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Bunter Vogel. Simon Kowalewski von der Piratenpartei bei seinem farbenfrohen Auftritt am 14. Juni im Abgeordnetenhaus.

© dpa

Piraten im Abgeordnetenhaus: Anfänger nach einem Dreivierteljahr

Die Piraten erhalten von ihrem Ex-Landeschef schlechte Noten. Bilanziert man ihre konkrete Parlamentsarbeit, muss man sagen: Er hat recht. Ein Dreivierteljahr nach der Abgeordnetenhauswahl können sich die Piraten nicht mehr auf ihren Welpenschutz berufen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Ex-Landeschef der Piraten, Gerhard Anger, hat der eigenen Fraktion im Abgeordnetenhaus schlechte Noten ausgestellt. Die Arbeit laufe nach wie vor mühsam, die Leistung der Abgeordneten sei ernüchternd und enttäuschend. Die Fakten bestätigen dies. Die Parlamentsarbeit der Piraten bleibt nicht nur quantitativ, sondern auch inhaltlich weit hinter dem zurück, was Grüne und Linke an Oppositionsarbeit leisten. Ein Dreivierteljahr nach der Abgeordnetenhauswahl können sich die Piraten auch nicht mehr damit entschuldigen, dass sie als Anfänger im politischen Geschäft die üblichen Anlaufschwierigkeiten haben.

In den ersten 15 Plenarsitzungen des Landesparlaments haben die Piraten knapp 20 eigenständige Anträge und zwei Große Anfragen eingebracht. Die Formulierung politischer Positionen, Gesetzesinitiativen oder Fragen an den Senat sind aber wichtige Instrumente der Opposition, um die Regierung zu treiben, Probleme zu benennen und Transparenz herzustellen. Zum Vergleich: Die Grünen haben die Parlamentsausschüsse schon mit über 80 Anträgen beschäftigt, die Linken brachten es auf rund 50 Anträge.

In Bildern: Die Pannen der Piraten

Gemeinsame Initiativen mehrerer Fraktionen sind dabei nicht berücksichtigt. Auch nicht Änderungsanträge zu den Forderungen anderer Fraktionen. Auffällig ist, dass sich die Piraten – offenbar mangels eigener Ideen – gern an parlamentarische Initiativen anderer Fraktionen anhängen. Denn bislang ist nicht nur die Zahl gering, sondern auch das politische Spektrum der Themen, mit denen die Piraten im Abgeordnetenhaus auftreten, sehr eng. Transparenz, Teilhabe und Datenschutz – diese Kernkompetenzen spiegeln sich in den Anträgen wider. Auf den Weg zu neuen Ufern haben sich die Piraten bisher selten gemacht.

Bis zur Sommerpause des Parlaments, die vor zwei Wochen begann, forderte die Fraktion: die Offenlegung der Verträge zum Spreepark im Plänterwald, der Verträge zur Privatisierung des Wohnungsunternehmens GSW, der Gutachten zur ICC-Sanierung, des Liegenschafts-Katasters, der Arbeit des Flughafen-Aufsichtsrats und der Sitzungsprotokolle und Beschlüsse des Senats. Im Bereich des Datenschutzes wurde gefordert, auf den sogenannten Staatstrojaner und auf Software zur Kontrolle des Urheberrechts an Schulen zu verzichten. Die Funkzellenabfrage solle restriktiv gehandhabt und die EU-Datenschutzrichtlinien sollten verbessert werden.

Darüber hinaus beantragten die Piraten die stufenweise Einführung eines Wahlrechts ab dem 7. Lebensjahr, Volksinitiativen und -begehren per Internet und die freie und unbefristete Nutzung der Programminhalte öffentlich-rechtlicher Sender. Die Gremien der Berliner Hochschulen wollten sie mit einem Landesbeirat besser vernetzen und Zollbeamten zur Verfolgung von Straftätern polizeiliche Befugnisse übertragen. Die Kirchensteuer gehört nach Meinung der Piraten abgeschafft, alle Bürger sollen das Recht auf ein Pfändungsschutzkonto erhalten, und die Rolle des Migrationsbeauftragten soll gestärkt werden.

Das war’s. Mietenpolitik und Stadtentwicklung, Jugend und Familie, Gesundheit und Soziales, Wirtschaft und Finanzen, Bildung und Forschung, Umweltschutz und Kultur – weitgehend Fehlanzeige. Das vor Monaten verkündete Versprechen, sich zu den wesentlichen Themen der Landes- und Kommunalpolitik eigene Positionen zu erarbeiten, wurde bisher nicht erkennbar eingelöst. Und im Berliner Wahlkampf 2011 stand auf den Plakaten der Piraten: „Wir sind die mit den Fragen …“ Auch diese Zusage wurde im parlamentarischen Rahmen nicht eingelöst: Das Instrument der Kleinen Anfrage, mit dem jeder Abgeordnete dem Senat eine Antwort zu konkreten Problemen der Stadt entlocken darf, wird von den Piraten nur selten genutzt. Schätzungsweise stellen sie fünf Prozent aller parlamentarischen Anfragen. Selbst die Mitglieder der Regierungsfraktionen SPD und CDU sind sehr viel neugieriger.

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