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Landwirtschaft funktioniert seit Jahrtausenden schon auch ohne IT.

© Caro / Korth

Landwirte in Brandenburg: Bauern lehnen ungezügelte Digitalisierung ab

Der Brandenburger Bauernbund kritisiert die Forschungsministerin und befürchtet „totale Überwachung“ durch Agrarkonzerne.

Von Sandra Dassler

Drohnen, mit denen Schlupfwespen zur Schädlingsbekämpfung ausgesetzt werden, fahrerlose Traktoren oder Sämaschinen, die in einem Arbeitsgang den Boden lockern, das Saatgut ablegen und in verschiedenen Tiefen düngen – die Digitalisierung hält auch in der Landwirtschaft zunehmend Einzug. Doch viele märkische Bauern sehen in den neuen Möglichkeiten auch neue Gefahren.

Brandenburgs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Martina Münch (SPD), sieht sich derzeit jedenfalls mit einiger Kritik konfrontiert. Nach einem Besuch im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg am Gründonnerstag hatte Münch verkündet, dass sie die Digitalisierung für unverzichtbar halte. „Wir haben in der Landwirtschaft so viele Daten, wollen gute Erträge und hervorragende Ergebnisse produzieren“, sagte sie: „Da braucht es die Digitalisierung, um alles zusammenzubringen, um es zu analysieren und optimal zu steuern.“

Digitalisierung kann helfen, ersetzt aber den Menschen nicht

Doch diese Aussage stößt auf energischen Widerspruch. Thomas Kiesel, Vorstandsmitglied beim Bauernbund Brandenburg, spricht gar von einer „Osterhasengeschichte“. Es sei gut, dass sich die Ministerin für die Agrarforschung stark mache, aber sie müsse den Wissenschaftlern nicht alles glauben, sagt Kiesel. „In Zeiten, wo jeder Schüler ein Smartphone und jeder zweite Rentner einen Laptop besitzt, finde ich es nicht besonders aufregend, wenn auch in der Landwirtschaft digitale Technik angewendet wird.“

Diese sei aber bestenfalls ein Hilfsmittel und könne Naturbeobachtung, Wissen und Erfahrung des Bauern nicht ansatzweise ersetzen. Insbesondere widerspricht Kiesel Münchs Einschätzung, wonach die Digitalisierung helfen könne, Erträge zu steigern und die Umwelt zu schützen. „Alle praxisrelevanten Einsatzgebiete wie GPS-gesteuerte Parallelfahrsysteme oder ... automatische Melksysteme haben Arbeitserleichterung ... gebracht, aber so gut wie keinen Einfluss auf die Produktionsergebnisse gehabt“, sagt Kiesel, der im Ruppiner Land auf 400 Hektar Getreide und Raps anbaut: „Wir haben bisher ordentlich gewirtschaftet und werden das auch künftig tun – mit oder ohne digitale Unterstützung.“

Man will dem Staat keinen Einblick erlauben

Bauernbund-Sprecher Reinhard Jung findet: „Landwirte arbeiten in und mit der Natur. Da muss man vieles beachten, Veränderungen wahrnehmen, Beziehungen zu Tieren und Pflanzen aufbauen. Das geht nicht nur digital oder es wäre so, als würde ein Arzt einen Patienten ausschließlich aufgrund seiner Blut- und anderer Laborwerte behandeln, ohne ihn je anzusehen, zu untersuchen, mit ihm zu sprechen.“ Ähnlich äußern sich Agrarexperten und Tierschützer, für die es nicht erstrebenswert ist, Felder ausschließlich von Maschinen beobachten oder Kühe nur von Robotern melken zu lassen.

Die Skepsis vieler Landwirte hat aber noch einen weiteren Grund. „Wir müssen aufpassen, dass wir über die EDV nicht in Abhängigkeit von wenigen landtechnischen Anbietern geraten und noch mehr, dass nicht von außen zugegriffen werden kann“, sagt Thomas Kiesel: „Wie ich zu meinen Produktionsergebnissen komme, geht niemanden etwas an, schon gar nicht den Staat.“ Jedenfalls so lange nicht, wie die in Deutschland ohnehin sehr strengen Lebensmittelgesetze und andere Vorschriften eingehalten würden, ergänzt Bio-Bauer Reinhard Jung, der in der Prignitz Mutterkühe züchtet.

Landwirte wollen nicht zu Vertragsbauern werden

Noch gefährlicher aber sei, dass mittels Datenerfassung und -auswertung in den Händen weniger großer Konzerne mittelständische Familienbetriebe und Agrargenossenschaften in totale Abhängigkeit von diesen geraten könnten. „Genau aus diesem Grund haben wir uns damals gegen die Gentechnik gewehrt“, sagt Jung.

Tatsächlich werden gesammelte und vor allem verknüpfte Agrardaten zunehmend zum Geschäft. In den USA, wo Landwirtschaft schon länger mit Satellit und Sensor betrieben wird, wehren sich Medienberichten zufolge Farmer beispielsweise gegen den Agrarriesen Monsanto, der Farming 4.0 nutze, um Landwirte zu Vertragsbauern zu degradieren.

„All das sollten Politiker bedenken, wenn sie sich zur Digitalisierung in der Landwirtschaft äußern“, sagt Reinhard Jung. Und kündigt an, dass der Bauernbund Strategien gegen eine „totale Agrarüberwachung“ entwickeln werde.

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