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Unterm Baum. Firas Maraghy trinkt seit einem Monat nur Wasser. Er streikt für ein Reisedokument für seine Tochter. Unterstützer bringen ihm Blumen und Kerzen.

© Thilo Rückeis

Palästinenser kämpft für seine Tochter: Hungerstreik im Villenviertel

Der Palästinenser Firas Maraghy sitzt seit einem Monat vor der israelischen Botschaft. Er streikt für ein Reisedokument für seine Tochter, isst nichts und trinkt nur Wasser. Unterstützer bringen ihm Blumen und Kerzen.

Berlin - Ein Mann sitzt unter einem Baum. Seit einem Monat. Er lächelt viel und isst nichts und bringt so den Nahostkonflikt in eine Villengegend von Berlin, wo sonst nur Damen mit kläffenden Hunden Gassi gehen. „Ich will nur mein Recht“, sagt der Mann im Campingstuhl.

Der Palästinenser Firas Maraghy, 39, aus Ostjerusalem ist im Hungerstreik vor der Israelischen Botschaft in Schmargendorf an der idyllischen Auguste-Viktoria-Straße. Um niemanden zu stören, sitzt er allerdings etwas entfernt neben einem Spielplatz. Das passt gut, denn Firas Maraghy streikt wegen seiner Tochter Zaynab, die im vergangenen Dezember zur Welt kam. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater „Einwohner“ von Jerusalem – kein „Bürger“. Und deshalb bekommt sie in der israelischen Botschaft in Berlin kein Reisedokument und wird nicht als „Einwohnerin“ registriert. Das könne nach israelischem Recht nun mal nur im Innenministerium in Israel geschehen, heißt es in einer Erklärung der Botschaft. Außerdem könne das Kind wie seine Mutter einen deutschen Pass bekommen. Doch Maraghy hat Angst, dass Zaynab und seine Frau gar nicht erst ins Land gelassen werden. Zaynab soll selbst entscheiden können, wo sie leben möchte.

„Jeder hat das Recht, (...) seinen Aufenthaltsort frei zu wählen“, steht auf einem Schild, das er am Baum befestigt hat. Und: „Jeder hat das Recht, (...) in sein Land zurückzukehren“ – Auszüge aus den Menschrechten. Darum geht es Maraghy nämlich auch. Nach israelischem Recht erlischt der Status „Einwohner“, wenn man länger als sieben Jahre nicht in Jerusalem gelebt hat. Eine Regel, die Maraghy nicht verstehen kann: „Mein Vater hat in Ostjerusalem gelebt und mein Großvater, aber ich verliere mein Recht, wenn ich ein paar Jahre in einem anderen Land bin.“ Sogar, wenn er so etwas sagt, lächelt er noch. Seit 2006 wohnt der Krankenpfleger und Elektrotechniker in Deutschland, weil seine Frau, Wiebke Diehl, hier studiert hat. Gerade ist sie fertig und will jetzt promovieren. Sie besucht ihren Mann oft unter seinem Baum. Genau wie viele andere Menschen.

Zum Beispiel ein 76-jähriger Mann mit einer Baseballkappe voller politisch motivierter Anstecker. Er kommt oft, um mit Maraghy und anderen Besuchern über das Problem zwischen Israelis und Palästinensern zu philosophieren. Die Unterstützer von Maraghy werden immer zahlreicher. Mehrere Bundestagsabgeordnete sind darunter und auch Israelis. „Wir, in Deutschland lebende israelische Staatsbürger, solidarisieren uns mit Firas Maraghy“ – so lautet eine Erklärung einer Gruppe, die für den heutigen Donnerstag eine Aktion geplant hat: Ab 11 Uhr wollen sie 24 Stunden lang mit dem Palästinenser vor der Botschaft fasten und später demonstrativ jenes Kinderspiel mit dem zynischen Namen spielen: „Reise nach Jerusalem.“ Außerdem gibt es von jetzt an jeden Tag von 16 bis 19 Uhr eine Mahnwache am Brandenburger Tor.

Alle seien immer so nett zu ihm, sagt Maraghy: die Polizisten vor der Botschaft etwa. Und neulich habe sogar der Botschafter seine Joggingtour für ein Gespräch unterbrochen. Er sei sehr verständnisvoll gewesen. Offiziell teilt die Botschaft aber mit, man bedauere, dass Maraghy sich entschieden habe, den Streik fortzusetzen. Während Maraghy vor der Botschaft sitzt, streiken drinnen übrigens die Angestellten für eine bessere Bezahlung. Sie hungern aber nicht, sondern schicken einfach keine Berichte nach Israel.

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