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Polizisten auf der Silvesterparty am Brandenburger Tor.

© dpa

Update

Brandenburger Tor in Berlin: Sexuelle Übergriffe in Silvesternacht - Polizei korrigiert Zahl nach oben

In mindestens 22 Fällen kam es bei der Silvesterparty am Brandenburger Tor zu sexuellen Übergriffen. Auch aus Gruppen heraus wurden die Opfer bedrängt.

Die Zahl sexueller Übergriffe auf der Silvesterfeier vor dem Brandenburger Tor hat sich offenbar fast vervierfacht. Nachdem der Polizei am Neujahrstag noch sechs Fälle sexueller Belästigungen bekannt gewesen waren, hat sich diese Zahl bis Freitag auf 22 Anzeigen erhöht. Alle Taten haben sich im Bereich der Feiermeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule ereignet. Diese Information lag der Polizei seit Donnerstag vor, wurde aber erst auf Nachfrage des Tagesspiegels am Freitag mitgeteilt.

„Den Opfern wurde in den meisten Fällen ans Gesäß und zwischen die Beine gefasst“, sagte eine Sprecherin. In mindestens zehn Fällen näherten sich Einzeltäter den Opfern aus Gruppen heraus. Ob es sich bei den Opfern ausschließlich um Frauen handelt, wollte die Polizei aus Opferschutzgründen nicht sagen, in vier Fällen waren die Opfer aber minderjährig. Vier Tatverdächtige konnten ermittelt werden. Auch zu ihnen machte die Polizei keine genaueren Angaben.

1700 Polizisten überwachten die Silvesterparty

Bei den 22 Anzeigen sind offenbar nicht alle Fälle eingerechnet, von denen die Polizei am Neujahrstag berichtet hatte. Diese hatten sich teilweise nicht auf der Feiermeile, sondern auf dem Weg dorthin ereignet. Auch ein Fall eines Exhibitionisten, der sich vor einer Frau entblößt hatte, gehört nicht zu den 22 Anzeigen, wie die Polizei mitteilte. Am Neujahrstag hatte es geheißen, dass sich alle Taten unabhängig voneinander ereignet hätten. Ob das auch für die weiteren Fälle zutrifft, konnte die Polizei nicht sagen.

„Das ist eine grauenvolle und bedauerliche Entwicklung“, sagt die Veranstaltungssprecherin Anja Marx. Für sie sind sexuelle Übergriffe auf öffentlichen Großveranstaltungen ein neues Phänomen. „Wir hatten das letztes Jahr zum ersten Mal, aber nur in zwei Fällen“, so Marx.

Nach dem Anschlag am Breitscheidplatz hatten 1700 Polizisten die Silvesterparty überwacht, gepanzerte Wagen hatten die Zufahrtsstraßen abgeriegelt. Daneben waren außerdem 600 Sicherheitsordner vom Veranstalter im Einsatz und im Eingangsbereich und um die Bühne hatte es Überwachungskameras gegeben. „Unser Sicherheitskonzept hat funktioniert“, sagt Marx und verweist auf Platzverweise und zwei direkte Festnahmen nach sexuellen Belästigungen.

"Das müssen wir ernst nehmen, es darf nicht ignoriert werden"

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Burkard Dregger, nannte die neuen Zahlen eine „andere Größenordnung“. „Das müssen wir ernst nehmen, es darf nicht ignoriert werden.“ Er erneuerte seine Forderung nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. „Wenn wir die Sorgen von Bürgern ernst nehmen wollen, dann müssen wir Videotechnik dosiert zum Einsatz bringen“, sagte er mit Verweis auf die jüngsten Fahndungserfolge der Polizei nachdem Videobilder veröffentlicht worden waren. Es sei fahrlässig, dieses Hilfsmittel nicht zu benutzen. „Wir werden nicht von Kameras bedroht, sondern von Angreifern und Kriminellen.“

Auch Sven Kohlmeier, Innenexperte der SPD, bedauerte die höhere Opferzahl. „Jeder Fall ist einer zu viel.“ Leider gebe es aber auf Großveranstaltungen immer wieder übergriffige Männer. Mit Videoüberwachung könne man das Problem nicht lösen, so Kohlmeier. „Ich hoffe, Herr Dregger fordert jetzt nicht nach jedem Zwischenfall mehr Videoüberwachung.“ Zwar könne Videotechnik bei der Strafaufklärung helfen, aber man müsse bei der Debatte auch Maß halten. „Wir können den Menschen keine absolute Sicherheit versprechen“, sagt Kohlmeier. Gegen mehr Videotechnik sprach sich auch Hakan Tas von der Linkspartei aus. „Gerade bei solchen Großveranstaltungen bringen Kameras nichts. Da erkennt man ja keine Tathergänge“, sagt er.

Die Aufgabe der Politik sei es aber trotzdem, zukünftige sexuelle Übergriffe auf Großveranstaltungen zu verhindern. Dafür müssten sich die Betroffene schneller bei der Polizei melden und Anzeige erstatten, so Tas. Außerdem müsse die Öffentlichkeit besser aufgeklärt werden. „Das kann durch vielsprachige Broschüren geschehen oder auch durch Ansagen von der Bühne.“ Generell brauche es aber auch mehr Zivilcourage.

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