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Wie früher. Schülerzuwächse oder Asbestbelastung waren meist Auslöser für die Aufstellung der Mobilbauten – hier am Buckower Leonardo-da-Vinci-Gymnasium.

© Mike Wolff

Marode Schulen in Berlin: Unterricht im Container - seit fast 50 Jahren

In der Stadt gibt es fast 200 provisorische Unterrichtsgebäude - und manche stehen seit Jahrzehnten. Eines hatte sogar ein tierisches Problem.

Berlin hat nicht nur ein Problem mit maroden Schulgebäuden, sondern auch mit einer Unzahl von überalterten Lerncontainern: 196 so genannte mobile Unterrichtsräume (MUR) hat die Bildungsverwaltung im Auftrag des Hauptausschusses aufgelistet. Was bisher kaum bekannt war: Etliche Bezirke nutzen noch immer die alten Provisorien, die in den sechziger Jahren für die Generation der so genannten Babyboomer errichtet worden waren. Bei Dutzenden stehen Sicherheitsüberprüfungen durch Statiker noch aus, andere sind wegen Schimmel kaum benutzbar oder anderweitig in einem desolaten Zustand. Der älteste aufgeführte Bau stammt aus dem Jahr 1964.

Abgeordnete wollten Aufklärung

Die Liste war erstellt worden, nachdem sich im Frühjahr ein Mobilbau der Zehlendorfer Mühlenau-Grundschule zufällig als einsturzgefährdet entpuppt hatte. Daraufhin hatten die Haushaltspolitiker wissen wollen, ob in den Bezirken möglicherweise noch weitere derartige Gesundheits- und Finanzrisiken warteten.

"Skandalös", sagen die Grünen

„Lediglich 119 MURs wurden für unbedenklich erklärt. Ich finde das alles skandalös“, sagte die grüne Haushalts- und Schulpolitikerin Stefanie Remlinger am Dienstag. „Das Mindeste wäre doch schon, das alles genau zu klären, damit es nicht wieder dem Zufall überlassen bleibt, rechtzeitig zu merken, ob etwas einsturzgefährdet ist“, sagte Remlinger. Stattdessen haben die Bezirke bei der Frage, ob eine Überprüfung schon stattgefunden habe, vielerorts ein „Nein“ angekreuzt und angemerkt, dass weitere Untersuchungen folgen; genaue Zeitangaben – Fehlanzeige.

Liste ist nicht zuverlässig

Mancher Haushaltspolitiker dürfte aber auch darüber verwundert sein, dass die Aufstellung teilweise veraltete Angaben enthält. So kann man dort lesen, dass die Sekundarschule in der Junfernheide über einen sanierungsbedürftigen Container von 1992 verfügt, der alle drei Monate überprüft werden müsse. Tatsächlich ist aber genau dieser Container bereits 2010 komplett saniert worden und in einem hervorragenden Zustand, wie Schulleiterin Karin Stolle berichtet.

Viel mehr Sorge bereitet ihr ein Container von 2007, der aber auf der Liste fehlt: „Den wollen wir dringend loswerden, weil er furchtbar riecht, feucht und schimmlig ist“ , berichtet Stolle. Schlimmer noch: Unter diesem Container befindet sich ein Fuchsbau, in dem regelmäßig Kadaver vermodern. Der Gestank zog durch die Ritzen des Containers in einen der fünf Klassenräume, der daher nicht benutzbar ist. „Eigentlich sollte der Container vor einem Jahr abgeholt werden“, sagt Stolle, „aber der Umbau unseres Freizeithauses verzögerte sich. Darum müssen wir in dem Bau Lerngruppen unterrichten.“

Container sind Mangelware

Allerdings ist es keineswegs so, dass der baufällige und feuchte Container aus dem Verkehr gezogen wird, wenn er an der Schule nicht mehr benötigt wird: „Der wird dann saniert und weiter benutzt“, sagt Horst Lorenz, der Leiter des zuständigen Spandauer Schulamtes. Container seien berlinweit Mangelware, weshalb man auf keinen einzigen verzichten könne. Die Vermieter der Container seien dafür zuständig, sie für den Weiterbetrieb herzurichten.

"Nichts hält länger als ein Provisorium“

„Nichts hält länger als ein Provisorium“, sagt auch die Bildungsstadträtin von Reinickendorf, Katrin Schultze- Berndt (CDU). Im ältesten MUR ihres Bezirks, einem Modell von 1968 findet ebenfalls bis heute Unterricht statt.

Stefanie Remlinger von den Grünen fragt sich angesichts der uralten Provisorien, „ob da überhaupt überall noch gültige Baugenehmigungen vorliegen und wie lange die noch stehen sollen“. Für sie spiegelt sich in der Gebäudesituation „die mangelnde Wertschätzung für das Thema Bildung, genauer gesagt die fehlende Sensibilität für den Einfluss der Gebäude und der Architektur auf die Gesundheit, den Lernerfolg und das Lernverhalten der Kinder“.

Der Knöterich hat sich zwischen die Wände der Alt Lankwitzer Grundschule geschoben. Zurückschneiden hilft schon lange nicht mehr.
Der Knöterich hat sich zwischen die Wände der Alt Lankwitzer Grundschule geschoben. Zurückschneiden hilft schon lange nicht mehr.

© Karin Retzke

Eine gewisse Berühmheit erlangt haben inzwischen die maroden Altbauten der Alt Lankwitzer Grundschule. Wie berichtet, hat sich dort seit 2008 der Knöterich zwischen die Fugen gedrängt, neuerdings auch Efeu. Die Fugen zwischen den Betonplatten sind somit nicht mehr dicht.

Der Senat sieht sich nicht zuständig für die MURs. Den Bezirken obliege deren Unterhaltung, stellte Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) in seinem Bericht an den Hauptausschuss klar. Warum Rackles den Abgeordneten eine Liste überließ, die stellenweise veraltet war, ließ sich am Dienstag nicht klären. Möglicherweise hatten die Bezirke keine aktualisierten Übersichten zugearbeitet.

Berlinweite Beispiele für marode Schulen werden zurzeit für den sogenannten Adventskalender gesammelt, der an die Landespolitiker adressiert ist. Vorschläge nimmt wieder der Bezirkselternausschuss Steglitz-Zehlendorf entgegen. Mails an: vorstand@bea-sz.de.

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