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Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verfügte, dass keine Asylbewerber mehr in Cottbus untergebracht werden.

©  Bernd Settnik / dpa

Nach Prügeleien zwischen Jugendgruppen: Cottbus nimmt keine Flüchtlinge mehr auf

Brandenburgs Innenminister verfügte nach einem Krisentreffen, dass keine Asylbewerber mehr in der Stadt untergebracht werden. Er zieht Konsequenzen aus Auseinandersetzungen unter Jugendgruppen.

Seit Monaten brodelt es in Cottbus, die Lage ist angespannt, nicht wenige in der Stadt sagen, sie kippt. Es gab Prügeleien zwischen deutschen und syrischen Jugendgruppen. Hinzu kommt eine selbstbewusste rechtsextreme Szene, ein Mischung aus Neonazis, Kampfsportlern, Hooligans und Rockern.

Dann die vielen Demonstrationen von rechten Bürgerinitiativen mit der AfD gegen eine angebliche Überfremdung. Nirgends sonst in Brandenburg gab es mehr Teilnehmer. Bei den Demonstrationen wurden auch Neonazis geduldet. Dann fuhr die AfD als stärkste Kraft bei der Bundestagswahl mit 24 Prozent mehr Zweitstimmen ein als die CDU.

Deren Landeschef Ingo Senftleben warnte jüngst sogar vor einem Flächenbrand, der sich in Cottbus entzünden könnte, ausgelöst von der AfD. Und Silvester dann machten Rechte Jagd auf Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft. Der Wachdienst schritt erst spät ein. Dann wurde bekannt, dass bei der Sicherheitsfirma offenbar auch Rechtsextreme arbeiten.

Andere Kommunen könnten folgen

In dieser Situation hat sich nun die Landesregierung eingeschaltet – nach zwei Attacken von jugendlichen Syrern binnen weniger Tage. Was ist da los in Cottbus? Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verfügte am Freitag nach einem Krisentreffen, dass keine Asylbewerber mehr aus der Zentralen Aufnahmestelle des Landes in Cottbus untergebracht werden.

Andere Kommunen könnten folgen. Zugleich äußerte Schröter Bedenken gegen den Familiennachzug. Wen dieser eine Chance haben solle, müsse der Bund dafür sorgen, dass in den Städten und Gemeinden für die Familien auch die Voraussetzungen stimmen.

Auseinandersetzungen zwischen deutschen Jugendlichen und jungen Migranten gab es schon häufiger, vor allem im Zentrum rund um den Vorplatz der Stadthalle. Dort trafen sich Trinker, das Drogenmilieu, die rechte Szene, Jugendliche und eben auch Flüchtlinge. Eine explosive Mischung. Die Stadt hatte deshalb bereits ein Alkoholverbot für die Gegend erlassen, die Polizei richtete eine Videoüberwachung ein.

Auf dem Vorplatz der Stadthalle Cottbus war es in jüngster Zeit immer wieder zu teils blutigen Auseinandersetzungen gekommen.
Auf dem Vorplatz der Stadthalle Cottbus war es in jüngster Zeit immer wieder zu teils blutigen Auseinandersetzungen gekommen.

© picture alliance / Anna Ringle/dpa

Konkret waren es zwei Vorfälle, die Schröter zum Anlass nahm. Am Mittwoch waren zwei 15 und 16 Jahre alte Syrer mit deutschen Jugendlichen in Streit geraten, von denen wurde einer mit einem Messer im Gesicht, an der Hand und am Bein verletzt. Die beiden Syrer wurden gefasst und kamen in Untersuchungshaft.

Einer der Syrer bereitet auch an der Schule Probleme, er soll sich gegenüber Lehrerinnen aggressiv verhalten haben. Und einer stand schon vor einem Jugendrichter, der Auflagen anordnete. Das Jugendamt wollte den jungen Syrer sogar auf einer Jugendstation unterbringen, das Familiengericht wies das zurück.

Einer der beiden soll zudem ein paar Tage zuvor an einer Attacke von drei jungen Syrern auf ein Ehepaar beteiligt gewesen sein. Die 14, 15 und 17 Jahre alten Jugendlichen hatten an einem Einkaufszentrum von dem Paar den Vortritt und von der 43 Jahre alten Frau Respekt gefordert. Sie lehnte ab, dann griffen die Jugendlichen den Mann an, einer zückte ein Messer. Ein Passant schritt ein. Teils waren die Täter der Polizei wegen anderer Gewaltdelikte aufgefallen.

Leserbriefe: "Recht auf sichere Heimat"

Innenminister Schröter sprach von beschämenden Vorfällen, die Konsequenzen haben müssten. „Hier findet bei mir jede Toleranz ein Ende. Alles andere kann und werde ich keinem Bürger in Cottbus erklären“, sagte Schröter. Selbst wenn es Einzelfälle sind – die Stimmung in der Stadt ist vergiftet.

Die „Lausitzer Rundschau“ veröffentliche am Freitag eine Reihe von Leserbriefen. „So kann es nicht weitergehen“, stand da. Oder: „diese ignoranten und respektlosen Flüchtlinge“, „Recht auf eine sichere Heimat“, „Problemasylant“. Mehr als 3000 anerkannte Flüchtlingen gibt es in Cottbus – bei etwas mehr als 100 000 Einwohnern.

Zu der Stimmung passt ein anderer Fall. Die Messerattacke vom Mittwoch ist durch ein Bild bei Facebook öffentlich geworden. Ein Polizist postete interne Daten. Das ist Geheimnisverrat. Nun läuft gegen ihn ein Disziplinarverfahren.

Polizei in Cottbus aufgestockt

Innenminister Schröter hat nun auch die Polizei in Cottbus aufgestockt. Es soll mehr Streifen geben, mehr Zivilfahnder. Das Rathaus schickt mehr Mitarbeiter des Ordnungsamtes hinaus, mehr Sozialarbeiter an die Schulen, an denen es Probleme mit Flüchtlingskindern gibt.

Die CDU im Landtag fordert, die Regierung müsse die Wohnsitzauflage für Asylbewerber wieder einführen und Städte wie Cottbus finanziell besser ausstatten. Der Abgeordnete Michael Schierack sagte: „Cottbus ist durch die überproportionale Aufnahme von Flüchtlingen längst an seine Grenzen gestoßen.“ Um die Integration zu meistern, seien Wohnungen, Sozialarbeiter und Betreuer nötig.

Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg vermisst vom Innenminister klare Worte zur rechten Gewalt. Cottbus sei in den vergangenen Jahren ein Hotspot rechter Strukturen und Angriffe auf Geflüchtete gewesen. Der Verein Opferperspektive spricht sogar von enthemmter rassistischer Gewalt, die seit 2016 in Cottbus herrsche. Dies blende Schröter völlig aus und fische am rechten Rand, sagte Domazet. Auch Flüchtlinge seien Bürger in Cottbus, „deren Sicherheit dort immer wieder gefährdet“ sei.

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