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Tropfen und Hufeisen. Das Entschlüsseln und Schreiben der arabischen Schriftzeichen ist die Grundlage der Sprachkurse, die Lehrer wie Otmane Lihiya an den Berliner Volkshochschulen anbieten.

© Mike Wolff

Nachfrage gestiegen: Arabischkurse in Berliner Volkshochschulen sind ausgebucht

Rollendes „R“ und kehlige Laute: Arabisch lernen ist gar nicht so leicht. Schon die Schrift ist ein Kunstwerk für sich. Trotzdem wagen sich immer mehr Berliner an die Sprache. Viele wollen damit Flüchtlinge willkommen heißen.

„Shukran, shukran“, hörten die Flüchtlingshelfer am Lageso oft bei der Kaffeeausgabe. Und verstanden „Sugar, sugar“. Statt den Dank der Geflüchteten zu verstehen, kam bei vielen Helfern nur die Forderung nach mehr Süße im Heißgetränk an – fälschlicherweise. „Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Sprache interkulturelle Hürden schaffen, aber auch wieder auflösen kann“, sagt Otmane Lihiya, Arabisch-Lehrer und Dozent für interkulturelle Kommunikation.

Die jüngst entfachte Debatte um Deutsch-Kurse für Flüchtlinge zeigt die Wichtigkeit, die Sprache bei der Integration hat. Dass das nicht nur für Flüchtlinge gilt, zeigt ein neuer Trend: Immer mehr Deutsche lernen Arabisch. Die Kurse in den Berliner Volkshochschulen (VHS) sind ausgebucht. „Mit dem Arabischen Frühling hat das angefangen“, sagt Bärbel Schürrle, Leiterin der VHS Friedrichshain-Kreuzberg, „aber seitdem immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, ist die Nachfrage noch deutlicher gestiegen“. Von einer Vervierfachung der Kurse spricht Petra Zeigler, Programmbereichsleiterin für Fremdsprachen in der VHS Neukölln. Margret Tietje macht den gleichen Job in der VHS Tempelhof-Schönefeld und sagt: „Wir haben genauso viele Interessierte auf den Wartelisten wie Teilnehmer in den Kursen. Das ist explodiert in der letzten Zeit.“

Man braucht die Sprache

Otmane Lihiya begrüßte vor Kurzem in seiner Klasse wieder zehn neue Schüler mit einem langgezogenen „Salam“, das vielstimmig zurückhallt. 17 der 29 arabischen Laute können deutsche Muttersprachler problemlos aussprechen, sagt der Lehrer. Bei den anderen heißt es dann: üben, üben, üben. Bald schon rollen die ersten R’s, kehlige Laute und volltönende Vokale durch den Seminarraum.

Auch Hannah Daut sitzt in Lihiyas Kurs. Sie ist Kinderkrankenschwester in der Charité. „Ich wollte schon lange Arabisch lernen, aber da ich jetzt beruflich mit vielen Flüchtlingen zu tun habe, habe ich mich endlich mal zu einem Kurs angemeldet.“ Die Verständigung mit den meisten Patienten gelinge notfalls auch mit Händen und Füßen, sagt Daut, „aber gerade wenn es um Sorgen und Bedürfnisse der Patienten geht, da braucht man dann Sprache“. Über ihren Lernerfolg mache sie sich keine Illusionen. „Das wird richtig schwer. Aber es geht mir vor allem um einen ersten Eindruck und eine Grundlage. Ich stehe mit den Menschen immer gleich auf einer ganz anderen Ebene, wenn ich ein paar Brocken ihrer Sprache kann.“ Ihre Patienten würden sich dann sicherer fühlen, verstanden, weniger fremd.

