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Franziska Giffey (SPD) hat sich von Heinz Buschkowsky emanzipiert.

© picture alliance / dpa

Nach der Berlin-Wahl: Die Gewinner und Verlierer

Manche Politiker stehen jetzt vor einem Trümmerfeld, andere erleben ein Hoch. Eine Übersicht zu Gewinnern und Verlierern.

Für ein paar Berliner Politiker hat sich mit dem sonntäglichen Wahlabend alles verändert. Große Erfolge, harte Niederlagen. Hier die größten Gewinner und Verlierer der Wahl.

Die Gewinner der Berlin-Wahl:

Franziska Giffey (SPD) - Vom Übervater emanzipiert

Auf den ersten Blick könnte man Neuköllns Bürgermeisterin für eine Wahlverliererin halten: Zwölf Prozent trennen sie vom Ergebnis ihres SPD-Vorgängers Heinz Buschkowsky.

Der hatte 2011 fast 43 Prozent eingefahren, jetzt sind es nur noch 30,5 Prozent für die SPD. Dennoch ist das immer noch das zweitbeste SPD-Bezirksergebnis: Nur Helmut Kleebanks SPD in Spandau schnitt besser ab (33,3). Allerdings ist Kleebank schon fünf Jahre im Amt, während Giffey nur ein Jahr Zeit hatte, sich als Bürgermeisterin zu profilieren, zumal Buschkowsky ihr mitten im Wahlkampf in den Rücken fiel, als er ihr den Besuch der Dar-as-Salam- Moschee ankreidete.

„Vielleicht wäre das Ergebnis sonst besser gewesen“, macht die 38-Jährige keinen Hehl aus ihrer Verärgerung über diese Attacke. Angesichts der 43 Prozent Buschkowskys erinnert Giffey daran, dass er dieses Rekordergebnis erst zum Ende seiner politischen Laufbahn einfuhr. Als er sich zu Anfang, im Jahr 1992, in einer ähnlichen Situation wie Giffey befand, weil er dem beliebten Frank Bielka gefolgt war und sich erstmals selbst dem Wähler stellen musste, verlor er seinen Posten an die CDU.

Sebastian Czaja (FDP) - Eingeflogen über den Flughafen Tegel

Vor ihrem Desaster war die FDP nur noch Steuersenkungspartei. Diesmal, in Berlin, setzte sie sich wieder monothematisch in Szene – und konnte ihr blamables Ergebnis von 2011 fast vervierfachen. Klar, dass nun mehr kommen muss als die trotzige und kaum durchsetzbare Forderung, einen innerstädtischen Ausweichflughafen offenzuhalten.

Tegel sei ja vor allem Symbol, nimmt der Chef der Bundespartei, Christian Lindner, die Kurve. Für den „Zukunftswillen der Stadt, ihre Öffnung zur Welt“. Und Berlins neuer FDP-Star Sebastian Czaja, mit dem die Liberalen wieder zwölf Sitze im Abgeordnetenhaus erobert haben, redet auch lieber von der „funktionierenden Stadt“. 

Er will bessere Infrastruktur, Innovation, Digitalisierung. Es könne nicht angehen, dass man „eher auf der Straße Drogen kriegt als einen Termin im Bürgeramt“. Dazu der Befund, dass Rot-Rot-Grün die „denkbar falscheste Konstellation für diese pulsierende Weltstadt“ sei. Aus dem Wahlkampfmodus scheint der 33-Jährige noch nicht ganz raus zu sein.

Bernd Schlömer (FDP) - vom sinkenden Schiff aufs rettende Boot

Bernd Schlömer ist ein Coup gelungen: Der einstige Piratenchef hat es geschafft, rechtzeitig vom sinkenden Schiff der Partei abzuspringen und entgegen der <SB190,65,140>Vermutung vieler die richtige Richtung einzuschlagen: Als Spitzenkandidat der FDP im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zieht er nun ins Abgeordnetenhaus ein. 2013 war er aus der Piratenpartei aus- und 2015 in die FDP eingetreten.

Nun wurde er über die Bezirksliste der Liberalen gewählt. Im Direktwahlkreis 5 bekam er allerdings nur 3,2 Prozent der Stimmen. Nach Mitternacht hatte er erfahren, dass er unter den künftigen zwölf FDP-Abgeordneten ist: „Ich bin drin #agh16“, twitterte er um 1.38 Uhr und teilte später mit: „Ich freue mich wahnsinnig.“ Schlömer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der 45-Jährige ist Sozialwissenschaftler und Kriminologe und im Aufbaustab für einen Cyber- und Informationsraum des Verteidigungsministeriums tätig. Im AGH will er sich künftig für eine moderne Verwaltung – Stichwort „Digitales Bürgeramt“ – und Datenschutz starkmachen.

Riza Cörtlen (Die Partei) - Abwasser reinigen im Görlitzer Park

Riza Cörtlen ist für die Satirepartei „Die Partei“ in die Bezirksversammlung Friedrichshain-Kreuzberg eingezogen. Ein Gespräch über seine politischen Ziele.

Was wollen Sie verändern?
Wir brauchen einen sanften Tourismus mit klaren Regeln wie: Touristen müssen Angestammten auf dem Bürgersteig ausweichen. Der Tourismus hat unerträgliche Formen angenommen. Wir verwüsten doch auch nicht Mallorcas Strände und saufen dort den ganzen Tag.

