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Einsatz in der Nacht: Am 11. August 2014 standen im Spreepark die Kulissen des Dorfes „Alt-England“ in Flammen.

© Snapshot-Photography/Seeliger

Update

Großfeuer in Berlin-Plänterwald: Ein Stück "Spreepark" liegt in Schutt und Asche

"Alt-England" ist abgefackelt: Die Kulissen im "Spreepark" wurden in der Nacht zerstört. Bagger rissen am Mittag Ruinen ein. Die Polizei war mit Hunden vor Ort, auch Drohnen wurden eingesetzt.

Plötzlich irren die Touristen umher, ausgestattet mit Kameras. Sie suchen alte Dinos, die Western City und die vermoderte Wildwasserbahn. „Spreepark“- Idyll als Berliner Trash-Kulisse. Doch an diesem Morgen ist alles ein bisschen anders. Hier im Spreepark riecht es nicht nach frischem Wald, es stinkt nach verbranntem Plastik. Feuerwehrautos stehen in dampfenden Ruinen. Und zu den Bienen und Mücken am Himmel gesellt sich eine Polizeidrohne, die fürs LKA ein paar Aufnahmen von oben machen soll, weil die Ermittler hier das Werk eines Brandstifters vermuten.

In Berlins legendärem Freizeitpark, Ort voller Geheimnisse und Skandale, wurden in der Nacht zu Montag die Kulissen vom Dorf „Alt-England“ angesteckt. 5000 Quadratmeter Fachwerkkulisse in Flammen. Die Feuerwehr war stundenlang im Einsatz mit 100 Leuten, die Nachricht verbreitet sich rasend schnell in der Szene des jungen Berlins. Brandanschlag? Auf den Spreepark? „Mein Herz brennt“, twittern betroffene Ost-Berliner. Am Morgen hieß es in der Feuerwehrzentrale: Die Brandherde – jeweils in einem Kiosk mit Reetdach – liegen 200 Meter auseinander. Das dürfte Brandstiftung sein. Das LKA sicherte vor Ort die Spuren. Die Auswertung kann sich nach Angaben der Polizei noch über Wochen erstrecken.

Die Polizei hatte am Mittag Spürhunde losgeschickt, damit die nach Brandbeschleuniger schnüffeln, gleich neben dem legendären Riesenrad, das auch an diesem Morgen wieder gespenstisch quietschend vom Wind bewegt wird. Touristen seien ständig hier, erzählt die Chefin des Liegenschaftsfonds, Birgit Möhring, zwischen den dampfenden Ruinen. Sie ist umgehend zum Brandherd geeilt. Die Verbotsschilder seien inzwischen auch schon auf Englisch angebracht worden. Das Problem sei: Sie sind ein beliebtes Souvenir und würden ständig abmontiert. Auch der Wachschutz könne nicht überall sein, dafür sei das Gelände im Wald viel zu groß. Aber manchmal versteht auch Möhring das Berliner Eventpublikum nicht: Wenn Familien samt Kind auf die ollen Gondeln des Riesenrads klettern und eine Runde drehen wollen – das Gerät ist völlig verrostet. „Wir bauen jetzt einen neuen Zaun“, sagt Möhring, während hinter ihr ein Bagger den Steg niedermalmt.

Sie waren eine beliebte Kulisse für Filmaufnahmen.
Sie waren eine beliebte Kulisse für Filmaufnahmen.

© Franziska Felber

„Der Park gehört zu den Top-10-Orten weltweit“

Wer jetzt zum Riesenrad will, muss durchs modrige Wasser schwimmen (was allerdings in dieser Stadt wiederum einigen zuzutrauen ist). Das Areal verzaubert, hat Charme, ist so typisch Berlin. Verwunschen, verrostet, verwildert. Das Interesse sei so groß, dass viele Menschen illegal auf das Gelände kletterten, erzählt Möhring, „wir wollen wieder organisierte Führungen auf dem Gelände anbieten“. Wann? Das sei unklar. Während Polizei und Feuerwehr ihrer Arbeit nachgehen, steigen auf der anderen Seite des Parks schon wieder Touristen ein. Eine Gruppe nimmt schnell Reißaus, als sie sich ertappt fühlt, eine andere schlendert völlig unbekümmert herum und schießt Fotos. Die drei 22-jährigen Freunde kommen aus Australien und den USA und sind für fünf Tage in Berlin.

Die Idee zum Streifzug im Vergnügungspark haben sie über die Tourismus-Webseite Tripadvisor bekommen. „Der Park gehört zu den Top-10-Orten weltweit“, sagt einer aus der Gruppe. Und sie seien wirklich nicht enttäuscht worden. Unbehelligt verlassen die Abenteurer das Gelände wieder. Birgit Möhring vom Liegenschaftsfonds will nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen. „Wir treten auch an die Verfasser von Reiseführern heran“, sagt sie. Denn der Spreepark steht längst in vielen Berlin-Guides als eine Art Geheimtipp. Deshalb finden hier so viele Partys statt. „Auf die Blogs im Internet haben wir aber keinen Einfluss.“

Der nächste Hydrant ist 1500 Meter entfernt

In der Feuerwehrzentrale hätte man gleich noch ein paar mehr Wünsche, denn der Einsatz in der Nacht war nicht sehr einfach, und das lag nicht nur am Reetdach, das vor sich hin knisterte. Als die ersten Feuerwehrkräfte die Flammen sahen, forderten sie Unterstützung an. Mauern brachen ein, Flammen loderten – der nächste Hydrant auf diesem alten DDR-Gelände war aber nicht nur in „sehr, sehr schlechtem Zustand“, sondern auch noch 1500 Meter entfernt. „Normal ist das nicht“, kritisierte ein Feuerwehrsprecher. „Wir mussten viele Kilometer Leitungen legen und Fahrzeuge einsetzen, um den Druck überhaupt aufrechtzuhalten.“ Weil das aber nur bedingt ausreichte, wurde ein Feuerlöschboot angefordert – das lag nur leider in Spandau Süd in der Havel. Also zogen sich alarmierte Wasserschutzpolizisten ihre Schutzuniform über und stellten sich an die Spritzpistole. Mehr als 100 Feuerwehrleute waren im Einsatz, viele mit schwerem Gerät und Atemschutzmasken. „Verletzt worden ist zum Glück keiner der Einsatzkräfte“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Der Spreepark aber als Areal der Erinnerungen und Träume bleibt verletzlich.

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