zum Hauptinhalt
Stadtentwicklungssenator Michael Müller wirbt beim zweiten Mitgliederforum der SPD in eigener Sache: Er will Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister nachfolgen. Die SPD-Basis in Berlin entscheidet.

© Britta Pedersen/dpa

Nachfolge von Klaus Wowereit in Berlin: Michael Müller: "Wohnen ist keine Ware"

Michael Müller will Regierender Bürgermeister werden. Er meint: Berlin ist ein Sehnsuchtsort. Um die Stadt auf Kurs zu halten, muss ihre innovative Wirtschaft weiter wachsen. Ein Gastbeitrag.

Berlin ist in. Immer mehr Menschen kommen, um hier zu leben und zu arbeiten. Berlin ist ein Sehnsuchtsort geworden, weil viele, vor allem junge Menschen, in Berlin ihre Träume verwirklichen wollen. Sie kommen, weil sie glauben, dass das hier geht. Und so ist es: Berlin bietet die Räume, die Freiheiten und die Chancen, um sich zu entfalten. Wir sind eine prosperierende Metropole. Berlin wird in einem Atemzug genannt mit London, Paris und New York. Wir sind die junge und attraktive Hauptstadt. Und wir sollten das selbstbewusst leben.

Doch diese Attraktivität bewahrt sich Berlin nur, wenn es sich eben nicht entwickelt wie andere Metropolen. Berlin muss Berlin bleiben: frei, bezahlbar, spannend. Nur so kann die Stadt ihrem Versprechen gerecht werden – eine Heimat für alle zu sein. Für alle, die hier leben und hierherkommen.

Die Arbeitslosigkeit in Berlin muss überwunden werden - durch eine innovative Wirtschaft

Die Entwicklung der letzten Jahre macht Mut. Unsere Wirtschaft wächst nachhaltig, die Arbeitslosigkeit hat sich seit 2005 halbiert, gleichzeitig sind die Arbeitseinkommen um fast 20 Prozent gestiegen, ebenso die Steuereinnahmen. Aber auch, wenn die Arbeitslosenzahl jüngst unter 200 000 gesunken ist, bleibt eines für mich klar: Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Mein Ziel ist die Überwindung der Arbeitslosigkeit. Ich scheue mich als Sozialdemokrat nicht, das Wort „Vollbeschäftigung“ in den Mund zu nehmen. Es gibt Regionen in unserem Land, in denen das möglich ist. Diesen Anspruch müssen wir auch haben: Berlin muss eine Stadt der Arbeit werden.

Das kann uns in einer solidarischen Stadt gelingen, mit einer engagierten Bürgergesellschaft, die gemeinsam die Chancen unserer positiven wirtschaftlichen Entwicklung nutzt. Und weiter ausbaut.

Die gute Entwicklung Berlins ist in erster Linie das Verdienst der Menschen, die hier leben und arbeiten. Auch der SPD-geführte Senat hat in den letzten 13 Jahren einen entscheidenden Beitrag für den Aufschwung geleistet. Eine kluge Mischung aus Wirtschafts-, Wissenschafts-, Kultur- und Stadtentwicklungspolitik hat die Basis für die dynamische Entwicklung der Stadt gelegt. Wir haben einen Mentalitätswechsel angekündigt und durchgesetzt. Das war nicht immer leicht – ich erinnere mich gut, wie umstritten die Haushaltskonsolidierung war. Ich habe diesen Prozess mitgestaltet und bin heute froh, dass Berlin die Talsohle durchschritten hat und wir mit Perspektive nach vorn schauen können. Denn solide Finanzen sind die Basis von politischer Entscheidungsfreiheit. Das haben die Berlinerinnen und Berliner erarbeitet. Dafür haben sie Opfer gebracht, zum Beispiel im Solidarpakt mit Lohnverzicht. Jetzt stimmt die wirtschaftliche Dynamik. Heute gilt es, die richtigen Entscheidungen zu treffen für die öffentliche Infrastruktur, für staatliche Dienstleistungen und für eine vorausschauende Wirtschaftspolitik.

Um Berlin auf dem richtigen Kurs zu halten, müssen wir unsere Erfolgsfaktoren weiter stärken. Dazu gehören nicht nur Räume für Ansiedlungen, sondern auch bezahlbare Wohnungen, eine bundesweit vorbildliche Kita-Versorgung, eine abwechslungsreiche Kultur- und Wissenschaftslandschaft sowie die typische Berliner Mischung als unentbehrliche Standortfaktoren.

Die Grundlage meiner Politik ist das Leitbild einer wirtschaftlich starken und solidarischen Stadt der Arbeit. Dafür werde ich folgende Schwerpunkte setzen:

1. Stadt der Arbeit: Innovative Wirtschaft

In Berlin sind in den letzten Jahren 150 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden – in innovativen Bereichen der Medizin, in der Informationstechnologie, aber auch im Verkehr, im Tourismus und im Dienstleistungsbereich.

Das muss weitergehen: Wir haben eine europaweit einzigartige Forschungs- und Wissenschaftslandschaft, daraus wachsen tagtäglich neue Unternehmen mit zukunftsfähigen Arbeitsplätzen wie zum Beispiel in Adlershof oder im Clean Tech Park für grüne Technologien in Marzahn.

