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Karl Dall, 71, ist gebürtiger Ostfriese und lebt in Hamburg. Seine Karriere als Bühnenkomödiant und Fernsehmoderator begann 1967 in Berlin mit der Spaßmusiktruppe Insterburg & Co. Dall schauspielerte in Erotikkomödien, tourte mit Soloshows und bereitete als Fernsehwitzbold der derben Sorte in unzähligen Shows sowohl der Comedy-Welle als auch dem Rüpel-TV den Weg. Jetzt spielt er zum ersten Mal Theater. Mit Bjarni Haukur Thorssons Ein-Personen-Stück „Der Opa“, das vor zwei Wochen in Hamburg unter Hausherr Corny Littmanns Regie am Schmidt-Theater Premiere feierte, gastiert er vom 23. bis 31. Oktober im Admiralspalast an der Friedrichstraße. Foto: dpa

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Komiker Karl Dall: „Ich kann’s mir mit jedem versemmeln“

Komiker Karl Dall über Geselligkeitstrinken, die Ähnlichkeit zum Opa in seinem ersten Theaterstück und warum er im Alter nichts mehr zu verlieren hat.

Herr Dall, was ist los mit Ihnen: Sie haben eine ehrbare Karriere als Blödeltalker und Blödelbarde hinter sich und jetzt spielen Sie plötzlich Theater?

Ja, das ist der Anfang vom Ende. Das Wort Blödelbarde wurde Ende der 60er, Anfang der 70er erfunden. Die brauchten für die Art Humor, die Insterburg & Co. und später Mike Krüger gemacht haben, einen Begriff. Wir waren nicht seriös genug, um als Liedermacher durchzugehen, obwohl wir ja Lieder gemacht haben. Nur eben Lieder zum Ablachen.

Nun spielen Sie in Bjarni Haukur Thorssons Ein-Personen-Stück „Der Opa“. Wie ist der isländische Autor ausgerechnet auf Sie gekommen?

Der bekam mich von irgendjemandem empfohlen. Diese Isländer sind ja auch Leute, die sich nicht gerade von Mineralwasser ernähren. Ich bin nach Reykjavik geflogen und habe mir das angeguckt. Dann lief das über die Alk-Schiene. Wikinger Bier trinken die da. Ich habe eine Übersetzung machen lassen und eine deutsche Fassung geschrieben und die Aufführungsrechte gekauft.

Was gefällt Ihnen an dem Stück über einen alternden Mallorca-Golfer, der über sein Leben räsoniert?

Es ist viel von mir drin, auch wenn ich kein Mallorca-Golfer bin. Aber ich bin Opa. Was ich rüberbringen möchte ist, dass Leute, wenn sie älter werden, das Beste aus ihrer Zielgeraden machen. Spaß haben, die Kohle nicht aufs Sparbuch legen, sondern sich mal in einen Flieger setzen oder eine Schiffsreise machen.

Das ist die Botschaft des Stücks: Alte, verballert euer Geld?

Nein, das ist meine Meinung. Wir wissen ja nicht, wie lange das Leben noch dauert, das ist das Spannende. Wenn ich wüsste, dass ich am 3. November in zwei Jahren den Löffel abgebe, wüsste ich nicht, ob ich mich noch mit Ihnen unterhalten will. Aber wenn es am 1. April nächstes Jahr ist, schon, dann wäre das Gespräch ja viel wertvoller! Ich will jedenfalls nicht auf der Bühne sterben, aber auch nicht zu Hause vor meiner Frau zusammenbrechen. Einen idealen Tod gibt es einfach nicht. Man darf aber nicht zu viel Angst davor haben, sonst passiert einem genau das, was man nicht erleben will.

Alt werden wollen alle, alt sein will keiner, ist Motto des Stücks. Alt nennen lassen will sich auch keiner mehr – und Sie?

Ich bin alt. Auch einer, der sagt, er sei 71 Jahre jung, ist 71 Jahre alt. Die Worte austauschen ist Quatsch. Das ändert doch die Situation nicht. Eigentlich kann man über Alter, Krankheit, Siechtum, Sterben keine Witze machen. Habe ich auch nie. Aber diese Themen sind nun mal drin im Stück. Ich kann mir das auch erlauben, ich habe in Deutschland seit 40 Jahren einen gleichbleibenden Bekanntheitsgrad. Wenn ich jetzt mal eine andere Ecke bediene, ist das für die Leute, die mich für einen Blödler halten, vielleicht ganz erquicklich. Dann können die sagen, der hat doch ein bisschen mehr drauf als nur die Leute zum Schunkeln zu bringen.

Brauchen Sie diese Bestätigung?