Wie lösen Sie die Probleme im Görlitzer Park?
Der Park soll ein Rieselfeld werden, also eine Fläche, auf der Abwasser natürlich gereinigt wird. Das würde auch die Mieten senken und die Drogendealer in die umliegenden Straßen vertreiben.

Was soll aus den Flüchtlingen in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule werden?
Die dürfen dort bleiben. Nur in den Pausen müssen sie raus. Und natürlich in den Ferien, vielleicht können sie da an einen Ski-Kurort fahren.

Werden Sie mit der AfD zusammenarbeiten?
Nein, so wie wir auch nicht mit den Backpfeifen der Altparteien arbeiten. Das macht doch alles keinen Unterschied. Auch die SPD-Abgeordneten wurden von Idioten demokratisch gewählt.

Die Verlierer der Berlin-Wahl

Thomas Heilmann hat seinen Sitz im Abgeordnetenhaus gegen Matthias Kollatz-Ahnen verloren.
Thomas Heilmann hat seinen Sitz im Abgeordnetenhaus gegen Matthias Kollatz-Ahnen verloren.

© dpa

Thomas Heilmann (CDU) - Glückloser Quereinsteiger

Der Seiteneinsteiger von 2009, erfolgreich als Mitgründer der Werbeagentur Scholz & Friends, steht nach sechs Jahren in der Berliner Politik mitten in einem Trümmerfeld. In direkter Konkurrenz um einen Sitz im Abgeordnetenhaus hat Heilmann gegen den SPD-Senator Matthias Kollatz-Ahnen verloren

Vielversprechend hatte Heilmann er 2009 in der Berliner Politik angefangen. Im Wahlkampf 2011 half er Henkel bei der Weiterentwicklung weg vom verbalradikalen innenpolitischen Kraftmenschen, den man bloß im Abgeordnetenhaus kannte, hin zum Berlin-verliebten Spitzenkandidaten im schwarzen Polo-Hemd. 

Heute sagen Parteifreunde über Heilmann, dass er einen Anteil an der Niederlage habe – als Wahlkampfmanager, aber auch als Senator für Justiz und Verbraucherschutz, der in seinem Ressort nicht wirklich gepunktet habe. Heilmann überlegt offenbar noch, ob er der Berliner Politik überhaupt weiter verbunden bleiben will. Sollte es ihn in den Bundestag ziehen, wird er um einen Listenplatz kämpfen müssen.

Sandra Scheeres (SPD) - Senatorin ohne Sitz im Parlament

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) reagierte ziemlich gelassen darauf, dass sie ihren Sitz im Abgeordnetenhaus verloren hat. „Ich finde es nicht toll, das kann man sich nicht schönreden“, sagte sie am Montag, aber die Stimme klang fröhlich. Sie werde jetzt „ganz normal“ ihre Arbeit, in der Chefetage der Senatsbildungsverwaltung, weitermachen.Und dann – mal schauen. Bis der neue Senat gebildet ist, werden schließlich noch einige Wochen vergehen. 

Scheeres ist offenbar relativ zuversichtlich, auch dem nächsten Kabinett anzugehören. „Ich habe meinen Job bisher doch ziemlich gut gemacht.“ Im Übrigen habe sie eine solide Berufsausbildung als Diplom-Pädagogin. 

Den Wahlkreis 5 in Pankow, den Scheeres (2006 und 2011) zwei Mal gewann, musste sie dieses Mal an den Linken-Fraktionschef Udo Wolf abgeben, der mit 220 Stimmen Vorsprung vorne lag. Es sei ihr von Beginn des Wahlkampfs an klar gewesen, so Scheeres, „dass es ein heißes Tänzchen mit dem Kandidaten der Linken geben wird“. 

Die Niederlage führt die Bildungssenatorin keinesfalls auf ihre Schulpolitik zurück, die nicht alle gut finden. Im Wahlkampf habe in Pankow eher das Mietenthema dominiert, „und ich habe natürlich auch den negativen Landestrend zu spüren bekommen“.

Jan Stöß (SPD) - vom Landeschef zum Polit-Außenseiter

Es hat ihn voll erwischt. Bis zum Mai war Jan Stöß noch SPD-Landeschef, mit Aussicht auf ein Parlamentsmandat nach der Wahl am 18. September. Jetzt muss sich der Verwaltungsrichter politisch neu sortieren. Zumal er im Juli auch die Funktion des Sprechers der Berliner SPD-Linken abgegeben hat. 

Den Wahlkreis 2 in Mitte verlor Stöß deutlich gegen die frühere Linken-Sozialsenatorin Carola Bluhm. Der Landestrend – SPD runter, Linke rauf – sprach gegen ihn. Der Platz 3 auf der SPD-Bezirksliste reichte wiederum nicht, um doch noch ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. 

Am Montagmorgen reiste der SPD-Linke, der noch dem Bundesvorstand der Sozialdemokraten angehört, erst einmal zum Parteikonvent nach Wolfsburg, wo die Genossen über die Freihandelsabkommen CETA abstimmten. Stöß gehört zu den erklärten Gegnern und twitterte: „Wir schaffen das“. Ob er sich in der Berliner Landespolitik noch mal einsortieren kann, ist derzeit offen. Existenzielle Sorgen muss er sich als Richter auf keinen Fall machen. 

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