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Berlin: Donna Cohn-Brandt (Geb. 1951)

Berlin gehörte nicht zum Plan, aber es gab ein Casting für „Cabaret“

On behalf of Captain Martin and our flight crew 534 … welcome you in Berlin … the temperature in the capital city … with sunny skies, partly cloudy … thank you for traveling Windrose Air … have a wonderful successfull day. Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen und erfolgreichen Tag.

Ein kurzer Soundschnipsel mit der Stimme von Donna im Internet. Man fühlt sich wie auf Wolken gebettet. Die Welt fällt ins Paradies zurück. Perfekte Urlaubsstimmung. Wie macht sie das?

Sie kam aus Columbus, Georgia, USA. Ihr Vater, Vieh-Auktionator, holte sie mit einem Lincoln Continental von der Schule ab. Wenn er Zeit hatte. Er hatte selten Zeit. Dennoch hat sie ihn geliebt, nicht nur wegen des Lincolns, des Autos für Präsidenten. John F. Kennedy war in einem offenen Lincoln durch Dallas gefahren.

Wie sie auf die Idee kam, Tänzerin zu werden, hat sie nie erzählt. Es war ihr immer klar, dass sie nur diesen Weg gehen konnte. Er führte zunächst nach Boston und New York zur Ausbildung.

Berlin gehörte nicht zum Plan. Aber es gab ein Casting für das Musical „Cabaret“, und Donna bekam eine Rolle. Nichts Großes, aber das Abenteuer, in eine vom Kommunismus umkreiste Mauerstadt zu ziehen, wog alles auf.

Mit „Cabaret“ wurde das „Theater des Westens“ 1979 nach langer Sanierung wiedereröffnet. Horst Buchholz, die deutsche Antwort auf James Dean, spielte die Hauptrolle. Nach der letzten Aufführung reisten die US-Schauspieler wieder zurück in die Heimat. Donna blieb in Berlin. Sie hatte sich in ein Foto verliebt. Und sie fand es toll, in dieser merkwürdigen Reststadt West-Berlin zu leben. Mit den „bullets in the walls“, den Einschusslöchern aus dem Krieg. Und diesen leckeren „Snitzels“. So was gab es nicht in den USA.

Die Berliner Männer verhielten sich wie Clark Gable und Humphrey Bogart in den Vorkriegsfilmen. Sie hielten Donna die Tür auf, halfen ihr in den Mantel, machten Komplimente, wagten einen dezenten Flirt. Das fand sie superromantisch. Zu Hause in Georgia probierten die Männer eher den direkten Weg zum immer gleichen Ziel.

Donna hatte lange dunkle Locken, braune Augen, eine schlanke Figur, gute Laune. Dann sagte sie mit ihrer weichen Stimme Sätze wie: „Ich hab’ das Geld auf den Kopf geklopft.“ Sie verteilte kleine Zettel mit Grüßen und verschenkte zu jeder Gelegenheit Aufmerksamkeiten. Sie nicht zu mögen, war kaum möglich.

Das Foto, in das sie sich verliebte, zeigte ein Porträt des jungen Schauspielers Volker Brandt. Auch ein umschwärmter Lockenkopf.

Die beiden finden zusammen, heiraten, bekommen Kinder. Donna arbeitet nur noch nebenher, kümmert sich um die Familie und managt die Karriere ihres Mannes. Volker schafft den Durchbruch in die nationale Schauspielgilde, bekommt Rollen in der Schwarzwaldklinik, auf dem Traumschiff, im Tatort, reist durch die Welt. So geht das über 20 Jahre. Die „Bild“-Zeitung berichtet gelegentlich aus Volkers Schauspielerleben, später aus seinem Doppelleben mit zwei Frauen, von denen eine deutlich jünger ist. Donna ist tief verletzt, bleibt aber offiziell seine Ehefrau. Und verliebt sich schließlich selbst in einen jüngeren Mann.

Das Kennenlernen und Kontakteknüpfen liegt ihr im Blut. Bald nutzt Donna diese Gabe auch geschäftlich, führt US-Investoren durch Berlin und zeigt ihnen die vielen Brachen, die auf Häuser warten. Nebenher gibt sie Tanzunterricht und bewirbt sich auf Filmrollen.

Alles läuft gut, wäre da nicht dieses Herzrasen, das immer wiederkehrt. Der Arzt verschreibt Betablocker. Bis sich, viel zu spät, herausstellt, dass hinter dem Herzrasen der Krebs steckt.

Der große Freundeskreis schrumpft zu einer kleinen protection group, ihr Heilungsteam. Anderthalb Jahre lang arbeitet das Team erfolgreich, doch Heilung bleibt ein unerfüllbarer Traum. Donna macht ein Casting für einen US-Gerichtsthriller. Sie soll eine Zeugin aus den Südstaaten spielen. Ob der Film gedreht wird, hat sie nicht mehr erfahren.

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