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Welche Geschenke dürfen Lehrer annehmen?

© dpa

Geschenke für Lehrer: Korruptionsposse in Berlin - Wer ist hier peinlich?

Die Republik lacht, weil eine Lehrerin aus Berlin wegen der Annahme eines Geschenks angezeigt wurde. Peinlich sind jedoch Schüler und Eltern, die zu teure Geschenke machen - und Lehrer, die die Regeln nicht kennen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Deutschland lacht wieder über Berlin, das Journalistenwort „Posse“ macht die Runde; kleinlich, provinziell das alles und natürlich unter Beteiligung der Erbsenzähler-Justiz. Es geht um die Lehrerin, die wegen eines Schülergeschenks 4000 Euro bezahlen musste, um ein Strafverfahren wegen Vorteilsannahme abzuwenden. Auch gegen die Eltern wurde ermittelt, die das Corpus Delicti, eine rund 200 Euro teure Loriot-Figur, mitfinanzierten. Peinlich, oder?

Peinlich ist der Fall nicht für die Vorschriftenbeharrer

Ja, peinlich. Weniger für die Staatsanwälte oder den Vorschriftenbeharrer, einen Vater, der den Fall zur Anzeige brachte. Peinlich ist die peinliche Diskussion, die sich darum entsponnen hat. Es sollte für Berliner Lehrer selbstverständlich sein, die Obergrenzen für Geschenke zu kennen und einzuhalten. Peinlich sind Schüler, die ihren Lehrern derart teure Geschenke machen. Peinlich sind Lehrer, die das nicht in Verlegenheit bringt. Peinlich im Wortsinn, nämlich schmerzend und strafend, ist auch die hohe Geldauflage für die Frau; hier hätte es vielleicht die Hälfte getan. Peinlich könnte es noch für die Bildungsverwaltung werden, wenn herauskommt, dass sie in der Vorgeschichte eine ungünstige Rolle spielt.

Was die Kasse hergibt: Wellness-Wochenenden mit Miet-Ferrari in Zehlendorf?

Amüsieren ist also erlaubt, fragt sich nur, über wen. Natürlich weiß jeder, dass Korruption das Letzte war, was die Beteiligten hier im Sinn hatten. Ein Trugschluss aus dieser Einsicht wäre jedoch, Fälle wie diesen unter den Teppich zu kehren. Dann wäre die Empörung, entsprechend organisiert, ebenfalls groß. Schon gar nicht dürfte das von Staatsanwälten erwartet werden, die sich weit penibler an Gesetze zu halten haben als Lehrer. Am allerpeinlichsten wäre es wohl, wenn künftig Lehrer kriegen, was die Kasse hergibt. Wellness-Wochenenden mit Miet-Ferrari in Zehlendorf, einen Besuch des Britzer Gartens in Neukölln?

Schon vergessen? Vor einiger Zeit hatten die Deutschen ihr Staatsoberhaupt aus dem Amt gejagt, weil ihm Petitessen-Korruption vorgeworfen wurde, im Ergebnis unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze. Der Fall muss kein Maßstab sein, nur zeigt der Vergleich, wie wandelbar und stimmungsabhängig das öffentliche Urteil über Korruptionsdelikte ist. Geht es gegen den Richtigen, wettern alle mit. Mit einer Lehrerin dagegen ist das Mitleid so groß, dass Gutmeinende im Internet Spenden sammeln; was ziemlich peinlich ist und darauf hindeutet, dass Mitgefühl manchmal auch nur eine Sau ist, die durchs Dorf getrieben wird.

Die Zehn-Euro-Grenze sollte heraufgesetzt werden

Vielleicht gibt der Fall Anlass, die Zehn-Euro-Grenze für Lehrergeschenke heraufzusetzen. Schließlich ist es heute schon vielfach normal, Grundschüler mit 20-Euro-Geschenken zu Kindergeburtstagen zu schicken. Aber man kann Dankbarkeit auch anders zeigen. Durch Höflichkeit, gute Leistungen und Interesse am Unterricht etwa. Ist es nicht das, was Lehrer wirklich brauchen?

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