Auf der Bühne ja. Da habe ich noch nie was Ernsthaftes gemacht. Nur ganz früher, als 17-Jähriger war ich soweit runter, dass ich mich einer Kirchengruppe angeschlossen habe, um in Ostfriesland vorm Altar zu schauspielern.

Und wie fühlt es sich jetzt an? Sie spielen ja in Hamburg schon.

Körperlich fühlt man sich eigentlich unwohl. Man bekommt die Scheinwerfer ins Gesicht, hört sich nur indirekt, ist beim Solostück alleine. Für eventuelle Kollegen ist das allerdings gut. Da ich ja ’ne Rampensau bin, würde ich mich sowieso nicht an Stichworte halten. Und ich kann mir selbst auch nicht sauer sein, wenn ich mir ins Wort falle.

Waren Sie nicht schon im Ruhestand?

Das war nur eine Ruhepause. Ich dachte 65 sei so eine Marke, wo man im voreiligen Gehorsam nicht mehr auf die Bühne darf. Irgendwann habe ich mich dabei ertappt, dass ich zu Hause sitze, mir schon abends um 20 Uhr die Pantoffeln anziehe und den Müll im Fernsehen angucke. Dann habe ich gedacht, ach, produzierst du den doch lieber selbst wieder mit.

Ihre vierjährige Enkelin, die in Kanada lebt, ruft Sie regelmäßig zum Plaudern an. Dann sind Sie wohl kein Kinderhasser wie Ihre Bühnenfigur?

Nee, schon lange nicht, wenn es um die eigene Blutlinie geht. Ich habe nie mein Kind geschlagen, ich würde nur andere Kinder schlagen. Aber wenn ich so was sage, heißt es gleich: ganz fieser Typ, der schlägt Kinder. Da wird der Humor nicht mehr begriffen.

Welche Vorteile hat das Alter?

Der Opa im Stück kann sich ziemlich viel erlauben, weil er nichts mehr zu verlieren hat. Ich selbst muss auch nicht mehr gefallen und auf Anrufe warten. Eigentlich kann ich’s mir mit jedem versemmeln.

Sie haben 31 Jahre in Berlin gelebt, bevor Sie nach Hamburg zogen: Was bedeutet Ihnen die alte Heimat noch?

Allerhand, aber ich komme mir hier jetzt vor wie ein Tourist. Die Zeit in Berlin waren meine ärmsten aber spannendsten Jahre. Da wollte ich aus Ostfriesland raus und einfach nur leben. Von 1963 bis 1994 habe ich am Ku’damm, in Kreuzberg und Westend gewohnt. Ich kannte jede Kneipe in West-Berlin, das war ja unser Klub hier. Nach dem Mauerfall war der einfach nicht mehr da. Ein Segen für alle, aber ich war völlig orientierungslos. Dann habe ich gesagt, ich möchte nicht als alter Mann in Hundescheiße treten und geh noch mal woanders hin. Ich trauere nichts nach, auch nicht dieser Stadt. Ist eigentlich egal, wo ich wohne, ich habe eh immer woanders zu tun.

Sie sind bekannt als Kneipengänger – lässt das im Alter nach?

In Kneipen gehe ich immer noch, aber hallo, ich bin Geselligkeitstrinker! Aber ich haue nicht mehr Bier und Schnaps rein, sondern teuren Rotwein.

Wo gehen Sie in Berlin hin?

Früher immer gerne in die Gruft – den „Diener“ in der Grolmannstraße. Gruft, weil da so viele Fotos von Schauspielern, die tot sind, an der Wand hängen. Da sitzen ja auch oft welche. Ich liebe die Eitelkeiten in der finsteren Bude, diese kleinen Peinlichkeiten. Sonst gehe ich gern in die Kleine Weltlaterne in der Nestorstraße, eine niedliche Kneipe.

Für einen Sehbehinderten haben Sie es ganz schön weit gebracht im Showgeschäft.

Ich bin nicht sehbehindert, ich habe eine Lidmuskellähmung. Ich kenne alle Bezeichnungen: Matschauge, Jalousienaugen – das trifft mich nicht mehr. Als Schüler auf dem Schulhof in Emden – da schon. Vielleicht ist da mein verbaler Sarkasmus entstanden. Ich mache mir keine Gedanken darüber, warum ich bin, wie ich bin. Ich habe keinen Menschen umgebracht, zumindest, soweit ich mich erinnere. Ich bin als braver Bürger durchs Leben gegangen. Aber wenn man mir den Bundespräsidentenjob anbietet, lehne ich ab.

Das Gespräch führte Gunda Bartels.

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