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Acht Tage Hunger, drei Tage Durst: Die Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor verharren im Streik. Am Mittwochmorgen mussten erneut drei Demonstranten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

© Karoline Kuhla

Hungerstreik am Brandenburger Tor: Seit 72 Stunden ohne Wasser

Acht Tage Hunger, drei Tage Durst: Die Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor verharren im Streik. Am Mittwochmorgen mussten erneut drei Demonstranten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Mit dem Berlin-Führer in der Hand steht Turid Nicolaysen vor dem Lager aus Regenschirmen am Brandenburger Tor. Die Deutschlehrerin aus Norwegen ist mit ihrer Klasse für ein paar Tage in Berlin zu Besuch. Sie zögert einen Moment, seufzt, bevor sie Worte findet:„Europa muss eine Lösung finden“, sagt sie dann. „Alle verstehen, dass etwas getan werden muss, aber wenn es sie persönlich betrifft, wenn sie über Steuern dafür zahlen müssen oder Ausländer in der Nachbarschaft haben, bekommen die Menschen Angst.“
Für die Flüchtlinge auf dem Pariser Platz ist dieser Mittwoch der achte Tag des Hungerstreiks. Seit drei Tagen sei der Hungerstreik außerdem „trocken“, wie Brook Tadele erzählt. Seit 72 Stunden haben sie also auch nichts getrunken. Tadele, 24 Jahre alt und seit einem Jahr aus Äthiopien in Deutschland, gehört zur „Mediagroup“ der Demonstranten und hat den Überblick: Drei Flüchtlinge seien heute bereits ins Krankenhaus gebracht worden, sagt er, eine Frau und zwei Männer. Die sieben Demonstranten, die am Dienstag ins Krankenhaus kamen, waren noch am selben Abend zurück im Protestcamp.

27 Flüchtlinge harren vor dem Brandenburger Tor aus

Insgesamt harren 27 Männer und zwei Frauen auf dem Platz aus. Doch sie sind kaum auszumachen: Die Anzahl der Regenschirme ist weit höher, unter ihnen liegen die meisten Demonstranten in Schlafsäcken und auf Planen. Am Dienstagabend habe es noch eine Auseinandersetzung über Schlafsäcke und Plastikplanen mit der Polizei gegeben, sagt Tadele. Erst um eins hätten sie schlafen können. Eine Polizeisprecherin bestätigt, dass die Flüchtlinge aufgefordert worden seien, Gegenstände wegzuräumen, die keiner Person zuzuordnen waren. Ansonsten sei die Nacht ruhig gewesen, sagen beide Seiten.

Doch seit dem Morgen stehen wieder die gesundheitlichen Sorgen im Vordergrund. Jürgen Hölzinger engagiert sich freiwillig. Der 72-Jährige Urologe praktiziert nicht mehr, möchte aber die Flüchtlinge unterstützen. Das hat er schon vergangenes Jahr am Brandenburger Tor getan und seitdem immer wieder auf dem Oranienplatz. Gestern kam er bereits um halb sieben auf den Pariser Platz. Immer wieder läuft er mit Flüchtlingen durch das Lager und untersucht die Liegenden: Sind sie noch ansprechbar? Noch bei Bewusstsein? „Die Demonstranten sind sehr gut organisiert und kümmern sich umeinander“, sagt er, „Das ist gut, denn für uns Ärzte ist die Lage nicht immer einfach einzuschätzen: Menschen aus anderen Kulturkreisen reagieren ganz anders auf Schmerz und Entbehrung als wir.“

Am Mittwochmorgen mussten erneut drei Demonstranten ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Am Mittwochmorgen mussten erneut drei Demonstranten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

© Karoline Kuhla

Mittlerweile haben die norwegischen Schüler ihre Deutschlehrerin Nicolaysen auf dem Pariser Platz wiedergefunden. Auch in ihrer Heimat gibt es Flüchtlingsheime, ist die Asylpolitik derzeit ein Thema. Ab heute könnte sich dort jedoch in in Sachen Flüchtlingspolitik etwas ändern, erzählt Nicolaysen noch: „Heute bekommen wir eine neue konservativ-populistische Regierung. Mal sehen, was dann passiert.“

Karoline Kuhla

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