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Raus auf die Straße. Wo Polizisten in Problemkiezen für Ordnung sorgen wollen, werden sie häufig von Menschen bedrängt, die nicht immer friedliche Absichten haben. Foto: Kai-Uwe Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Polizei in Problemkiezen: Respekt schaffen

Polizisten müssen sich in Problemkiezen oft einiges gefallen lassen. In Neukölln fühlen sich jedoch auch einige Migranten von den Beamten nicht anerkannt. Andere fordern mehr Härte und eine strengere Erziehung.

Was Jugendliche wie er für ein Verhältnis zur Polizei haben? Der Neuköllner Schüler Özkan denkt kurz nach. „Wenn man denen keinen Stress macht, dann machen die einem auch keinen Stress“, sagt er. Diese Regel gilt natürlich auch andersherum: Wenn Polizisten ihm Stress machen, dann bekommen auch sie Stress. Ein Beispiel? „Wenn ich unschuldig bin, und die packen zu, dann wehre ich mich natürlich“, sagte der 17-Jährige am Hermannplatz. Zwar wisse er, dass das unklug ist, aber „man muss seinen Freunden gegenüber Stärke repräsentieren“. Der Abiturient mit Sporttasche und Jogginghose klingt eher reflektiert als aggressiv. Sind Beamte in Grün dann noch Respektspersonen? „Eher nicht.“

Im Teleshop ein paar Meter weiter pfeift ein junger Mitarbeiter bei der Frage durch die Zähne. „Ne!“, sagt der Mann hinter der Kasse und zeigt nach draußen auf den Platz. „Für die da sind Polizisten nichts, gar nichts!“ Was habe er nicht schon alles erlebt: Leute, die Polizisten beleidigen, anspucken, anbrüllen. Oft seien das Jugendliche, aber auch Ältere. Er sei „selber Ausländer“, aber er schäme sich dafür, wie „die da draußen“ sich benehmen. Der Grund ist für ihn eindeutig: Arbeitslosigkeit. „Denen ist langweilig“, sagt der Türke, „sie haben nichts zu verlieren“. Er kennt viele Anwohner besser, als ihm lieb ist: Neben Ferngesprächen bietet sein Laden Alkohol, Telefonkarten und Zigaretten – den Alltagsbedarf der Leute, auf die er deutet.

Der Rundgang in Neukölln bestätigt, was Hauptkommissar Karlheinz Gaertner vom Abschnitt 54 in der Dienstagsausgabe des Tagesspiegels beschrieben hat: In Neukölln reagieren Bewohner bisweilen respektlos oder sogar aggressiv auf Ordnungshüter. Laut Statistik ist die Zahl der Fälle von „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ in Berlin ohnehin höher als in anderen Bundesländern. Und nicht nur das: Die Angriffe werden immer brutaler, die Anlässe immer geringer. Die Ursache für die Probleme im Kiez bewerten türkische und arabische Neuköllner jedoch sehr unterschiedlich.

„Wäre ich deutsch, hättest du nicht gemacht!“ – für Hauptkommissar Gaertner eine alltägliche Reaktion, wenn er beispielsweise wegen Verkehrsverstößen nach dem Ausweis fragt. Diese Vermutung scheint in Neukölln weit verbreitet zu sein. „Die haben keinen Respekt vor mir, weil ich Ausländer bin. Also habe ich auch keinen vor ihnen“, sagt etwa der Dönerverkäufer im „Baydayi Grillhaus“. Auf die Frage, was sie von der Polizei halten, antworten viele Anwohner widersprüchlich: „Sie sind unfreundlich und herablassend“, sagen die einen. „Die Ordnungshüter treten zu lasch auf und sind nicht streng genug“, sagen die anderen.

„Bei uns in der Türkei traut sich keiner, so respektlos mit der Polizei umzugehen“, sagt etwa der 63-jährige Muharrem Kurt, ein ehemaliger Gastarbeiter. Die Polizei dort würde „einfach mehr Autorität ausstrahlen“. Er selber habe in den 38 Jahren in Deutschland allerdings nur gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht.

Auch die 55-jährige Bäckereibetreiberin Hasi Uzuner aus der Weichselstraße ist voller Lob für die Polizei, die immer kommt und hilft, wenn es Einbrüche und Pöbeleien gibt. Sie sieht das Problem für „die Situation“ nicht allein, aber auch bei ihren Landsleuten. Die Familien seien schuld daran, dass „unsere nächste Generation leider oft respektlos“ der Obrigkeit gegenüber sei. Zu viele würden ihre Kinder nicht gut erziehen.

Schüler Özkan sieht das anders: „Wir haben einen schlechten Ruf. Polizisten nehmen Jugendliche wie misch härter ran als andere“, sagt er im typischen Neuköllner Slang. Vor allem das sei der Grund für die Aggressionen gegenüber Beamten. In so einem Fall allerdings gilt es für ihn und seine Freunde, den Ruf als harter Kerl zu wahren. „Ein Teufelskreis.“

Ferda Ataman/Marianna Mamonova

Ferda Ataman, Marianna Mamonova

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