Es geht darum, Zukunftstechnologien zu entwickeln und anzuwenden, um die führende Smart City Europas zu werden. Dabei spielt die Nachnutzung des Flughafens Tegel eine herausragende Rolle. In Berlin können die Technologien entwickelt werden, mit denen wir auf den Weltmärkten konkurrenzfähig sind. Wir können die Zukunftskonzepte für Gesundheit, Mobilität, IT und das, was unter dem Stichwort Industrie 4.0 läuft, hier in Berlin realisieren. Moderne Netze, ressourcensparsamer und günstiger Zugang zu Energie werden dabei für Unternehmen und die Berlinerinnen und Berliner immer wichtiger. Smart Grid, Power to Heat, E-mobility sind nur einige Begriffe des zukünftigen Umgangs mit Energie. Wir haben entschieden, die Energienetze wieder zurück in die kommunalen Hände zu legen. Unsere Rekommunalisierung sichert mit dem Ausbau intelligenter Netze die Basis einer zukunftsfähigen, klimaverträglichen und nachhaltigen Energieversorgung für die Industrien und Dienstleistungen der Zukunft.

Aber: Wirtschaftlicher Erfolg muss auch bei den Menschen ankommen. Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, dennoch treffe ich immer wieder Menschen, die den Anschluss verloren haben. Ihr Schicksal ist mir nicht gleichgültig. Politik und Wirtschaft müssen hier gemeinsam helfen. Der Schlüssel liegt in echter Weiterqualifizierung. Lohnkostenzuschüsse werden oftmals genauso wichtig sein wie eine intensive Betreuung beim Wiedereinstieg ins Berufsleben. Und eins sage ich deutlich: Der Mindestlohn ist noch nicht gute Arbeit – er ist eben das Minimum. Eine erfolgreiche Wirtschaft wird für gute Arbeit auch gutes Geld bezahlen.

Auf der nächsten Seite äußert sich Michael Müller zum Thema Wohnen.

Stadtentwicklungssenator Michael Müller wirbt beim zweiten Mitgliederforum der SPD in eigener Sache: Er will Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister nachfolgen. Die SPD-Basis in Berlin entscheidet.
Stadtentwicklungssenator Michael Müller wirbt beim zweiten Mitgliederforum der SPD in eigener Sache: Er will Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister nachfolgen. Die SPD-Basis in Berlin entscheidet.

© Britta Pedersen/dpa

2. Soziales Berlin: Bezahlbares Wohnen

Auch andere Rahmenbedingungen müssen stimmen, damit Berlin Heimat für alle sein kann. Eine Stärke der Stadt sind bezahlbare Mieten. Aber: Viele Menschen machen sich jetzt darum Sorgen und sprechen mich darauf an. Meine Antwort lautet: Erstens: Bauen, bauen, bauen. Ökologisch verträglich, sozial und in die Kieze passend. Zweitens: Mieten stabilisieren, mehr Ordnung auf dem Wohnungsmarkt schaffen.

Eine Antwort auf steigende Mieten in Berlin lautet: Bauen, bauen, bauen

Da habe ich als Bausenator viel erreicht. Voraussichtlich 20 000 Baugenehmigungen werden in diesem Jahr erteilt. Fast doppelt so viel wie 2013. Wir fördern wieder den sozialen Wohnungsbau, unsere Wohnungsbaugesellschaften werden ihren Bestand bis 2016 von 270 000 auf 300 000 kommunale Wohnungen erhöhen. Auch private Investoren erhalten strikte Auflagen zum Erhalt der Berliner Mischung. Dem Bund habe ich letzte Woche ein Angebot unterbreitet, 4000 bundeseigene Wohnungen zu übernehmen, damit diese nicht zu Spekulationsobjekten werden. Denn Wohnen ist keine Ware.

Gleichzeitig regulieren wir den Wohnungsmarkt. Wir bekämpfen die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnungen genauso wie Abriss und spekulativen Leerstand. Mit der neuen Mietpreisbremse werden wir die Mietsteigerungen deutlich dämpfen. Den Kündigungsschutz bei Umwandlung in Eigentumswohnungen haben wir auf zehn Jahre erhöht. Aber allein im letzten Jahr wurden 9000 Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Hier werde ich als Regierender Bürgermeister den Koalitionspartner fordern: Die CDU muss ihren Widerstand gegen das Umwandlungsverbot aufgeben.

3. Vielfalt leben: Gemeinsam und frei

Wir sind die internationalste Stadt in Deutschland. Das ist ein Standortvorteil. Aber ich verschließe nicht die Augen vor den Schwierigkeiten, die uns aus der Aufgabe der Integration und der Schaffung von echten Aufstiegsmöglichkeiten für alle erwachsen. Ich werde als Regierender Bürgermeister jeder Form von Rassismus und Diskriminierung entschieden entgegentreten. Freiheit, Selbstbestimmung und persönliche Sicherheit gelten für jeden Menschen – egal welche Hautfarbe, Herkunft, Konfession oder sexuelle Orientierung man hat. Menschenrechte sind unteilbar, bei ihrer Durchsetzung kenne ich kein Pardon.

