Immobilien mitverdienen. Auch Politiker erwarten von der Standesorganisation zügiges Agieren. „Es gibt eine öffentliche Erwartungshaltung an die Notarkammer, jetzt zu handeln“, sagte der Jurist und Parteichef der Linken, Klaus Lederer, dem Tagesspiegel. Ohne Notare könnten derartige Geschäfte mit Schrottimmobilien gar nicht durchgeführt werden. „Der Notar hat ein öffentliches Amt inne. Er genießt eine Vertrauensstellung und muss mehr als nur den reinen Buchstaben des Rechts vertreten“, sagte Lederer. Die Notarkammer kündigte an, ihre „Standesrichtlinie“ zu verschärfen. Das Thema soll auf der nächsten Kammerversammlung im März 2012 diskutiert werden.

Auch SPD-Rechtspolitiker und Jurist Thomas Kleineidam fordert eine Überprüfung der Richtlinie. Grünen-Rechtspolitiker Dirk Behrendt, ebenfalls Jurist, erwartet von der Kammer, dass sie selbst gegen „schwarze Schafe in ihren Reihen“ vorgeht und die Richtlinien verschärft. „Es ist an der Zeit, sich selbstkritisch mit dieser Geschäftspraxis auseinanderzusetzen“, sagte Behrendt.

„Die Richtlinien werden insgesamt einer kritischen Prüfung unterzogen“, teilte die Kammer am Dienstag auf Anfrage mit. Vor allem gehe es um die umstrittene Aufspaltung der Verträge in Angebot und Annahme. Die Bundesnotarkammer warnt wie berichtet vor dieser Aufspaltung, die „in der Regel“ nicht zulässig ist. In Berlin gilt nur, dass die „Schutz- und Belehrungsfunktion“ besonders zu beachten sei. Wie der genaue Wortlaut der Richtlinienänderung lauten werde, sei noch im Vorstand zu diskutieren, heißt es bei der Notarkammer. Von der Verschärfung der Richtlinien erhofft sie sich eine „Signalwirkung zugunsten der erwünschten Vertragsgestaltung, die Angebot und Annahme in einer Urkunde vereint“. Generell solle die Möglichkeit zur Aufspaltung der Verträge, wie es im Beurkundungsgesetz auch vorgesehen ist, weiterhin möglich sein. „Allerdings könnten Berliner Notare stärker dazu angehalten werden, die Verkäufer mit an den Beurkundungstisch zu holen“, teilte die Kammer mit.

Bei der Aufteilung der Verträge erkennt der Käufer nicht, dass er sich bei einem Angebot schon für eine bestimmte Zeit zum Kauf verpflichtet. Der Verkäufer muss das Angebot nur noch mit der „Annahme“ beurkunden, dann ist das Geschäft gültig. Das ist in Berlin gängige Praxis, wenn Vertriebsgesellschaften, Mittelsmänner und Verkäufer Immobilien über Wert verkaufen wollen. Berlinweit zählt die Branche etwa 15 der rund 900 Notare dazu, die solche Geschäfte beurkunden.

Selbst Funktionäre der Notar- und Rechtsanwaltskammer haben Verträge zum Schaden von Verbrauchern beurkundet. Dem Tagesspiegel liegen ein gutes Dutzend Urkunden vor, die die Notare Frank Leithold und Joachim Börner, beide in der Kanzlei Wollmann & Partner tätig, beglaubigt haben. Die Käufer haben diese Verträge angefochten und klagen auf Rückabwicklung. Es haben sich mehrere Anwälte beim Tagesspiegel gemeldet, die Mandanten vertreten, die namentlich nicht genannt werden wollen.

Leithold lässt wie berichtet bis zur Klärung der Vorwürfe seine Funktion als Schatzmeister in der Notarkammer ruhen. Das gilt auch für Börner, Schatzmeister der Rechtsanwaltskammer. Der Anwalt der Kanzlei Wollmann & Partner legt Wert auf die Klarstellung, dass die Vorwürfe „frei erfunden“ seien. Die Notare hätten sich „absolut korrekt verhalten“.

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