Arabische Schriftzeichen entschlüsseln

Die meisten ihrer Bekannten habe es überrascht, dass sie Arabisch lerne, meint eine andere Teilnehmerin. „Viele haben gesagt, das ist doch eine hässliche Sprache. Ich finde sie aber wunderschön.“ In Lihiyas Kurs sitzt sie vor allem wegen der Familienplanung: „Mein Mann und ich überlegen, ein geflüchtetes Kind zur Pflege aufzunehmen. Ich gehe davon aus, dass es wohl aus dem arabischen Raum kommen wird.“

Arabische Schriftzeichen.
Arabische Schriftzeichen.

© Mike Wolff

Erst einmal heißt es aber: Die arabischen Schriftzeichen entschlüsseln. Ein paar Stühle weiter müht sich Klaus Labonté mit den arabischen Buchstaben. „Die sind der Horror!“, sagt er. Otmane Lihiya schüttelt missbilligend den Kopf. „Die Schrift ist die Seele des Arabischen“, sagt er. Aber die hat es in sich, ist ein Kunstwerk für sich. Wie Tropfen liegen die Buchstaben auf dem Papier, andere wie nach oben offene Hufeisen. Punkte schmücken die Linien, die mal im Halbkreis geschwungen, mal kerzengerade sind. Otmane Lihiya geht im Kreis der Teilnehmer herum und bewertet die nachgemalten Buchstaben. „Das geht nicht!“, sagt er bestimmt und streng, als ein Teilnehmer seine Buchstaben wie gewohnt von links nach rechts schreiben will. „Das ist wie wenn man sich beim Autofahren auf den Linksverkehr umstellt – ganz oder gar nicht.“ Konsequenterweise wird deshalb jetzt auch das ganze Heft umgedreht.

Ein paar Floskeln fürs Fußballspielen wünscht sich Holger Dornberger von dem Sprachkurs. Er trainiert ehrenamtlich Flüchtlinge. "Ich möchte mit Geflüchteten kommunizieren, selbst wenn es auf dem Fußballplatz nur einzelne Wörter sind. Der eigentliche Austausch findet aber meist vor und nach dem Training statt.".

Negative Erfahrungen in den Kursen gab es wenige

Die Volkshochschule Friedrichshain- Kreuzberg war die erste bundesweit, die spezielle Kurse für Flüchtlingshelfer anbot. Auch andere Volkshochschulen übernahmen das Konzept. „Bei den Kursen ging es um die Basics“, erklärt Leiterin Bärbel Schürrle. „Das heißt, die Teilnehmer haben ganz konkrete Sprachbausteine gelernt, die sie für die Arbeit mit den Flüchtlingen brauchten.“

Die arabische Welt sei groß und geteilt, sagt Otmane Lihiya. „Das spiegelt sich in den zahlreichen Sprachvarianten wider, die es im Arabischen gibt.“ In den VHS-Kursen lernen die Teilnehmer Hocharabisch, die Sprache der Gelehrten, der Medien und der Literatur. „Die meisten Syrer oder Menschen mit anderen Sprachvarianten verstehen Hocharabisch“, sagt Lihiya. Umgekehrt könnte es schwieriger werden: „Den syrischen Dialekt etwa wird ein Helfer kaum verstehen, wenn er gerade erst Hocharabisch lernt.“ Trotzdem sei es sinnvoll, sich zunächst ans Hocharabische zu wagen. „An Dialekte kann man sich dann danach anpassen.“

Negative Erfahrungen in den Kursen gab es wenige, sagt Leiterin Bärbel Schürrle. „Menschen, die sich mit salafistischem Gedankengut identifizieren, kommen hier nicht hin.“ Sie gibt jedoch auch zu: „Wahrscheinlich würden diese Menschen ihre Motive auch kaum offen- legen.“ Er habe schon ein, zwei Konvertiten bei sich ihm Kurs gehabt, sagt Otmane Lihiuya. „Aber die haben nach drei bis vier Sitzungen gemerkt, dass das hier kein sakraler Unterricht ist und sind nicht mehr gekommen.“

Jana Luck

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