Gleichwohl weiß ich auch, dass es im konkreten Fall immer wieder zu Konflikten kommt. Das haben wir zuletzt beim Umgang mit den Flüchtlingen gesehen. Für die Flüchtlinge menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen ist mir genauso wichtig wie die Schaffung von Rechtssicherheit und Arbeit für alle, die hier dauerhaft leben. Diese Integrationsarbeit ist vor dem Hintergrund des – auch in Berlin – zu befürchtenden Zuspruchs für rechtspopulistische Parteien wichtig.

Ich werde kein "Regierender Moderator" sein

Ich will keine AfD oder andere populistische Parteien in unserem Parlament. Dumpfe Parolen und leere Versprechungen verlieren sich da, wo die Menschen Vertrauen haben und das gewinnen wir nur durch echte Teilhabechancen und sozialen Aufstieg für alle – ganz gleich welcher Herkunft. Es reicht nicht wohlfeil zu sagen, dass wir auf niemanden verzichten können, wir müssen auch alle danach handeln. Wir müssen die Kinder fördern und dafür auch immer öfter die Eltern fordern. Nur Teilhabe an Bildung, Arbeit und gesellschaftlichem Leben sind der Schlüssel für friedliches Zusammenleben, gute Nachbarschaft und die Nutzung aller Potenziale Berlins. Daran hängt auch der wirtschaftliche und demokratische Erfolg unserer Stadt. Vieles ist erreicht, aber wir werden weitermachen, mit der Einrichtung vieler zusätzlicher Kita-Plätze, mit der Senkung der Schulabbrecherquote durch Einstellung von mehr Lehrerpersonal sowie mit mehr Geld für die sogenannten Brennpunktschulen. Dazu gehören übrigens auch Investitionen in Beton: Sanierte und neu gebaute Schulen und Kitas oder auch mehr Wohnungen sind eben auch notwendige Investitionen in die soziale Gerechtigkeit.

4. Gutes Regieren: Anders führen und entscheiden

Eine erfolgreiche Stadt muss gut regiert werden. Auch Tempelhof hat mir gezeigt: Moderne Politik muss heute anders führen und entscheiden. „Bastapolitik“ hat ausgedient. Gutes Regieren heißt Partizipation, Dialog, Offenheit. Das ist keine bloße Stilfrage, sondern eine wichtige Aufgabe zur Erneuerung und Weiterentwicklung unserer Demokratie.

Ich möchte für eine neue Beteiligungskultur stehen. Das werde ich beim Bewerbungsprozess für Olympia zeigen. Mit mir wird die Bewerbung um die mögliche Durchführung der Spiele kein Projekt einiger weniger sein, sondern eines der Berlinerinnen und Berliner. Dabei werde ich besonders darauf achten, dass nicht nur die wortmächtigen Gruppen ihre Interessen wahrnehmen, sondern auch die, die sich in wichtigen Fragen bisher nicht artikuliert haben oder es nicht können.

Gutes Regieren verlangt auch eine gut aufgestellte Verwaltung. Wir werden die gewonnenen finanziellen Spielräume nutzen, wieder in junge Nachwuchskräfte zu investieren. Wir werden und wollen neu einstellen, Laufbahnen öffnen, unsere Auszubildenden dauerhaft in den öffentlichen Dienst übernehmen und eine professionelle Verwaltung organisieren, die sich durch ausreichend gutes Personal den veränderten Aufgaben der wachsenden Stadt widmen kann. Anfangen werden wir dort, wo die Menschen auf unsere Dienstleistungen dringend angewiesen sind – wie in den Bürgerämtern und Elterngeldstellen.

Ich weiß, es wird nicht einfach, die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Aber es ist mein Anspruch für Berlin. Gute Infrastruktur, bezahlbare Wohnungen, Bildung für alle und gutes Regieren sind die Erfolgsfaktoren, auf die wir setzen müssen und für die ich täglich arbeiten werde. Nur so wird Berlin zu einem attraktiven und erfolgreichen Wirtschaftsstandort – zu einer solidarischen Stadt der Arbeit.

Als Berliner durch und durch kenne ich meine Heimatstadt. Ich weiß, wie sie tickt. Mal charmant, mal bärbeißig, mal frech, gern auch ein wenig sentimental, aber immer quicklebendig.

Regierender Bürgermeister dieser Stadt zu sein ist eine große, verantwortungsvolle und schöne Aufgabe. Ich will dieses Amt neu ausfüllen: sachlich sein, Bodenhaftung behalten, Probleme erkennen und geduldig lösen, die aktive Bürgerschaft als Partner gewinnen. Aber klar ist: Ich werde kein „Regierender Moderator“ sein. Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen – für Berlin und die Menschen dieser Stadt.

Michael Müller ist Senator für Stadtentwicklung und Umwelt. Er kandidiert innerhalb der SPD für die Nachfolge von Klaus Wowereit. An den beiden vergangenen Sonntagen kamen seine Gegenkandidaten Raed Saleh und Jan Stöß zu Wort.

Michael Müller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false